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Kein Platz für Romafeindlichkeit auf Schalke

© Schalker Faninitiative e.V.

Als 1992 Unterkünfte von Asylsuchenden brannten und rassistische Fangesänge im Schalker Parkstadion immer lauter wurden, war den Schalker Fans klar: Sie müssen etwas tun. Der in der Gesellschaft spürbare Rassismus sollte keinen Platz auf Schalke haben. Mit Flugblättern und Infoveranstaltungen fing ihre Arbeit an. Die Herausforderungen haben sich verändert, kleiner geworden sind sie nicht. Heute stellt sich die Faninitiative mit Hilfe der Amadeu Antonio Stiftung auch gegen Romafeindlichkeit im Stadion.

Von Franziska Schindler

Vieles hat die „Schalker Faninitiative e.V. – Schalker gegen Rassismus und Diskriminierung“ schon erreicht. Dass Schalke 04 als erster großer deutscher Verein einen sogenannten „Rassismusparagrafen“ in seiner Satzung verankerte, mit der Personen, die eine rassistische Gesinnung äußern, aus Schalke ausgeschlossen werden können. Dass – im Gegensatz zu vielen anderen Clubs – rassistische und antisemitische Sprüche bei den Königsblauen klare No-Gos sind. Dass Club und Faninitiative sich gemeinsam damit auseinandersetzen, wie mit Menschenfeindlichkeit im Stadion umzugehen ist.

Weil die Initiative sich aus der Fangemeinde heraus gegründet hat, ist sie gut vernetzt, auch mit den Ultras. Nicht von außen dazu zu kommen, sondern selbst zur Community zu gehören, das macht die Arbeit einfacher und glaubwürdiger. „Unsere Projekte werden sehr gut angenommen“ berichtet Fabian. Er ist bei den Schalkern gegen Rassismus aktiv. Für ihr Engagement erhielt die Faninitiative im Jahr 2017 den Julius-Hirsch-Preis. Er wird vom Deutschen Fußballbund an Personen und Initiativen vergeben, die sich in besonderer Weise gegen Antisemitismus, Rassismus und Diskriminierung im Fußball einsetzen.

Kein Grund für die Schalker gegen Rassismus, sich zurückzulehnen. Die Initiative gibt sich mit dem Ist-Zustand nicht zufrieden. Denn Sexismus, Homofeindlichkeit und Antiziganismus gehören in vielen Stadien immer noch zum Alltag – so auch auf Schalke. 17% der Wählerstimmen hat die AfD in Gelsenkirchen erhalten. „Dass Rechtspopulist*innen auch unter den Fans vertreten sind, liegt auf der Hand“, davon ist Fabian überzeugt.

Der Verein bleibt aktiv. Im Stadion, aber längst nicht nur dort. Engagement in Stadt und Verein gehört für den Verein untrennbar zusammen. Im Fanladen können sich die Schalker*innen vor dem Anpfiff aufs Spiel einstimmen, aber auch diskutieren, Veranstaltungen besuchen und sich mit Fanartikeln gegen Rassismus eindecken. Mit Schüler*innen des Eduard-Spranger-Berufskollegs dreht die Initiative einen Kurz-Spielfilm über das multikulturelle Schalker Jugendteam. Andere Fangruppen bringt sie in einer „World-Cooking-Action“ mit Geflüchteten zusammen. Hinzu kommt die ausgedehnte Gremienarbeit: Wann immer rassistische Vorfälle bekannt werden oder Entscheidungen zur Antidiskriminierungsarbeit des Vereins zu treffen sind, wird die Faninitiative hinzugezogen. Auch der Club weiß die Arbeit der Schalker gegen Rassismus zu schätzen.

Zu den vielfältigen Aktivitäten des Vereins gehören immer wieder auch Infoveranstaltungen. Kürzlich lud die Initiative zu einem Vortrag über Romafeindlichkeit in den Kulturladen Lalok Libre ein. Hier findet die Hausaufgabenbetreuung und Nachmittagsgestaltung für Kids aus dem Stadtteil Schalke statt, der Ort ist Treffpunkt für die Jugendlichen des Viertels. Warum die Faninitiative gerade hierher kommt? „Nach Schalke sind viele Menschen aus Rumänien und Bulgarien zugezogen, darunter auch viele Roma. Sie sind im Alltag von massiven Anfeindungen betroffen, und auch in der Berichterstattung lassen sich alle nur vorstellbaren Stereotypisierungen antreffen“, beobachtet Fabian. Diffamierende Äußerungen gegen die Zugezogenen, wie beispielsweise durch Teile der Duisburger Stadtverwaltung, sind nur die Spitze des Eisbergs. Die weithin akzeptierte Romafeindlichkeit macht den Betroffenen den Alltag schwer. Persönlich wurde Fabian mit Rassismus gegen Sinti*zze und Rom*nja regelmäßig bei der Wohnungssuche konfrontiert: „Ich habe ja nichts gegen Ausländer, aber Zigeuner kommen mir hier nicht ins Haus“ – diese und ähnliche Aussagen bekam er immer wieder zu hören. Auch im Fußball ist Antiziganismus präsent. Viele Fußballer*innen machen nicht öffentlich, dass sie Rom*nja oder SInti*zze sind – aus Angst, ihrer Karriere zu schaden. Antiziganistische Beschimpfungen gehören zum Repertoire deutscher Fangesänge. Dagegen möchte die Initiative etwas tun. Dafür sensibilisieren, dass Antiziganismus auf Schalke keinen Platz hat. Aber auch gemeinsam mit der Fangemeinde darüber nachdenken, wie Schalke für alle ein Zuhause sein kann – ohne Diskriminierungserfahrungen.

Ein erster Schritt sind Information und Gespräch. Deswegen lud die Faninitiative den Journalisten und Buchautor Ronny Blaschke ein, der mit seinem Vortrag eine Einführung in die Mechanismen, die Wirkweise und Geschichte des Antiziganismus gab. Die Veranstaltung war gut besucht, es entwickelte sich ein reger Austausch zwischen Autor und Besucher*innen, Theorie und Praxis, ein Raum zum fragen und zum diskutieren.

Mit einem Vortrag ist es weder um Romafeindlichkeit im Stadion geschehen, noch hat sich das Klima im Stadtteil verändert – das ist für Fabian klar. Deswegen lautet sein Motto: „Wir bleiben dran!“. Die nächsten Veranstaltungen sind bereits geplant. Gemeinsam mit Stadtteilinitiativen und Schulen wollen die Schalker gegen Rassismus ihre Arbeit gegen Antiziganismus fortsetzen. So kommt die Fan-Initiative ihrer Vision von einem Fußball ohne Diskriminierung jeden Tag ein Stückchen näher.

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„Erinnern heißt verändern“

Über ein Modellprojekt der Amadeu Antonio Stiftung erhalten seit Mitte 2023 elf Initiativen von Betroffene und Angehörige von rechten, rassistischen und antisemitischen Anschlägen sowie das gesamte Netzwerk Unterstützung für eine selbstbestimmte Erinnerungskultur. Gefördert wird das Projekt „Selbstbestimmt vernetzen, erinnern und bilden“ durch die Beauftragte der Bundesregierung für Antirassismus.

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