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Neuerscheinung

Wie sicher ist unsere Demokratiearbeit?

Rechtsextremismus wächst – und mit ihm das Selbstvertrauen der extremen Rechten. Diese Entwicklung führt zu vermehrten Angriffen auf die demokratische Zivilgesellschaft, die sich aktiv gegen Rechtsextremismus engagiert. Das Projekt BEWARE hat genau hingeschaut: In Interviews und einer bundesweiten Befragung schildern über 500 Engagierte ihre Erfahrungen. Die Ergebnisse sind alarmierend – und ein dringender Weckruf für Politik und Gesellschaft.

Engagierte Menschen, Vereine und Bündnisse stehen dabei oft unmittelbar an der Front und tragen ein hohes persönliches Risiko. Sie werden schnell zu Zielscheibe, gerade weil es an Schutzmaßnahmen.  Die Angriffe gegen sie sind vielfältig und richten sich auch gegen Vielfalt und damit die offene Gesellschaft: strategische Attacken auf Träger, Vereine und Bündnisse, aber auch spontane Gewaltausübungen gegen Einzelpersonen oder queere Menschen, wie die Angriffe auf CSDs zeigen. Der Druck auf die Zivilgesellschaft ist enorm und droht, sie zu zerbrechen. Aktuelle Beispiele wie Spremberg verdeutlichen die Lage: Die Bürgermeisterin der Stadt hat in einem „Brandbrief“ auf die rechtsextreme Raumnahme hingewiesen und damit die Bedrohungslage öffentlich gemacht. Die zunehmende Gewalt und Bedrohung gegen Engagierte stellen eine ernsthafte Herausforderung für unsere Demokratie dar. Es ist wichtig, diese Entwicklungen sichtbar zu machen und den Schutz der Zivilgesellschaft zu stärken.

Die Strategie von rechtsextremen Akteuren – wie der AfD und weiterer aus dem klassisch rechtsextremem und neurechten Spektrum – ist es, die Demokratiearbeit der Zivilgesellschaft vollends abzuschaffen.

„Das Projekt BEWARE: Bedrohte Demokratieprojekte wappnen und resilient machen hat im Zeitraum von Juli bis Dezember 2023 bundesweit zwanzig Personen aus der beruflichen und aktivistischen Demokratiearbeit gegen Rechtsextremismus zu ihren Wahrnehmungen, Einordnungen und Bearbeitungen von Bedrohungen befragt. Darauf aufbauend hat BEWARE im April 2024 eine quantitative Online-Befragung durchgeführt, an der über 500 Personen teilgenommen haben, die sich in zivilgesellschaftlichen Projekten, Gruppierungen oder Bürgerbündnissen für die Demokratie engagieren.“[1]

Die Amadeu Antonio Stiftung hat gemeinsam mit BEWARE aufbauend auf den Ergebnissen der qualitativen und quantitativen Befragung an einem Praxistool und einer Begleitbroschüre wesentlich mitgewirkt. Mithilfe des Tools können potenziell Betroffene miteinander ins Gespräch kommen, unterschiedliche und gemeinsame Bedarfe erarbeiten, Dilemmata aushandeln und für ihr Setting passende Maßnahmen ableiten. Für Hintergrundinformationen zum Thema steht eine Begleitbroschüre zur Verfügung.

Das Praxistool zur bedarfsorientierten Strategieentwicklung für den Umgang mit Bedrohungen findet ihr hier: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/beware/ 

BEWARE (2025): Das Praxistool zur bedarfsorientierten Strategieentwicklung für den Umgang mit Bedrohungen. Von BEWARE entwickelt und mit der Amadeu Antonio Stiftung umgesetzt.

Zentrale Ergebnisse aus dem Kurzbericht im Überblick

  • 79 % der Befragten haben bereits (ggf. strafrechtlich relevante Formen von) Bedrohung erlebt, davon 57 % im letzten Jahr. 8 % der Befragten wurden mit dem Tod bedroht.
  • Wie stark Bedrohungen verfangen, hängt auch vom Umfeld ab – in Räumen, in denen demokratische Zivilgesellschaft und Politik den Akteur:innen der extremen Rechten wenig entgegensetzen, fühlen sich Menschen stärker bedroht.
  • Besonders gefährdet sind die Akteure, die als „links(extrem)“ oder „Störenfriede“ markiert werden. Diese Markierungen kann beliebig sein und dient der Delegitimierung.
  • Für Personen aus vulnerablen sozialen Gruppen, z. B. von Rassismus oder (Hetero-) Sexismus Betroffene sind Bedrohungen eine besondere Herausforderung. Gleiches gilt für Jugendliche und junge Erwachsene sowie engagierte Einzelpersonen. Vor allem Frauen berichten von Selbstzweifeln und stressbezogenen Belastungen.
  • Ost- und Westdeutsche berichten insgesamt gleich häufig über Bedrohung. Engagierte in Ostdeutschland sehen sich jedoch besonders häufig körperlicher Gewalt, Sachbeschädigung und Raumnahmen (z. B. durch offensives Zeigen rechtsextremer Präsenz oder Störung von Veranstaltungen) ausgesetzt. Sie sind außerdem häufiger von als bedrohlich wahrgenommenen parlamentarischen Anfragen betroffen. Sie befürchten zudem eher, mit dem Zugewinn der AfD ihre Arbeit einschränken oder gar einstellen zu müssen. Mehr als 14% von ihnen denken oft darüber nach, ihre Tätigkeit zu wechseln, 7% überlegen, ihre Demokratiearbeit zu beenden.
  • Engagierte verfügen über Wissen und Erfahrungen im Umgang mit Bedrohung. Die gilt vor allem für gewaltbezogene Angriffe, weniger für politische Interventionen.
  • Betroffene passen sich an die Bedrohung an, indem sie z. B. potentiell gefährliche Situationen oder Plätze meiden, mit gravierenden Einschnitten für ihre persönliche Lebensgestaltung.
  • Ein Großteil (71 %) der Befragten nimmt die Bedrohungen aber auch als Ermutigung für ihr Engagement, 42 % intensivieren sogar ihre politische Arbeit.
  • Netzwerke sind wichtig. Betroffene können sich vor allem auf Unterstützung durch ihre beruflichen und privaten Netzwerke verlassen. Im direkten Umfeld und im persönlichen Kontakt mit Mitengagierten, Kolleg:innen und Arbeitgebern erleben Engagierte überwiegend hilfreichen Beistand. Weniger können sie auf die Solidarität der Bevölkerung und Kommunen zählen. Die Bedrohungserwartung wird durch den erlebten Mangel an Unterstützung verstärkt.
  • Austausch über und die Entwicklung von Strategien für den Umgang mit Bedrohung brauchen ausreichend Ressourcen.

 

Den gesamten Kurzbericht zur Umfrage findet ihr hier: https://www.hs-niederrhein.de/fileadmin/dateien/Institute_und_Kompetenzzentren/SO.CON/Publikationen_und_Downloads/BEWARE_Bedrohung_der_zivilgesellschaftlichen_Demokratiearbeit_Kurzbericht_20240903.pdf

[1] Leber, Tina/Mertens, Fabian/Küpper, Beate (2024): Bedrohung der zivilgesellschaftlichen Demokratiearbeit. Kurzbericht des Projekts BEWARE: Bedrohte Demokratieprojekte wappnen und resilient machen. BMBF Förderlinie „Aktuelle und historische Dynamiken von Rechtsextremismus und Rassismus“.

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