Dass die Zivilgesellschaft „unter Druck“ steht, ist seit einiger Zeit überall zu hören. Was aber bedeutet es, sich in diesen Zeiten gegen Rechtsextremismus und Rassismus zu engagieren?
Von Vera Ohlendorf
Wir haben in diesem Jahr über 300 Projekte gefördert, die wirksam und nachhaltig auf konkrete Konflikte und Probleme reagieren, Ideen umsetzen und Menschen in Kontakt und ins Handeln bringen.
Einige der geförderten Träger haben wir gefragt, wie sie auf das Jahr 2025 zurückblicken, welche Herausforderungen in Erinnerung bleiben werden, wie sie mit rechtsextremen Verleumdungsstrategien, Angriffen und Gewalt gegen ihre Arbeit umgehen und was sie sich für 2026 wünschen, um weiterhin für solidarischen Zusammenhalt, Menschenrechte und Minderheitenschutz einzustehen.
Klar ist: Der Kampf für die Demokratie kann nur erfolgreich sein, wenn wir alle Verantwortung übernehmen und niemanden allein lassen. Verhältnisse lassen sich ändern – mit Engagement, Haltung, Einfluss oder mit finanzieller Unterstützung.
Buntes Meißen e.V. (Sachsen)
Der Verein Buntes Meißen e.V. betreibt eine Begegnungsstätte, bietet Sprachkurse für Geflüchtete an und organisiert Freizeitangebote für Menschen mit und ohne Migrationsgeschichte. Ende 2024 strichen Vertreter*innen von AfD, FDP, Freien Bürgern und Teilen der CDU den Verein von einer kommunalen Vorschlagsliste für den europäischen Sozialfonds. Im April verweigerte der Stadtrat nach gemeinsamer Abstimmung von CDU und AfD auch die kommunale Förderung. Vorausgegangen waren rechtsextrem motivierte Diffamierungskampagnen, Hakenkreuzschmierereien am Gebäude, eine kleine Anfrage der CDU im Landtag zur Finanzierungsstruktur, ein Brandanschlag auf das Vereinsgelände sowie gewalttätige Angriffe und zahlreiche Drohschreiben gegen Engagierte. Das Bunte Meißen muss Konsequenzen ziehen und wird zum Jahresende den derzeitigen Sitz der Geschäftsstelle auflösen. „Das ist eine drastische, aber notwendige Entscheidung“, sagt Geschäftsführer Sören Skalicks. „Die Vielzahl der Vorfälle hat zu einer erheblichen Verunsicherung bei den Mitarbeitenden geführt.“ Auch weil Fördergelder weggefallen sind, muss der Verein seine Räumlichkeiten zusammenlegen. Die Geschäftsstelle wird Teil des Treff25 in der Meißener Innenstadt.
Was wünschen sich die Mitarbeitenden für das nächste Jahr? „Vor allem ein deutlich sichtbares Bekenntnis zu unserem Verein seitens der Stadt, der Behörden und der Zivilgesellschaft“, betont Sören. „Darüber hinaus benötigen wir finanzielle Unterstützung, um unsere Demokratie- und Präventionsprojekte weiterhin verlässlich durchführen und ausbauen zu können.“
Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) e.V.
Am 20. Dezember 2024 raste ein Mann mit dem Auto absichtlich auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt, tötete sechs Menschen und verletzte mehr als 300. Der Täter stammt aus Saudi-Arabien und vertritt rassistische, islamfeindliche und rechtextreme Narrative. Es fällt Behörden und Öffentlichkeit bis heute schwer, die Motivlage einzuordnen, da der Täter nicht in die üblichen Raster passt. Rechtsextreme instrumentalisieren die Tat für ihre Interessen und machen Stimmung gegen Geflüchtete. Beim Landesnetzwerk Migrantenorganisationen Sachsen-Anhalt (LAMSA) e.V. gingen im Dezember 2024 und im Januar 2025 zahlreiche rassistische Hassmails zu dem Fall ein, in denen ein Zusammenhang zwischen Migration und Terrorismus hergestellt und Geflüchtete und Muslime zu Sündenböcken für soziale Probleme, Kriminalität und wirtschaftliche Belastungen gemacht wurden. LAMSA sah sich mit Vorwürfen konfrontiert, Extremismus zu fördern und die Demokratie zu untergraben. „Die Emails sind Teil einer groß angelegten Anstrengung, Spaltung zu schüren, Menschenrechte zu untergraben und demokratische Prinzipien zu destabilisieren“, schreibt LAMSA in einer Analyse. Die Anfeindungen haben bei den Mitarbeitenden Spuren hinterlassen: Viele sind emotional belastet und verunsichert. Technische Schutzmaßnahmen wie Spamfilter, IT-Sicherheit oder Monitoring reichen nicht aus, um angemessen mit der Bedrohungslage umzugehen. Nötig sind umfassende Sicherheits- und Präventionsstrategien, die juristische Beratung und einen engen Austausch mit Polizei und Justiz ebenso umfassen wie resilienzfördernde Workshops zu Krisenkommunikation und Stressbewältigung für das Team. LAMSA wünscht sich klare Statements aus Politik, Verwaltung und Zivilgesellschaft, die Angriffe auf Integrations- und Antirassismusarbeit verurteilen und plädiert für eine langfristige Finanzierung für demokratiefördernde Arbeit.
