Rechtsterrorismus und Geschlecht
Rechte Gewalt, Rechtsterrorismus und Geschlecht
Stereotype Geschlechternarrative in der Gesellschaft, geschlechterblinde Medien und Sicherheitsbehörden, Forschung und Präventionsarbeit können dazu führen, dass Gewalttaten und Tatbeteiligungen von vermeintlich friedfertigen Frauen übersehen, relativiert oder aber dämonisiert werden. Gewalt- und Terrortaten von Männern werden zwar öffentlich mehr wahrgenommen, jedoch wird auch hier meist nicht die Relevanz von Gender und bestimmten Männlichkeitsvorstellungen herausgestellt.
Rechtsextreme Frauen werden in der Regel weder als politisch aktiv wahr- und ernst genommen werden noch als Täterinnen. Dieser Bias wird unter dem „Phänomen der doppelten Unsichtbarkeit“ verhandelt. Rechtsextreme Frauen können das nutzen, um sich als kommunikative Nachbarin, Hausfrau, Mutter und/oder „Freundin von“ als unpolitisch und unbeteiligt zu inszenieren: Gewalttaten können so nach außen getarnt und ermöglicht werden oder bei Ermittlungsbehörden und vor Gericht Täter*innen schützen.
Frauen waren und sind in rechtsterroristischen Gruppierungen in der Geschichte der BRD aber wie ihre männlichen Gruppenmitglieder an der Organisation und Durchführung von Straftaten beteiligt. Formen extrem rechter Gewalt werden auch von Frauen geplant, unterstützt und umgesetzt, das zeigen aktuelle Strafverfahren und Gerichtsprozesse. Die Fachstelle hat beispielsweise kritisch die erfolgreiche (Selbst-)Inszenierungen der Hauptangeklagten Beate Zschäpe und anderer Frauen im Unterstützer*innenumfeld des NSU eingeordnet und für die Fehlwahrnehmung von Sicherheitsbehörden und Sozialarbeit im Umgang mit rechten Frauen sensibilisiert.
Männliche Überlegenheit, Gewaltaffinität und Geschlechterungleichheit sind auf der anderen Seite wesentliche Merkmale rechtsextremer Vorstellungen. Heroisiert wird eine soldatische, wehrhafte und kämpferische weiße Männlichkeit, die in einer männlichen Kampfgemeinschaft Familie und eine als ethnisch homogen verstandene Volksgemeinschaft „verteidigt“, nicht nur gegen äußere - sondern auch gegen innere „Feinde“.
Aus den „Manifesten“ rechtsterroristischer Attentäter lassen sich diese genderspezifischen Aspekte extrahieren. So findet sich die Ideologie des „großen Austauschs“ in den Pamphleten der Attentäter von Halle (2019) und Christchurch (2019). Hier werden antisemitische, rassistische und antifeministische Ideologien zu Verschwörungserzählungen verbunden.
In der Analyse solcher Taten wird gerade Antifeminismus oft vergessen. Er ist dem Rechtsextremismus jedoch inhärent und darf nicht ausgeblendet werden – ebenso wie rechtsextreme Täter*innen und Unterstützer*innen.
Weitere Informationen:
- Alles Einzelfälle? Rechtsextremismus und Misogynie und sexistisch motivierte Gewalt. Analyse von Mira Brate und Anna Suromai (2022)
- Antifeminismus, gewaltbereiter Rechtsextremismus und Geschlecht. Teil des Dossiers von Heimatkunde: Rechter Terror. Warum wir eine neue Sicherheitsdebatte brauchen (2021)
- Broschüre „Rechtsterroristische Online-Subkulturen. Analysen und Handlungsempfehlungen“ (2020)
- Broschüre "Le_rstellen im NSU-Komplex. Geschlecht - Rassismus - Antisemitismus" (2017) und "438 Verhandlungstage sind nicht das Ende der Aufklärung. Zum Urteil im ersten NSU-Prozess" (2018)
- Broschüre "Rechtsextreme Frauen - übersehen und unterschätzt. Analysen und Handlungsempfehlungen" (aktualisiert, Dezember 2015)
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Fachstelle Gender, GMF und Rechtsextremismus
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