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Ein Fest der Demokratie – Sieben Projekte zeigen, wie’s geht

Am 9. November wird in der Dresdner Semperoper der Sächsische Förderpreis für Demokratie 2018 vergeben. Mit einem Projektpreis, einem Sonderpreis Schule, einem Kommunenpreis und mehreren Anerkennungspreisen wollen wir das mutige und kreative Engagement sächsischer Initiativen für eine demokratische Kultur, Vielfalt und die Wahrung der Menschenwürde ehren und einer breiten Öffentlichkeit präsentieren. Hier stellen wir die sieben von der Jury – aus insgesamt 78 Einreichungen – nominierten Projekte vor.

Brückenbauer Chemnitz e.V.
Für Geflüchtete, die in der sächsischen Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz untergebracht werden, sind die Brückenbauer die erste – und im Stadtteil Hilbersdorf auch die einzige – Anlaufstelle. Von Montag bis Freitag öffnet der Verein ab 14 Uhr seine Türen. Die überwiegend ehrenamtlich Aktiven vermitteln Kontakte wie Informationen und unterstützen beim Deutschlernen. Außerdem stehen Fahrten in den Landtag und Museen auf dem Programm. Die Vereinsmitglieder wollen allen die Möglichkeit geben, Anschluss zu finden – egal, wie lange sie sich in Chemnitz aufhalten. So ist der Verein auch Ort für all die, die dem Rassismus in der Stadt etwas entgegensetzen möchten und sich aktiv gegen das oftmals negative Bild richten, das manche*r in der Stadtbevölkerung von den Neuankömmlingen hat.

CSD Pirna e.V.
Mit dem Begegnungszentrum des CSD Pirna entsteht im Landkreis Sächsische Schweiz ein Raum für alle Fragen und Anliegen zum Themenfeld LGBTI. Seine Initiator*innen sind davon überzeugt, dass es wichtig ist, Aufklärungsarbeit mit einem Dialogangebot zu verbinden, um Vorurteile abzubauen. So erfüllt das Begegnungszentrum gleich mehrere wichtige Funktionen: es schafft einen Raum für Information und Begegnung, in dem Bürger*innen Informationsmaterial erhalten, aber auch an Veranstaltungen wie Diskussionen, Workshops, Lesungen, Vorträgen oder gemeinsamen Wanderungen teilnehmen können. Gerade das Sprechen über hetero-, homo-, bi- und transsexuelle Biografien baut Vorurteile ab und bringt Menschen zusammen. Darüber hinaus bietet das Zentrum ein regionales Angebot zur Beratung in komplexen Lebenslagen, für Hilfe und Tipps im Umgang mit der eigenen Liebes-Identität, dem Findungsprozess, dem Dialog mit Familie und dem Freundeskreis. Und das ist enorm wichtig: gerade im ländlichen Raum sind die Hürden, offen über die eigene liebende Orientierung zu sprechen, hoch.

Internationales Begegnungszentrum St. Marienthal / Ostritz
Ostritz ist eine sächsische Kleinstadt an der polnischen Grenze. Am 20. April 2018 wurde hier das rechtsextreme Musik-Festival „Schild und Schwert“ veranstaltet und mehr als 1.000 Neonazis erwartet. Das rief die Menschen in Ostritz auf den Plan. Angefangen von Michael Schlitt, dem Leiter des Internationalen Begegnungszentrums (IBZ) über die Bürgermeisterin Marion Prange bis hin zu Dorothea Schneider vom Verein „Augen Auf“ und vielen anderen couragierten Menschen wurde ein Friedensfest geplant. Auf dem zentralen Marktplatz fanden sich Menschen zusammen, die sich einig waren, dass ihre Stadt einen anderen Geist atmet. In Hör- und Sichtweite der Nazis fand außerdem das Konzert „Rechts Rockt Nicht“ statt, das einen klaren Gegenpol zum rechtsextremen Szeneevent bot. Hier gab es andere Musik, keine ausschließende, sondern verbindende, freundliche, fröhliche. Engagement für- und miteinander statt Hass.

Lauter Leise e.V. Kunst und Demokratie in Sachsen
„Kulturschaffende sind leise. Diese leise Eigenschaft der Kunst ist ein wichtiges Korrektiv zu Selbstgerechtigkeit, Hetze und Gewalt. Der aktive Umgang mit Kunst vermag Fähigkeiten zu stärken, die Basis einer pluralen Demokratie sind: Empathie, Offenheit, Eigenständigkeit des Denkens. Die Sehnsucht nach einer autoritären Politik zeigt, wie unvollendet das Projekt Demokratie bei allen Errungenschaften noch ist“, schreibt Lauter Leise in seinem Selbstverständnis. Die Kunstschaffenden aus dem Landkreis Bautzen möchten Menschen zusammenbringen und ins Gespräch kommen. Damit nicht Brandsätze fliegen, wenn man nicht mehr weiter weiß mit seinem Hass und auf der Suche nach einem Schuldigen für Probleme und Schwierigkeiten. Künstlerische Workshops, Lesungen, Ausstellungen, Tanz- und Theaterprojekte ermöglichen Begegnungen auf Augenhöhe, stiften Sinn, bewegen Menschen. Sie helfen, den Spalt, der derzeit quer durch die Gesellschaft geht, zu schließen.