Queeres Netzwerk Gifhorn e.V. (Niedersachsen)
Das Queere Netzwerk Gifhorn e.V. betreibt ein soziales Zentrum für junge Lesben, Schwule, Bisexuelle, trans- und intergeschlechtliche, nichtbinäre und queere Menschen und organisiert den örtlichen CSD. Rechtsextreme Anfeindungen gehören für das Team zum Alltag. „In den letzten Jahren kam es mehrfach vor, dass an unserem Zentrum rechtsextreme oder queerfeindliche Sticker angebracht wurden. Online wurden wir als ‚Regenbogen-Mafia‘ bezeichnet“, erzählt Geschäftsführer Dominik Ruder. „Kürzlich haben Unbekannte ein weißes Hakenkreuz aus Gaffa-Tape an unser Schaufenster geklebt. Das hatte eine besonders einschüchternde Wirkung – sowohl auf das Team als auch auf die Jugendlichen, die unser Zentrum nutzen.“ Auf kommunalpolitischer Ebene versucht die AfD, die Arbeit zu diskreditieren und die öffentliche Förderung infrage zu stellen. Der Verein wehrt sich – mit präventiver Arbeit: Bei Veranstaltungen klärt das Team über Rechtsextremismus und Diskriminierungen auf und sensibilisiert für demokratische Werte. Rechtsextreme Anfeindungen werden konsequent dokumentiert, gemeldet und angezeigt. „Einige Jugendliche nehmen aus Angst vor Anfeindungen seltener oder gar nicht mehr an unseren Angeboten teil“, berichtet Dominik. Er wünscht sich mehr öffentliche Anerkennung für die Arbeit des Vereins. „Wir brauchen mehr finanzielle und personelle Ressourcen, um queeren Jugendlichen Sicherheit zu geben und unsere Beratungsangebote ausbauen zu können. Sie dürfen mit dem Problem nicht allein bleiben.“
Welcome In! Fulda e.V. (Hessen)
Beim Welcome In! Fulda e.V. engagieren sich Menschen mit und ohne Fluchterfahrung, öffnen Räume für Begegnungen und bieten Hilfe im Asyl- und Integrationsprozess. Nachdem der Verein eine politische Podiumsdiskussion unter Ausschluss der AfD organisiert hatte, warf diese den Engagierten „fehlende Neutralität“, intransparente parteipolitische Interessen und Fördermittelmissbrauch vor. Die AfD-Stadtfraktion berief einen Akteneinsichtsausschuss ein. Die Vorwürfe erwiesen sich als haltlos. „Wir haben entschieden, nicht mehr auf jede Provokation der AfD einzugehen, um ihre Agenda nicht zu verstärken und unsere Energie auf unsere Vereinsarbeit zu konzentrieren“, stellt Jochen Kohlert von „Welcome In!“ klar. „Wir wollen die Angriffe nicht allein aushalten, sondern bauen starke Allianzen mit anderen betroffenen Vereinen auf und zeigen gemeinsam Haltung. Wir planen gerade eine gemeinsame Veranstaltungsreihe zu Demokratiethemen, die in eine große Demonstration vor den Kommunalwahlen münden wird. Damit setzen wir bewusst auf eine positive Gegenkraft statt auf reaktive Abwehr.“ Die größte Herausforderung bestehe darin, die Polarisierung zu durchbrechen und echte Begegnungen zu ermöglichen. Dafür und für die Umsetzung nötiger Sicherheitsmaßnahmen sind mehr personelle Ressourcen nötig.
Kreisjugendring Oberhavel e.V.
Der Kreisjugendring im brandenburgischen Oberhavel sah sich im Jahr 2024 mit Vorwürfen der AfD-Fraktion im Kreistag konfrontiert. Dem Verein wurde vorgeworfen, Hass, Hetze und Spaltung zu fördern; zudem wurde das Team als „linksextrem“ bezeichnet. In diesem Zusammenhang wurden sowohl die öffentliche Förderung als auch die Trägerschaft des Kreisjugendrings für die externe Koordinierungs- und Fachstelle der Lokalen Partnerschaft für Demokratie im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ wiederholt infrage gestellt.
Die Koordinatorin des Kreisjugendrings intensivierte daraufhin den Austausch mit den demokratischen Parteien, um den Dachverband sowie seine 32 Mitgliedsorganisationen abzusichern. Der Kreisjugendring ist im Rahmen der CSD Oberhavel Initiative an der Organisation des CSD in Oranienburg beteiligt und weist neben der angespannten allgemeinen Sicherheitslage und dem rechten Gegenprotest im Jahr 2024 darauf hin, dass es im Landkreis weder queere Jugendtreffs noch etablierte Schutzstrukturen für queere Menschen gibt. Vor diesem Hintergrund sprach sich das Team für eine Fortführung des Regenbogenschutzfonds aus.
