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Gefördertes Projekt

„Königsdorf rückt zusammen“ – Ein Dorf findet neue Wege des Miteinanders

Die Initiative „Königsdorf rückt zusammen“ hat sich zum Ziel gesetzt, der wachsenden Spaltung in ihrem Dorf positive und verbindende Erfahrungen entgegenzusetzen. Mit einem Dorffest gelang es, Menschen zusammenzubringen, die bisher wenig Berührungspunkte hatten. Die Menschen aus dem Dorf beteiligten sich mit eigenen Ideen und packten mit an. Entstanden sind neue Netzwerke und Anknüpfungspunkte für künftiges Engagement.

Von Luisa Gerdsmeyer

„Wir wollten mit unserem Dorffest einen Ort schaffen, an dem die Leute nicht, wie sonst üblich, nur mit ihren Freund*innen und Bekannten und zusammensitzen, sondern wo neue Kontakte entstehen, alle sich einbringen und gemeinsam etwas gestalten können“, erzählt Bruno. Mit dieser Idee gründete er gemeinsam mit einigen Mitstreiter*innen die Initiative „Königsdorf rückt zusammen“. Unterstützt wurden sie dabei von der Projektförderung der Amadeu Antonio Stiftung.

Engagierte werden aktiv für ein demokratisches Miteinander in Königsdorf

Seit einiger Zeit beobachten die Engagierten eine Verschiebung im öffentlichen Diskurs. Die Stimmung ist angespannt, Diskussionen verlaufen in Königsdorf zunehmend polarisiert und teils sehr aufgeheizt. So hat sich etwa eine Initiative gegen den Bau einer Geflüchtetenunterkunft im Ort gegründet. Deren Mitglieder begleiteten Stadtratssitzungen mit Protestaktionen, organisierten Demos und Stickeraktionen. Forderungen nach mehr Mitbestimmung oder einer menschenwürdigen, dezentralen Unterbringung von Geflüchteten wurden dabei teilweise von rassistischen Ressentiments überlagert, sodass nicht nur Politiker*innen, sondern auch die Geflüchteten selbst zum Feindbild in Teilen der Dorfgesellschaft wurden. Auch die Wahlergebnisse für den Frechener Stadtrat bei den nordrhein-westfälischen Kommunalwahlen am 14. September zeigen, dass eine Verschiebung stattgefunden hat: 2020 konnte die rechtsextreme AfD nicht einmal vier Prozent erreichen, fünf Jahre später hat sie ihr Ergebnis mit 12,32 Prozent mehr als verdreifacht.

Bruno, der in Königsdorf aufgewachsen ist, versuchte immer wieder in Gesprächen dagegenzuhalten und entschied sich schließlich, gemeinsam mit ehemaligen Mitschüler*innen, Eltern, Lehrer*innen und Bekannten aktiv zu werden für ein solidarisches Dorfklima, in dem kein Platz ist für Rassismus und Ausgrenzung. Ihr Ziel war es dabei nicht, hitzige Debatten zu führen, sondern Menschen durch das positive Erleben von Selbstwirksamkeit und Zusammenhalt zu erreichen. „Das Fest war bewusst niedrigschwellig gestaltet, aber immer verbunden mit einer klaren politischen Haltung“, so Bruno.

Dorffest ermöglicht Begegnungen und lädt zum Mitmachen ein

Am 7. September war es so weit. Der Dorfplatz in Königsdorf, einem Ortsteil der kleinen Stadt Frechen im Kölner Umland, füllte sich mit Leben: Es gab Workshops und Live-Musik, die Besucher*innen brachten Beiträge für ein großes Mitmachbuffet mit. Gemeinsam wurde ein „Dorfsüppchen“ gekocht, bei dem alle beim Gemüseschnippeln mitmachen konnten. Für die Kinder gab es einen „Mini-Jahrmarkt“ mit Dosenwerfen, Glücksrad und weiteren Mitmachaktionen. An Infoständen konnten sich die Besucher*innen über lokale Vereine und Initiativen informieren und vernetzen.

