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„Die Betroffenen kommen selbst zu wenig zu Wort“

Rana Göroğlu arbeitet seit 2012 beim Mediendienst Integration. © Thomas Lobenwein

Wie wird über Migrantinnen und Migranten in den Medien berichtet, wie sind sie selber in den Medien repräsentiert? Die Amadeu Antonio Stiftung fördert den Mediendienst Integration bei seiner Arbeit für eine differenziertere Berichterstattung über Migration und Integration. Wir haben uns mit Rana Göroglu, Redakteurin beim Mediendienst Integration, unterhalten:

Welche Rolle spielen Medien in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus und Rassismus?

Wie bei fast allen Themen eine zentrale Rolle, da Medien unsere Wahrnehmungen und Einstellungen stark beeinflussen. Meist ist es ja so, dass die Menschen keinen direkten Kontakt zu bestimmten Themen oder Gruppen haben, sondern sich ihre Meinung mit Informationen indirekt aus den Medien bilden. Was wird aber in den Medien überhaupt als »rassistisch« oder »rechtsextrem« bezeichnet? Gerade beim Themenkomplex Rassismus kann man in Deutschland eine starke Zurückhaltung beobachten: So ist in Medienberichten viel öfter von »Fremden-« oder sogar »Ausländerfeindlichkeit« die Rede als von Rassismus. Zudem wird Rassismus meist nicht als Problem in der Mitte der Gesellschaft gesehen, sondern als etwas, das ausschließlich von Rechtsextremisten oder Neonazis ausgeht

Warum hat sich der Mediendienst Integration gegründet?

Die Frage, wie und aus welcher Perspektive Medien über Migration, Integration, Flucht und Asyl berichten, ist in Deutschland noch relativ jung. Das wurde erst ab Mitte des vergangenen Jahrzehnts verstärkt diskutiert. Unter anderem auch beim »Nationalen Integrationsgipfel«, bei dem sich von 2006 bis 2011 Chefredakteure, NGO-Vertreter und Wissenschaftler trafen. Dort entstand die Empfehlung, einen Mediendienst zu gründen. Er sollte Journalisten schnell und fundiert Zahlen, Fakten und Experten zu den vielen Fragestellungen vermitteln, die sich in der zunehmend vielfältiger werdenden Gesellschaft stellen. 2012 wurde das dann in die Tat umgesetzt. Die Sarrazin-Debatte, die 2010 über Monate hinweg in den Medien präsent war, war nicht der Auslöser, hat aber noch einmal ganz deutlich gezeigt, was für ein gesellschaftliches Konfliktpotential in diesen Themen steckt und wie wenig sachorientiert oft darüber diskutiert wird. Die Thesen Sarrazins ließen sich nämlich widerlegen. Die empirischen und wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu gab es, nur fehlte es damals an einer Stelle, die das gebündelt hätte.

Was bietet der Mediendienst Integration Journalistinnen und Journalisten an?

Zum einen bieten wir auf unserer Website Grundlageninformationen, Artikel und Interviews zu Themen wie Zuwanderungsrecht, Asyl, Arbeitsmarktintegration, Rassismus, Rechtsextremismus oder Islam und Muslime in Deutschland. Zahlen, Fakten und Studien fassen wir kurz und übersichtlich zusammen. Wer weiterlesen will, kommt über Verlinkungen zu den Originalquellen. Darüber hinaus können Journalisten uns anrufen oder mailen, wenn sie nach Experten für ihre Berichte suchen. Und wir bieten ihnen Expertengespräche und Medientouren zu einzelnen Themen an.
Anfang der 1990er gab es massive Anschläge auf Flüchtlingsunterkünfte, aktuell nehmen die Angriffe auf Flüchtlinge wieder zu.

Hat sich die mediale Berichterstattung verändert?

Natürlich gibt es noch einiges zu tun. Aber ich denke, dass sich schon viel zum Besseren verändert hat. Es wird zum Beispiel mehr über die Erfahrungen, Schicksale und Geschichten von Flüchtlingen erzählt, im Idealfall auch über ihre Hoffnungen oder Qualifikationen, die sie mitbringen. Und ich glaube auch, dass die Migrations- und Flüchtlingspolitik kritischer begleitet wird. Aber das könnte mehr sein. Zum anderen kommen die Betroffenen selbst oft zu wenig zu Wort, wie an der Berichterstattung über den Brandanschlag in Tröglitz Anfang April sehr gut zu sehen war. Auch wenn die Unterkunft dort noch nicht bewohnt war, hätte man das stärker zum Anlass nehmen können, zu schauen, wie sich eigentlich diejenigen fühlen, gegen die sich die meisten Anfeindungen und Übergriffe richten.

Das Interview führte Imke Kummer

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Tahera_Ameer_2022
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Tahera Ameer im Interview: „Das gesellschaftliche Bewusstsein dafür, dass es Rassismus in Deutschland gibt, ist stark gestiegen. Das ist ein Schritt vorwärts, dazu hat die Amadeu Antonio Stiftung beigetragen. Bis praktische Maßnahmen umgesetzt werden, die Rassismus als strukturelles Problem bekämpfen, ist es noch ein weiter Weg. Wir brauchen Proviant und Ausdauer für einen Marathon, nicht für einen Sprint.“

Gruppenbild_algerische Vertragsarbeiter_Mohamed Kecheroud und Oral-History-Forschungsstelle der Universität Erfurt
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Nach 50 Jahren: Gedenken an rassistische Hetzjagd auf Vertragsarbeiter in Erfurt

Am 10. August 1975 jagten bis zu 300 DDR-Bürger*innen algerische Vertragsarbeiter durch die Erfurter Innenstadt und verletzten einige schwer. 50 Jahre später erinnerten Betroffene und Erfurter*innen an die Ereignisse. In der Öffentlichkeit spielt die Auseinandersetzung mit rassistischer Gewalt in der DDR weiterhin kaum eine Rolle. Die Auseinandersetzung mit rassistischer Gewalt findet auch Jahrzehnte später viel zu selten statt.

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