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Interview

„Es gibt eine ernstzunehmende Problemwahrnehmung in Marzahn-Hellersdorf“

Die 2. Phase der Kampagne BerlinzeigtCURAge nimmt rechte Gewalt in den Berliner Außenbezirken in den Blick. Diese werden in den Debatten um vorurteilsmotivierte Gewalt oft außen vor gelassen, aber Menschenfeindlichkeit endet eben nicht am Berliner S-Bahn Ring.

Das folgende Gespräch ist Teil einer Interviewserie mit zivilgesellschaftlichen Initiativen und Vertreter*innen aus der Politik, mit denen wir über rechte Gewalt in ihren Bezirken sprechen. Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau zeichnet ein Lagebild aus ihrem Bezirk Marzahn-Hellersdorf und blickt auf die bezirkspolitischen Strukturen im Kampf gegen Rechtsextremismus und vorurteilsmotivierte Gewalt.

Opferfonds CURA: Wie ist die Lage im Bezirk Marzahn-Hellersdorf? Ist rechte, rassistische und antisemitische Gewalt dort ein großes Problem? Gibt es lokale Besonderheiten?

Petra Pau: Wie auch in anderen Bezirken in Berlin ist rechte Gewalt in Marzahn-Hellersdorf ein Problem. Seit Jahren gibt es in Marzahn-Hellersdorf eine aktive extrem rechte Szene. Verstärkt seit 2013 und befeuert durch geflüchtetenfeindliche Proteste gab es immer wieder Übergriffe auf Migrant*Innen, Asylsuchende und Engagierte. Der Höhepunkt waren sicherlich die Jahre 2013 bis 2015, als nahezu wöchentliche rechte Aufmärsche gegen Geflüchtetenunterkünfte stattfanden. Aber auch wenn die Szene mittlerweile geschwächter ist, kommt es immer noch zu Übergriffen, Bedrohung, zu Sprühereien und NS-verherrlichender Propaganda. Dies ist alles in beiden Registern des Bezirks dokumentiert und nachzulesen.

Wird rechte Gewalt auf Bezirksebene verhandelt? Gibt es Angebote für Betroffene? Wird dem Phänomen Aufmerksamkeit geschenkt?
Mein Eindruck ist, dass es gute, wirksame Strukturen im Bezirk und eine ernstzunehmende Problemwahrnehmung gibt. Das Bezirksamt hat unter anderem die Koordinierungsstelle für Demokratieentwicklung Marzahn-Hellersdorf eingerichtet, deren Aufgabe es ist, für die Themen Rassismus, extreme Rechte und Diskriminierungsformen jeglicher Art zu sensibilisieren und ihnen entgegenzuwirken. Die Koordinierungsstelle legt zudem einen jährlichen Bericht zur Situation vor. Außerdem arbeitet das „Bündnis für Demokratie und Toleranz am Ort der Vielfalt Marzahn-Hellersdorf“ seit Jahren mit verschiedensten Akteur*Innen engagiert in diesem Bereich. Und auch die bereits genannten Registerstellen zur Erfassung von Vorfällen leisten extrem wichtige Arbeit, sind dabei jedoch immer wieder auch Angriffen der AfD ausgesetzt. In Anfragen, Beiträgen und Erklärungen hat die AfD in der Bezirksverordnetenversammlung immer wieder die Legitimität der Koordinierungsstelle und die inhaltliche Richtigkeit der Angaben des Registers in Frage gestellt.

Eine eigene Opferberatung hat der Bezirk nicht. Betroffene rechter Gewalt können sich an die Koordinierungsstelle wenden. Dort gibt es eine vertrauensvolle Zusammenarbeit unter anderem mit der Mobilen Beratung gegen Rechts (MBR).

Was wäre Ihrer Meinung nach notwendig, um dem Problem rechter Gewalt in Marzahn-Hellersdorf effektiv entgegenzutreten?
Wir müssen die Angriffe und Diffamierungen gemeinsam und solidarisch abwehren, denen antirassistische und zivilgesellschaftliche Strukturen, unter anderem durch geistige Brandstifter*Innen, ausgesetzt sind. Um rechte Gewalt weiterhin nachhaltig bekämpfen zu können, müssen wir die Ursachen von Rassismus und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit klar benennen und erkennen und Betroffene stärken und unterstützen. Dazu gehört, zivilgesellschaftliche Projekte langfristig zu fördern und weiterhin in breiten Bündnissen zusammen zu arbeiten.

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