Losmachen e.V., Cottbus (Brandenburg)
Die Lausitz ist eine Region im Strukturwandel, die sich mit rechtsextremer Dominanz konfrontiert sieht. Losmachen e.V. stärkt die regionale demokratische Zivilgesellschaft in herausfordernden Zeiten und engagiert sich für eine solidarische Gesellschaft. Unter anderem betreibt der Verein einen zivilgesellschaftlichen Co-Working-Space in der Cottbuser Innenstadt. Beleidigungen und Drohungen von Nazis hat es bereits gegeben, auch kleine Anfragen der AfD zur Förderung im Brandenburger Landtag. Das Team sorgt sich vor allem um Orte und Menschen aus dem weiteren Netzwerk, die mehrfach gewaltsam angegriffen wurden. In diesem Jahr wurde ein Sicherheitskonzept erarbeitet, das Handlungsanweisungen für Angriffsfälle gibt. Außerdem haben die Engagierten gemeinsam mit anderen, die von rechter Gewalt betroffen sind, die „Initiative Sichere Orte“ ins Leben gerufen. Hier organisieren sich bedrohte Jugendclubs, Kulturzentren und Hausprojekte in der Region. Gemeinsam machen sie Angriffe öffentlich und organisieren gegenseitige Hilfe, auch finanziell. Die solidarische Netzwerkarbeit bringt neue Herausforderungen mit sich: „Wir stellen fest, dass Sicherheit ein kontinuierlicher Prozess ist, mit dem wir uns immer beschäftigen müssen. Neue Ereignisse mitdenken, Verhalten anpassen und in- und miteinander Vertrauen entwickeln, mit dem wir uns sicher fühlen können. Dabei wollen wir uns auch selbst empowern“, beschreibt Lukas, der im Verein und in der „Initiative Sichere Orte“ aktiv ist. Ziel sei es, das Thema Sicherheit nicht nur defensiv zu denken, sondern angesichts des wachsenden rechtsextremen Einflusses den solidarischen Zusammenhalt zu stärken.
Kontaktstelle Holler e.V., Kusel (Rheinland-Pfalz)
Die Kontaktstelle Holler engagiert sich in der rheinland-pfälzischen Kleinstadt Kusel in der offenen Kinder- und Jugendarbeit und setzt sich für politische Bildung sowie gegen rechtsextreme Normalisierungstendenzen ein. „Es gibt regelmäßig rechtsextrem motivierte Klebeaktionen an unserer Einrichtung“, erzählt Bastian aus dem Team. „Wir erhalten Morddrohungen per E-Mail, Hasskommentare bei Facebook und wir werden auf offener Straße angefeindet. Die fortschreitende Normalisierung rechtsextremer Strukturen macht unser Engagement schwierig, immer wieder müssen wir unsere Arbeit erklären und rechtfertigen.“ Hilfreich seien Vernetzungen und gelebte Solidaritätsbeziehungen mit anderen Vereinen und Gruppen, denen es ähnlich geht. Gemeinsam ist es leichter, klare Statements gegen lokale rechtsextreme Gruppen zu setzen. „Wir möchten unseren Safe Space erhalten und benötigen mehr finanzielle Mittel, um den Selbstschutz besser zu organisieren“, sagt Bastian.
Rabryka Görlitz (Sachsen)
Die Rabryka in Görlitz ist ein Kultur- und Kreativzentrum, das einen offenen Raum für alle bietet, die Veranstaltungen organisieren oder das Miteinander in der Stadt gestalten wollen. Die Rabryka steht für Diversität, Inklusion und positioniert sich klar gegen rechtsextreme Äußerungen. Immer wieder steht sie deshalb im Fokus von Anfeindungen. Schon 2024 wurde der Betreiberverein durch die AfD im Stadtrat mit einem Kündigungsantrag zum Entzug der Konzession für den Betrieb des Geländes konfrontiert. Rechtsextreme Störungen von Veranstaltungen und verfassungsfeindliche, rechtsextreme Sticker und Schmierereien am Gebäude kommen seit Jahren immer wieder vor. Das Team lässt sich jedoch nicht einschüchtern, sondern holt Rechtsberatung ein, erarbeitet Notfallpläne für Angriffssituationen und erhöht die Sicherheitsvorkehrungen bei Veranstaltungen. Ein regelmäßiges Monitoring der Social-Media-Kanäle und die Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizeidirektion haben sich als hilfreich erwiesen. Dennoch: Das von politischen Kräften strategische Framing der Vereinsarbeit als „links“ verfängt in der Stadtbevölkerung und erschwert die Arbeit. Die Engagierten machen trotzdem weiter, denn Aufgeben ist keine Option.


