Lokale und überregionale Netzwerke
Lokale und überregionale Netzwerke
Neonazis mit hängenden Köpfen abgezogen
Engagement gegen Rechtsextremismus lohnt sich: Keine Kundgebungen von Neonazis mehr in Bad Nenndorf!
Seit dem Jahr 2006 veranstalten Neonazis im niedersächsischen Kurort Bad Nenndorf regelmäßig Demonstrationen, von ihnen selbst „Trauermärsche“ genannt. Ihr Ziel: das Wincklerbad, ein ehemaliges Verhörzentrum des britischen Geheimdienstes nach dem zweiten Weltkrieg.
Die Nazis glaubten, im Wincklerbad einen Ort von hohem Symbolcharakter gefunden zu haben. In einer Kleinstadt, die mit ihren 10.000 Einwohner:innen keinen nennenswerten Widerstand erwarten ließ, wollten sie eine bundesweite braune Wallfahrtsstätte etablieren. Ihr Ziel: Deutsche Kriegsschuld leugnen, Täter zu Opfern machen und Geschichte umdeuten! Die Neonazis drohen, solange wiederzukommen, bis ihre Forderungen nach Aufstellen einer Gedenktafel und Umbau des Wincklerbades in ein „Foltermuseum“ erfüllt sind. Ihre Propagandafeiern hatten sie deshalb erst bis zum Jahre 2010, später dann bis 2030 angemeldet. Von sich aus wollten sie also nicht so schnell wieder verschwinden!
Doch schon unmittelbar nach dem Bekanntwerden der angekündigten Neonazi-Aufmärsche in Bad Nenndorf gründete sich das Bündnis „Bad Nenndorf ist bunt“. Das Motto: Handeln und Diskutieren statt Wegsehen.
Die Rechtsextremen versuchten von Anfang an zu verhindern, dass sich ein breiter Bürgerprotest gegen ihre Aktivitäten formiert. So verhöhnten sie das Engagement des Bündnisses auf ihrer Internetseite und verunglimpfen einzelne Mitglieder öffentlich. Es gab Drohgebärden regionaler Neonazis gegenüber Bündnismitgliedern bis hin zu Steinwürfen in das Schlafzimmerfenster eines Vorstandsmitglieds von „Bad Nenndorf ist bunt“.
Die Engagierten ließen sich nicht einschüchtern und stellen alljährlich ein großes buntes Kulturfest mit ernster Botschaft auf die Beine. Und das mit Erfolg: Ihr „Trauermarsch“ geriet den Rechtsextremen immer mehr zum Frust, immer weniger Neonazis nahmen von Jahr zu Jahr teil - bis im Jahr 2016 gar niemand mehr anreiste. Denn der zivilgesellschaftliche Widerstand gegen die Nazis steht heute stabil in Bad Nenndorf und findet überregionale Unterstützung. Das Bündnis organisiert deshalb jedes Jahr aufs Neue ein Fest, damit die Neonazis nie wieder auf die Idee kommen, ihren Marsch in Bad Nenndorf abzuhalten.
Gelebte Demokratie in der sächsischen Provinz
In den 90er Jahren galten einige sächsische Orte als Hotspots der neonazistischen Szene. Neben Hoyerswerda geriet auch ein Ort östlich von Leipzig regelmäßig in die Schlagzeilen: Wurzen. Rechtsextrem orientierte Jugendliche dominierten die öffentlichen Räume, und die Verantwortlichen versuchten einen Mantel des Schweigens über die zahlreichen rechten Vorfälle zu legen. 1999 war es lediglich eine Handvoll engagierter Menschen, die sich gegen die rassistische Vereinnahmung des Ortes stellten und das Netzwerk für Demokratische Kultur gründeten. Wenig später begann die Förderung durch die Amadeu Antonio Stiftung. Eine groß angelegte Spendenaktion zusammen mit der „ZEIT“ brachte 51.000 Euro für den Kauf eines Kultur- und Bürger:innenzentrums ein, das bis heute als Raum für eine Fülle von Projekten und Veranstaltungen dient – vom Begegnungscafé über politische Diskussionsreihen bis hin zur individuellen Beratung zum Thema Asylrecht. Ingo Stange vom NDK blickt zurück: „Der Amadeu Antonio Stiftung verdanken wir letztlich unsere Existenz und natürlich unser Haus. Sie hat uns von Anfang an intensiv begleitet und ermuntert, uns beim damaligen politischen Gegenwind in Wurzen nicht unterkriegen zu lassen.“
Die Arbeit des Netzwerks hat schon Einiges bewegt in Wurzen: Der Verein hat Hip Hop-Konzerte organisiert, eine Wanderausstellung über Anne Frank nach Wurzen geholt oder Bildungsreisen für Jugendliche initiiert. Angebote, die es vorher in Wurzen nicht gab – ein ermutigendes Beispiel, wie man durch eine attraktive Gegenkultur auf präventive Art und Weise gegen Rechtsextremismus aktiv werden kann.
Das Engagement des NDK zeigt beispielhaft, dass es sich lohnt, sich für die Entwicklung demokratischer Verhältnisse einzusetzen: die Engagierten haben eine spürbare Veränderung im gesamten Klima der Stadt bewirkt – bis in die Region hinein.
Angstzonen aufbrechen
In Kiel trieben Rechtsextreme an einem kleinen Strand lange Zeit ihr Unwesen. Doch eine Gruppe engagierter Jugendlicher wollte nicht tatenlos zusehen. Mit Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung stellten sie ein buntes Programm zusammen, um den Ort wieder mit nicht-rechter Kultur zu beleben.
Seit Jahren trafen sich regelmäßig Neonazis am Skagerrakufer in Kiel, um Partys mit rechtsextremer Musik zu feiern und rechte Aktivitäten zu planen. Gewalt blieb dabei nicht aus: mehrmals war der ortsansässige Kebabladen Ziel ihrer rassistischen und menschenverachtenden Attacken. Um den Neonazis keinen Raum zu überlassen, veranstaltet der junge Verein Anstatt e.V. das »Festival am kleinen Strand«. »Angefangen hat das Ganze damit, dass Rechtsextreme CDs mit Nazi-Musik an Kieler Schulen verteilt haben. Da sowas nicht klar geht, haben wir deren Idee geklaut und coole CDs mit cooler Musik gegen Nazis an Schulen verteilt«, erklären die Engagierten des Anstatt e.V.
Da diese Aktion nicht die einzige bleiben sollte, gründeten sie Verein. Seitdem ist viel passiert: zahlreiche Konzerte, Informationsveranstaltungen und diverse Partys fanden statt, um vor allem die jungen Menschen gegen Rechts aufzurütteln. Das alljährliche Highlight bildet das »Festival am kleinen Strand«. Immer wieder kam es in den letzten Jahren zu kleineren Auseinandersetzungen mit Neonazis vor dem Veranstaltungsgelände. Doch das Team rund um den Anstatt e.V. lässt sich davon nicht einschüchtern. Sie machen das Skagerrakufer bunt und laut – für einen unvergesslichen Tag ohne rechtsextremes Gedankengut und Pöbeleien.