„Besonders schön fand ich das Begegnungszelt, das wir in der Mitte des Platzes aufgestellt und mit Teppichen und Sofas ausgestattet haben. Hier trafen sich Menschen unterschiedlichen Alters, unterhielten sich und lernten sich kennen. Alteingesessene Königsdorfer*innen kamen ins Gespräch mit Menschen aus migrantischen Communities und neu Zugezogenen“, freut sich Bruno. „Aus unserer Perspektive sind solche Begegnungen total wichtig, um Vorurteile abzubauen, Empathie für unterschiedliche Erfahrungen und Perspektiven zu entwickeln und ein positives Gemeinschaftsgefühl zu schaffen, das den Menschen hilft, mit den Unsicherheiten und Ängsten angesichts der zahlreichen Krisen weltweit umzugehen.“

Beteiligungsmöglichkeiten schaffen Vertrauen

Dass das Fest ein Erfolg werden würde, erschien zu Beginn keineswegs selbstverständlich. Viele Menschen im Dorf standen der Initiative zunächst skeptisch gegenüber. „Es hat viel Zeit und Gespräche gebraucht, um Vertrauen aufzubauen und die Menschen zu überzeugen, dass wir das Dorfklima nur verbessern können, wenn wir Räume für Begegnung und Austausch schaffen – Räume, in denen Diskriminierung und Ausgrenzung keinen Platz haben“, meint Bruno.

Von Anfang an setzte die Gruppe bei der Planung auf Offenheit und Beteiligungsmöglichkeiten. Sie erstellte eine Website, auf der Interessierte Informationen zum Fest fanden und über ein Kontaktformular eigene Ideen einbringen oder Hilfe anbieten konnten. Über Flyer, soziale Medien und Messenger-Kanäle wurde das Fest beworben – immer mit der Einladung, aktiv mitzumachen.

„Das hat super funktioniert“, sagt Bruno. „Knapp 30 Leute haben sich auf diesem Weg bei uns gemeldet und tolle Ideen eingebracht.“ So entstand nach und nach das Programm: Eine Familie startete einen Kleidertausch, andere boten kreative oder sportliche Workshops an. Auch lokale Unternehmen unterstützten die Initiative – mit Technik, Getränken oder Lebensmitteln.

Das Fest hat nicht nur einen besonderen Tag geschaffen, sondern auch neue Verbindungen geknüpft, die in Zukunft genutzt werden können, um zivilgesellschaftliches Engagement in Königsdorf zu verstetigen. Schon jetzt gibt es Ideen: Eine Teilnehmerin schlug beispielsweise vor, eine Menschenkette für Demokratie zu organisieren.

Pläne für die Zukunft – Erfahrungsaustausch und Vernetzung mit anderen Initiativen

Längst hat die Initiative Pläne, die über Königsdorf hinaus reichen: „Wir möchten unsere Erfahrungen weitergeben und andere ermutigen, selbst aktiv zu werden“, sagt Bruno. „Gerade in Orten, in denen es bisher wenig zivilgesellschaftliche Strukturen gibt, ist der Anfang oft besonders schwer. Da kann der Kontakt zu Menschen, die schon einmal etwas organisiert haben, sehr hilfreich sein.“

Neben der Weitergabe von Erfahrung wollen sie auch ganz praktisch unterstützen. „In unserem Team gibt es Leute, die sich gut mit Webdesign und Grafik auskennen – also zum Beispiel beim Erstellen von Websites, Flyern oder Logos. Diese Ressourcen wollen wir überregional auch anderen zur Verfügung stellen.“

Demokratiefeste in ländlichen Orten wie Königsdorf sind wichtig – gerade angesichts der verhärteten Diskussionen und rassistischen Ressentiments. Ihnen gelingt es niedrigschwellig und unkompliziert, Menschen jeden Alters und aus allen Milieus ins Gespräch zu bringen und Vorurteile besprechbar zu machen. So kann ein Gefühl von Zusammengehörigkeit entstehen – nicht durch Ausschluss, sondern durch gemeinsame Aktionen, bei denen sich alle einbringen können.

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