Refugee Law Clinic Leipzig e.V.
Geflüchtete, die vor den Verhältnissen in ihren Heimatländern fliehen und auf Schutz und ein besseres Leben in der Bundesrepublik hoffen, befinden sich in einer extrem schwierigen persönlichen Situation. Die Gesetze und Regeln, die für die Gewährung von Schutz und Bleiberecht in der Bundesrepublik maßgeblich sind, sind selbst für Muttersprachler*innen schwer zu verstehen. Deshalb sind Geflüchtete dringend auf guten Rat und solidarische Tat angewiesen. Um beides macht sich die Refugee Law Clinic Leipzig verdient. Sie hilft nicht nur Geflüchteten selbst mit gutem fachlichen Rat, sondern vermittelt auch Kompetenzen an andere Organisationen und Initiativen, die sich für die Betreuung von Geflüchteten engagieren. Darüber hinaus bietet die Initiative Berater*innen und Übersetzer*innen eine fachliche Ausbildung an, damit dem Zugang zur Beratung keine faktischen Hinderungsgründe entgegenstehen. Diese Schulungen sind unverzichtbar. Mit ihrer eigenen Asylrechtsberatung und den Schulungsangeboten für Engagierte hat sich die Refugee Law Clinic Leipzig sachsenweit einen Namen gemacht, weit über Leipzig hinaus.

Romano Sumnal e.V. – Verein für Roma in Sachsen
Bis heute sind Sinti*zze und Rom*nja vielfacher Diskriminierung ausgesetzt. Im Geschichtsunterricht und gesellschaftlichen Debatten wird selten über ihr Leben in Deutschland seit 600 Jahren und über ihre Verfolgung gesprochen. Weil Antiziganismus in vielen Kreisen salonfähig ist, geben sich viele Sinti*zze und Rom*nja bis heute nicht als solche zu erkennen und sehen sich gezwungen, ihre Identität zu verleugnen. Der Verein Romano Sumnal will daran etwas ändern und Menschen mit Romnohintergrund empowern. Sein Büro dient als Anlaufpunkt für Sinti*zze und Rom*nja, die Unterstützung und Beratung benötigen, aber auch für Nicht-Rom*nja, die Information, Beratung und Kontakt suchen. Neben einem Kulturzentrum betreibt der Verein historisch-politische Bildungsarbeit zum Nationalsozialismus sowie ein Forschungsprojekt mit Jugendlichen zur Geschichte der Roma seit dem Zweiten Weltkrieg. Viele der Jugendlichen, die daran teilnehmen, sind von Abschiebungen bedroht, hier stiftet der Verein Stabilität und Selbstbewusstsein. Darüber hinaus macht er wichtige Öffentlichkeitsarbeit, damit Presse und Mehrheitsgesellschaft nicht mehr nur über, sondern mit Sinti*zze und Rom*nja sprechen. So ist Romano Sumnal eine wichtige öffentliche Stimme, die mutig für Respekt, Verständigung und Sichtbarkeit von Sinti*zze und Romn*ja in Sachsen eintritt.

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Demokratie spricht Beitragsbild(3)
Demokratie Spricht - Impulse zur Bundestagswahl

Keine Demokratie ohne Öffentlichkeit: Was müssen wir dem autoritären Turn der Tech-Giganten entgegensetzen? // 18.02. // 19:30 Uhr

Der digitale Raum prägt die Zukunft der Demokratie, ohne Öffentlichkeit gibt es keine Demokratie, doch toxische Informationsumgebungen und Desinformation gefährden sie. Polarisierende Algorithmen, KI und Trollfarmen verstärken die Spaltung der Gesellschaft. Während einige strenge Regulierungen fordern, sehen andere unbegrenzte Freiheiten. Vor der Bundestagswahl 2025 bleibt die Frage: Wie schützen wir unsere Demokratie vor digitaler Gefährdung?
Darüber sprechen wir u.a. mit:
– Renate Künast, Mitglied des Deutschen Bundestages
– Una Titz (Digitalexpertin der Amadeu Antonio Stiftung)

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