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Interview

Türen öffnen – Brücken bauen: „Integration gelingt nur gemeinsam“

Laura Piotrowski leitet das Projekt „Vom Willkommen zur Integration“ der Amadeu Antonio Stiftung. Es setzt sich dafür ein, die Perspektive von Geflüchteten stärker in den Mittelpunkt zu stellen. Seit 2005 engagiert sie sich in verschiedenen Projekten gegen Rechtsextremismus und Rechtspopulismus. Im Interview sprach sie darüber, wie ehrenamtliches Engagement in der Flüchtlingsarbeit verstärkt und die gesellschaftliche Teilhabe von Geflüchteten befördert werden kann.

Seit dem Sommer des Willkommens im Jahr 2015 hat sich nicht nur der Umgang der Bundesregierung mit Geflüchteten stark verändert. Auch die Akteure der Flüchtlingsarbeit stehen vor neuen Herausforderungen. Wie hat sich eure Arbeit in den letzten Jahren verändert?

Seit dem „Sommer des Willkommens“ 2015 hat sich die Aktivität der Ehrenamtlichen verschoben –  von humanitärer Nothilfe hin zu einer Integration der angekommenen Flüchtlinge in die Gesellschaft. Wir begleiten mit dem Projekt „Vom Willkommen zur Integration“ die Integrationsbestrebungen mit politischer Bildung und Vernetzung. Vor allem sind wir in den Bundesländern Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg aktiv, da wir hier besonderen Handlungsbedarf sehen.

Was ist der Unterschied zwischen Willkommen und Integration?

Für mich bedeutet jemanden willkommen zu heißen, Menschen bei der Einreise zu begleiten oder jemanden einmalig zu begrüßen. Im Sommer 2015 gab es an vielen deutschen Bahnhöfen Ehrenamtliche, die neu ankommende Geflüchtete begrüßt haben und ihnen mit Kleiderspenden und Suppenküchen erst einmal weiter helfen wollten.

Nun sind aber viele Menschen hier geblieben und darum geht es jetzt: Das Hierbleiben und die Integration in die Gesellschaft zu begleiten und zu unterstützen. Dabei ist Integration ein wechselseitiger Prozess. Es kann nicht nur darum gehen, dass Neuankommende sich an die örtlichen Gegebenheiten anpassen müssen. Auch die deutsche Gesellschaft verändert sich und muss sich verändern, damit Integration gelingen kann. Und genau dazu arbeiten wir, zum Beispiel indem wir Seminare zum Thema Rassismus anbieten oder auch zum Umgang mit Bedrohung durch rechte Gewalt. Außerdem ermuntern wir ehrenamtliche Netzwerke, sich für die Mitarbeit von und die Zusammenarbeit mit Geflüchteten zu öffnen. Integration gelingt nur gemeinsam.

Eure Arbeit folgt ja zwei zentralen Ansätzen, der Fortbildung und der Vernetzung. Wie sieht die Qualifizierung in der Praxis aus?

Wir haben sechs Lerneinheiten entwickelt, die wir Initiativen in Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern kostenfrei anbieten. Das sind die erwähnten Seminare zu Rassismus oder zum Umgang mit Bedrohung durch rechte Gewalt. Und wir haben noch weitere Themen im Angebot. Einen Schwerpunkt setzen wir jedoch auf die Kritik von und den Umgang mit Rassismus. Die Amadeu Antonio Stiftung hat in dem Bereich eine jahrelange Expertise. Außerdem erlebe ich immer wieder vor Ort, dass es zwar rassistische Gewalt oder strukturelle Ausgrenzung gibt – aber das Problem nicht als solches benannt wird. Nur was man benennt, lässt sich auch verändern.

Rassismus grenzt aus. Und das hindert Geflüchtete und andere Personen of Colour, aktiv an der Gesellschaft teil zu haben. Das reicht von persönlichen Beleidigungen, über alltägliche Ausgrenzung aus Gruppen, strukturelle Gewalt bis hin zu rassistisch motivierten Morden. Besonders in Ost-, aber auch in Westdeutschland, haben wir damit ein Problem. Und darüber müssen und wollen wir reden. Die Seminare werden zum Teil von Trainer_innen geleitet, die selbst eine Fluchterfahrung haben, das ist ein wichtiger Teil der Auseinandersetzung.

Ihr fördert auch die Vernetzung von Willkommensinitiativen und migrantischer Selbstorganisation. Wie sieht das in der Praxis aus?

Wir wollen die Vernetzung von Zivilgesellschaft, Willkommensinitiativen, migrantischer Selbstorganisation, Politik und Verwaltung sowie Religionsgemeinschaften im ländlichen ostdeutschen Raum erreichen. Außerdem wollen wir bestehendes Engagement sichtbar machen und die deutschen Zivilgesellschaft ermutigen, sich für die Mitarbeit von Flüchtlingen zu öffnen. Organisationen von Geflüchteten und MigrantInnen sollen als Akteure mit ihrer vorhandenen Expertise sichtbar(er) gemacht und durch die Vernetzung mit anderen Willkommensinitiativen und Akteuren  gestärkt werden.

Woran merkst du, dass deine Arbeit Früchte trägt? Auf welche Erfolge seid ihr stolz?

Ich bin seit dem Herbst 2015 hauptberuflich in dem Projekt, aber schon seit 2012 auch ehrenamtlich aktiv für die Integration von Geflüchteten. Ich finde, dass sich seitdem Vieles zum Guten verändert hat. Mich beeindruckt das vielfältige Engagement, auch auf dem platten Land in Vorpommern gibt es überall Willkommensinitiativen, die inzwischen viel mehr als ein „Willkommen“ organisieren. In Torgelow wurde vor kurzem das Café Komm´ eröffnet, eine Begegnungsstätte für Einheimische und Neuangekommene. Es geht immer öfter darum, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Oder in Cottbus: Dort haben wir vor kurzem eine Konferenz gefördert, auf der sich über 100 Geflüchtete zu ihren Problemen ausgetauscht haben – und über Möglichkeiten aktiv zu werden. Die Idee dazu kam von FluMiCo, der Cottbusser Willkommensinitiative. Immer mehr Gruppen sind offen für die Mitarbeit von Geflüchteten, von Greifswald über Torgelow bis runter nach Südbrandenburg!

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