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29. Helfen Sie, die Grenze des Sagbaren festzuschreiben

29. Helfen Sie, die Grenze des Sagbaren festzuschreiben

Das Konzept von der Grenze des Sagbaren, das im englischen Sprachraum als „Overton-Window“ bezeichnet wird, geht auf den Politikwissenschaftler Joseph P. Overton zurück. Er bezeichnet damit eine Art Meinungs- und Äußerungsfenster, dessen Rahmen sanktionsfrei Sagbares und öffentlich Akzeptables umfasst. Im vordigitalen Zeitalter wurde dieser Rahmen von Gatekeeper*innen (englisch für Pförtner*innen), in der Regel professionellen Journalist*innen, definiert. Ihre Aussagen legten als eine Art Metakommentar fest, welche Positionen als vernünftig, gerade noch vertretbar oder eben unsagbar und zu radikal zu gelten hatten. Natürlich gab es auch schon in der vordigitalen Zeit Übertretungen dieser Grenze – aber wer das tat, musste mit Angriffen und Kritik leben. Auf diese Weise wurde durch die Instanz der Gatekeeper*innen auf die Einhaltung von Tabus geachtet.

In der „Empörungsdemokratie“, wie der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen die gegenwärtigen Kommunikationsbedingungen nennt, ist die Macht der klassischen Gatekeeper geschwunden und das Overton-Window zerbrochen. Das ist nicht nur negativ – denn dadurch werden nun auch zu Unrecht marginalisierte und übersehene Standpunkte sichtbar. Aber der Verlust des zivilisierenden Filters der Gatekeeper*innen führt dazu, dass die vernetzten Menschen sich einem „ständigen Konfrontationshagel“ (Sascha Lobo) aus Skandalen und Tabubrüchen ausgesetzt sehen. Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland ein elementares Grundrecht. Sie deckt ausdrücklich jede Äußerung in Wort, Bild und Schrift ab, die nicht verboten ist. Es gibt also sehr viele Aussagen, die unüberlegt, gelogen, abwertend oder moralisch falsch sind – und dennoch erlaubt. Hier ist es eine Aufgabe der demokratischen Öffentlichkeit und insbesondere der Zivilgesellschaft, entschiedenen Widerspruch zu organisieren, und Soziale Netzwerke sind sehr geeignete Orte für solche Gegenrede.

Die Meinungsfreiheit ist in Deutschland ein elementares Grundrecht. Sie deckt ausdrücklich jede Äußerung in Wort, Bild und Schrift ab, die nicht verboten ist. Es gibt also sehr viele Aussagen, die unüberlegt, gelogen, abwer­ tend oder moralisch falsch sind – und dennoch erlaubt. Hier ist es eine Aufgabe der demokratischen Öffentlich­ keit und insbesondere der Zivilgesellschaft, entschiede­ nen Widerspruch zu organisieren, und Soziale Netzwerke sind sehr geeignete Orte für solche Gegenrede

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