Seit vielen Jahren setzt sich der Verein Opferperspektive e.V. in verschiedenen Projekten mit den Todesopfern rechter Gewalt in Brandenburg auseinander. Ein Schwerpunkt ihrer Arbeit ist dabei die Forderung nach staatlicher Anerkennung aller seit 1990 aus rechten Motiven getöteten Menschen.
Von Niels Schaffroth
Zum 20. Todestag von Sven Beuter geht die Opferperspektive mit einer aktualisierten Version ihrer Website zu Todesopfern rechter Gewalt in Brandenburg online. Im Vordergrund steht verstärkt das Gedenken an die seit 1990 durch rechte Gewalt ums Leben gekommenen Menschen. Neue Erkenntnisse wurden in die Darstellungen und Einschätzungen der Todesfälle einbezogen. Diese neuen Erkenntnisse stammen aus einem zweijährigen Forschungsprojekt des Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ) der Universität Potsdam. Denn Brandenburg ist bei der Überprüfung von Todesopfern rechter Gewalt seit 1990 einen ganz eigenen Weg gegangen. Als einziges Bundesland entschied es sich ein externes Forschungsinstitut zu beauftragen, um die sogenannten „Altfälle“ noch einmal unabhängig überprüfen zu lassen. Das MMZ wurde bei seiner Arbeit von einem Expertenarbeitskreis unterstützt. In beratender Funktion diskutierten dort Vertreterinnen und Vertreter staatlicher und zivilgesellschaftlicher Institutionen über strittige Fälle. Die Amadeu Antonio Stiftung und der Verein Opferperspektive waren Teil dieses Arbeitskreises.
Die aktualisierte Website der Opferperspektive stellt eindringlich die Schicksale von Sven Beuter und anderer Todesopfer in Brandenburg dar und informiert über die Tathergänge und die Ergebnisse der Gerichtsverfahren. Lokale Gedenkinitiativen und Brandenburger Gedenkorte werden vorgestellt, ebenso werden umfangreiche Hintergrundinformationen zu der politischen Debatte über die fehlende staatliche Anerkennung vieler Todesopfer rechter Gewalt geliefert. Hinweise auf Publikationen und Downloads von Broschüren sowie Bilder und Filme ergänzen das Angebot.
„Uns ist es wichtig, an die Todesopfer rechter Gewalt zu erinnern und sie nicht zu vergessen. Sie alle waren Menschen mit Träumen und Zielen, waren Freunde, Brüder oder Familienväter, die plötzlich aus dem Leben gerissen wurden, weil die Täter menschenverachtende Einstellungen verinnerlicht hatten“, betont Judith Porath von der Opferperspektive.
Zwischen 1990 und 2008 kamen allein in Brandenburg 22 Menschen durch rechte, rassistische und sozialdarwinistische Gewalt ums leben. Die Fälle verbindet häufig die Tatsache, dass die Tatmotive von den Behörden nicht erkannt, verharmlost oder verleugnet werden. In einigen Fällen, so wie bei den Todesopfern des NSU, wird sogar im Umfeld der Familie ermittelt. Polizei und Gerichte spiegeln den Stand der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit rechter Gewalt wieder und wirken gleichzeitig richtungsweisend auf sie ein. 178 Todesopfer rechter Gewalt sowie 11 weitere Verdachtsfälle zählt die Amadeu Antonio Stiftung deutschlandweit. Die Dunkelziffer ist wahrscheinlich noch weitaus höher. Demgegenüber zählt die Bundesregierung offiziell lediglich 75 rechte Tötungsdelikte.
Die nachträgliche Anerkennung der Todesopfer rechter Gewalt durch staatliche Stellen ist jedoch ein wichtiges gesellschaftspolitisches Signal. Es geht darum, das wahre Ausmaß rechter Gewalt offiziell anzuerkennen, und dem Bedürfnis der Angehörigen der Opfer nach Aufklärung gerecht zu werden. Um diesem Ziel ein wenig näher zu kommen, unterstützte die Amadeu Antonio Stiftung das Projekt der Opferperspektive finanziell.