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Gefördertes Projekt

Gemeinsam gegen Rassismus und Verdrängung: Das „Fest der Vielen“ in Duisburg-Hochfeld

Überlebende des Brandanschlags von 1984 und Angehörige der Opfer von Halle und Hanau sowie des in der JVA Kleve gestorbenen Amed Ahmads. Foto: © Junior Kinsley Opunko

Es herrschen ein buntes Treiben und ein Wirrwarr der Sprachen in Duisburg-Hochfeld. In anderen Kontexten würde man wohl von gelebtem „Multikulti“ sprechen, von einem lebendigen, lebenswerten Stadtteil. Doch der Schein trügt. Spätestens seitdem der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD) 2015 auf einer Konferenz in Berlin stolz verkündete: „Ich hätte gerne das Doppelte an Syrern, wenn ich dafür ein paar Osteuropäer abgeben könnte.“ Auch wenn sich Link später entschuldigte, war die Stoßrichtung klar: Gerade die im Viertel lebenden Rom:nja sind der Stadt ein Dorn im Auge.

Denn Duisburg-Hochfeld ist ein sogenannter „Ankommensstadtteil“. Ein ehemaliger Arbeiter:innenbezirk, wie es ihn in beinahe jeder Großstadt gibt, geprägt vom Strukturwandel, dem Niedergang der Schwerindustrie, von Arbeitslosigkeit und damit auch vom Wegzug weiter Bevölkerungsteile. Hinzu kommt ein hoher Migrationsanteil, häufig von Familien aus Südosteuropa. Die Mieten sind in Hochfeld noch erschwinglich. Es herrscht eine starke Fluktuation, die durch die Stadtteilpolitik befeuert wird: Menschen sollen hier zwar ankommen, dann aber auch schnell wieder wegziehen. Investitionen in die Bausubstanz und die soziale Infrastruktur – Fehlanzeige. Dafür soll im Rahmen des Modellprojekts „Urbane Zukunft Ruhr“ „eine neue Art von Wohnen, Leben, Arbeiten und Bildung mit Teilhabe für alle Bürgerinnen und Bürger“ entstehen. Dass damit bei weitem nicht alle Bürger:innen gemeint sind, ist offenbar: Damit die Stadtentwicklung nach Plan läuft, wird auch schon mal mit Zwangsräumungen nachgeholfen. Diese treffen vor allem Großfamilien aus Südosteuropa. „Nach wie vor werden hier Bulgar:innen und Rumän:innen, die als Sintija und Romnja gelesen werden, zwangsgeräumt und auf die Straße gesetzt“, erklärt Lena Wiese vom Verein für die solidarische Gesellschaft der Vielen.

Unhörbar gemachten Stimmen eine Bühne geben

Um dem rassistisch aufgeladenen Diskurs und den Verdrängungsdynamiken etwas entgegenzusetzen, veranstaltet der Verein auch in diesem Jahr wieder das „Fest der Vielen“. Vom 19. bis 21. August findet das Festival im Duisburger Rheinpark statt, unter dem Motto „Umkämpfter Stadtteil: Geteilte Geschichten“. Geteilte Geschichten gibt es genug im „Ankommensstadtteil“. Geschichten, die zu selten erzählt werden. Wie die vom Brandanschlag im Jahr 1984. Damals in der Nacht vom 26. auf den 27. August legte eine Brandstifterin Feuer in einem Wohnhaus, das ausschließlich von Menschen aus „Gastarbeiter:innenfamilien“ bewohnt wurde. Die Familie Satır lebte zu diesem Zeitpunkt im zweiten Stock. Entgegen der Warnung ihrer Mutter sprangen Rukiye und Aynur Satır aus dem Fenster. Sie überlebten, während sieben weitere Familienmitglieder verbrannten.

Ohne Veranstaltungen wie das „Fest der Vielen“ würde wohl auch diese Geschichte in Vergessenheit geraten. Mit einem vielfältigen Programm aus Podiumsdiskussionen, Konzerten und Infoständen wird die vielfältige Geschichte des Stadtteils erzählt, gerade die Geschichten, die sonst wenig öffentliche und gleichzeitig die aktuelle rassistische Verdrängungsdynamik thematisiert werden. Die Veranstalter:innen wollen den unhörbar gemachten Stimmen der Duisburger Migrationsgesellschaft eine Bühne geben – oder wie es Lena Wiese formuliert, „die Atmosphäre des Nach-unten-Tretens aufbrechen und den Solidaritätsgedanken wieder stark machen“. Erinnern statt vergessen. Solidarität statt Rassismus und Verdrängung. Damit aus dem Ankommen auch ein Bleiben wird.

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