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Die Dinge beim Namen nennen: Rassismus und Terror

Rosa Fava, Leiterin der ju:an-Praxisstelle Antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit zu den furchtbaren Ereignissen in #Hanau.

Es ist schwierig, unmittelbar nach einem Massenmord wie in Hanau die richtigen Worte zu finden, für alle. Was aber wütend macht beim Hören und Lesen der Nachrichten und Kommentierungen sind die Begriffe „ausländerfeindliches“ bzw. „fremdenfeindliches Motiv“ und „ein Angriff auf uns alle“. „Ausländer-“ und „Fremdenfeindlichkeit“ gehen von dem Gedanken aus, es gebe quasi von Natur aus einen ganz fundamentalen Unterschied zwischen verschiedenen nationalen Gruppen. Zudem, und dies ist das Schlimme, machen die Nachrichten- und Polizeisprecher*innen, die Politiker*innen und anderen Kommentator*innen mit diesen Begriffen die Menschen in den zwei Schischa-Bars zu Nichtdeutschen.

Der Täter hat die Schischa-Bars ausgesucht, weil sich dort oft mehrheitlich Menschen treffen, die selbst oder deren Eltern, Großeltern und auch schon Urgroßeltern eingewandert sind und die er daher nicht als Deutsche akzeptiert. Genauso machen Medien, Polizei und Politik die Betreiber*innen und Besucher*innen der Bars zu „Ausländern“ oder „Fremden“. Deshalb muss von Rassismus gesprochen werden: Die familiäre Herkunft und das Aussehen werden zum Anlass genommen, Menschen nicht als Deutsche, sondern als Ausländer*innen zu sehen. Dieses rassistische Denken ist tief in der Mitte der Gesellschaft verankert und befördert Mordtaten wie in Hanau. Dies umso mehr, weil Medien, Polizei und Politik seit einigen Jahren Schischa-Bars als Orte von Kriminalität und Illegalität konstruieren.

Aufwändige Razzien in den Bars werden inszeniert, um Handeln gegen die „Clan-Kriminalität“ „türkisch-arabischer Großfamilienclans“ zu demonstrieren. Diese und ähnliche Begriffe sollen deutlich machen, dass „ausländische“ und „fremde“ Mächte am Werk seien und eine substantielle Gefährdung Deutschlands darstellten. Zahlreiche Artikel und Filme der öffentlich-rechtlichen Sender beschreiben Schischa-Bars als eine dunkle, zwielichtige und exotische sogenannte Parallelgesellschaft mitten in deutschen Städten. Ein Mörder und Terrorist wie der Täter von Hanau sieht sich so als Verteidiger der bedrohten deutschen Nation, der endlich handelt, statt nur zu reden. „Aus SchlagWorten werden BrandSätze“ lautete Anfang der 1990er Jahre der Titel eines Buches, der diesen Zusammenhang zwischen Sprache und Handeln auf den Punkt gebracht hat.

30 Jahre nach den Ausbrüchen rassistischer Gewalt in Brandanschlägen und Pogromen müssen Verantwortliche in Medien, Polizei und Politik ihre Verantwortung endlich wahrnehmen. Ein erster Schritt ist die Sprache, die Benennung von Rassismus und das Eingeständnis, dass „es“ eben nicht ein „Angriff auf alle“ ist. Massaker wie in Hanau sind rechter Terror gegen diejenigen Menschen, die Rassismus ausgesetzt sind.

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Tahera_Ameer_2022
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Tahera Ameer im Interview: „Das gesellschaftliche Bewusstsein dafür, dass es Rassismus in Deutschland gibt, ist stark gestiegen. Das ist ein Schritt vorwärts, dazu hat die Amadeu Antonio Stiftung beigetragen. Bis praktische Maßnahmen umgesetzt werden, die Rassismus als strukturelles Problem bekämpfen, ist es noch ein weiter Weg. Wir brauchen Proviant und Ausdauer für einen Marathon, nicht für einen Sprint.“

Gruppenbild_algerische Vertragsarbeiter_Mohamed Kecheroud und Oral-History-Forschungsstelle der Universität Erfurt
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Am 10. August 1975 jagten bis zu 300 DDR-Bürger*innen algerische Vertragsarbeiter durch die Erfurter Innenstadt und verletzten einige schwer. 50 Jahre später erinnerten Betroffene und Erfurter*innen an die Ereignisse. In der Öffentlichkeit spielt die Auseinandersetzung mit rassistischer Gewalt in der DDR weiterhin kaum eine Rolle. Die Auseinandersetzung mit rassistischer Gewalt findet auch Jahrzehnte später viel zu selten statt.

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