Zwischen Umsturzeuphorie und Fatalismus? Der dritte EFBI Digital Report, den die Amadeu Antonio Stiftung in Sachsen und das Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) an der Universität Leipzig heute veröffentlicht haben, untersucht die thematische Verschiebung, der rechtsextremen Telegram-Channels in Sachsen, seit dem russischen Überfall auf die Ukraine: Die Themen Impfpflicht und Corona-Diktatur bleiben zwar erhalten, werden aber seit dem Frühjahr durch den Krieg und inzwischen zusätzlich durch das Thema Energiekrise überlagert. Ein weiteres wichtiges Mobilisierungsnarrativ stellt der Rückgriff auf die „Wende“ dar.
Der Report nimmt die Online-Mobilisierung durch extrem rechte und verschwörungsideologische Akteure für einen sogenannten antidemokratischen „Wutwinter“ in den Blick. In vielen Städten in Sachsen ist eine erneute Zunahme des Demonstrationsgeschehens in Anknüpfung an die im Frühjahr quasi zum Erliegen gekommenen Corona-Proteste beobachtbar. Die Mobilisierung für die Proteste zeichnet sich insbesondere durch die Bezugnahme auf das Jahr 1989 und „die Wende“ aus. Um für die Proteste zu mobilisieren, werden Bilder der „Wende“ und der „Friedlichen Revolution“ herangezogen, dies scheint auf fruchtbaren Boden zu fallen auch wenn das Ende der DDR für die Protestierenden ganz unterschiedliche Bedeutungen haben kann.
In der Krise ist „echte Männlichkeit“ gefordert
Johannes Kiess und Michael Zichert untersuchen im Report mit statistischen Auswertungen, wie extrem Rechte Bezüge auf die Wende, 1989, die DDR sowie auf Montagsdemonstrationen zur Mobilisierung nutzen. Diese Auswertungen profitierten zum ersten Mal auch von einer Kooperation mit der Professur Computational Humanities (Prof. Manuel Burghardt) an der Universität Leipzig. Außerdem ordnen Dr. Alexander Leistner und Josephine Garitz vom BMBF-Forschungsverbund „Das umstrittene Erbe von 1989“ ein, mit welchen Bedeutungen die Akteure die Begriffe „Wende“ und der „Friedlichen Revolution“ aufladen, um sie für die Proteste nutzbar zu machen.
Veronika Kracher, aus dem Monitoring der Amadeu Antonio Stiftung, hat zudem patriarchale Geschlechterrollen im Kontext gegenwärtiger Krisennarrative analysiert. Zentral hierfür ist der „Ausnahmezustand“ als Männerfantasie. Denn Männern würden andere Identitätsangebote in verschwörungsideologischen Narrativen geboten als Frauen. Denn nur in der Krise kann der faschistische Typus Mann, sich endlich als „Held beweisen“. Für diese Ausgabe konnte außerdem Anetta Kahane für einen Kommentar gewonnen werden. Sie ordnet die Analysen ein und gibt einen Ausblick aus der Perspektive der demokratischen Zivilgesellschaft. Kahane schreibt: „Wenn sowohl die DDR als auch der Nationalsozialismus als Quelle von Einstellungen, Sozialisation und Mustern unsichtbar bleiben, dann deutet dies auch auf eine umso stärkere Verdrängung und Abwehr hin, die sich dann in den Protesten Bahn brechen.“
Insgesamt zeichnet der Report damit ein eher düsteres Bild, denn auch wenn durch die thematische Verschiebung, von Corona zur Energiekrise und dem russischen Angriffskrieg, manche Kanäle an Abonnenten verlieren, bleibt das Mobilisierungspotential der extremen Rechten groß. Die rechtsextreme Sammelbewegung „Frei Sachsen“ kann durch den Themenwechsel sogar Zugewinne verbuchen, genauso wie führende AfD-Politiker*innen, die gezielt Desinformationen zum russischen Angriffskrieg streuen.
Download des Digital Report als pdf:
Über das EFBI
Das an der Universität Leipzig angesiedelte Else-Frenkel-Brunswik-Institut (EFBI) bildet eine Forschungsinfrastruktur in Sachsen, die demokratiefeindliche Einstellungen, Strukturen und Bestrebungen erforscht und dokumentiert. Im Vordergrund stehen dabei verschiedene Formen der Diskriminierung, die Strategien und Dynamiken rechts-autoritär motivierter Bündnisse und die Stärkung demokratischer Politik.
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