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„connect“ – Willkommensinitiativen und Selbstorganisationen treffen aufeinander

Wie im letzten Newsletter angekündigt, fand am 24. September die Konferenz „connect“ statt. Über einhundert Teilnehmende aus den ostdeutschen Bundesländern kamen zusammen, unter ihnen zahlreiche Geflüchtete.

Von Laura Piotrowski

Gemeinsam wurden Fragen im Zusammenhang mit der Integrations-Debatte diskutiert, die durch den Anstieg der Flüchtlingszahlen neu angestoßenen wurde: Wie kann Integration gelingen? Ist Integration bisher zu einseitig gedacht? Was bedeutet „Hilfe“ für geflüchtete Menschen? Und welche Rolle können Selbstorganisationen übernehmen, um gesellschaftliche Teilhabe für Alle zu ermöglichen?

Ungewöhnlich für Konferenzen zu diesem Themenfeld:  sowohl die Refernt_Innen als auch die Teilnehmenden verfügten mehrheitlich über eine eigene Migrations- oder Fluchtgeschichte und setzen sich selbst seit Jahren aktiv für gesellschaftliche Teilhabe und Minderheitenrechte ein. „Wir haben auf der Konferenz nicht über, sondern mit Migrant_Innen und Geflüchteten gesprochen“, hebt die Koordinatorin Laura Piotrowski hervor. Ihre Kollegin Tahera Ameer forderte schon im Vorfeld der Konferenz, die vorhandene Expertise endlich zu nutzen: „Ich arbeite vor allem an der Stärkung migrantischer Selbstorganisation. Die Neuankommenden haben genaue Vorstellungen davon, was sie brauchen und was nötig ist, um ankommen zu können. Es ist wichtig, dieses Wissen in die Arbeit, sei sie ehrenamtlich oder hauptamtlich, zu integrieren. Es ist unverzichtbar, dass die Menschen, ob mit oder ohne Fluchterfahrung, mit den Neuankommenden ins Gespräch gehen, um Erfahrungen zu teilen.“

Zum Auftakt der Konferenz erklärte Professor Dr. Barbara Schäuble von der Alice Salomon Hochschule: „Es wird Zeit, weniger über Werte zu debattieren und mehr über Rechte.“ Die immer wiederkehrenden Fragen zu „gelungener Integration“ würden besonders auf die Erhaltung kultureller Werte der deutschen Gesellschaft abzielen. Es sollte mehr Möglichkeiten politischer Teilhabe für Migrant_Innen geben, statt Diskussionen über ein Burka-Verbot oder die Wiedereinführung der Residenzpflicht. So wurde auf der Konferenz unter anderem die Forderung laut, das kommunale Wahlrecht für alle Menschen mit Bleiberecht einzuführen. Aktuell haben nur EU-Bürger_Innen, die länger als drei Monate einen festen Wohnsitz in einer deutschen Gemeinde haben, das Recht an der Kommunalwahl teilzunehmen. Konsens war auch die Öffnung der Verwaltungen für Menschen mit Migrationsgeschichte – aktuell werden und wurden zahlreiche neue Stellen wie beim Bundesamt für Migration geschaffen, zu selten würden jedoch Bewerber_Innen mit Migrationsgeschichte berücksichtigt. Dabei wären ihre Expertisen, wie Sprachkompetenzen oder Kenntnisse über Migrationsprozesse, überaus hilfreich. Rola Saleh von Jugendliche ohne Grenzen aus Sachsen und Rita Wiese von Migranet MV, dem Dachverband der Migrantenorganisationen in Mecklenburg-Vorpommern, reklamierten hier Nachholbedarf. „Deutschland braucht endlich eine interkulturelle Öffnung“, erklärte Wiese.

Auf der Konferenz wurde sowohl über Probleme, wie Rassismus und die prekäre Lage von geflüchteten Frauen und Mädchen, als auch Chancen gesprochen. So zeigt Selbstorganisation, dass Geflüchtete aktiv für ihre Belange eintreten können und wollen. Wie eine solche Selbsthilfe und Integration konkret funktionieren kann, bewiesen teilnehmende Organisationen von Geflüchteten: Women in Exile e.V., Jugendliche ohne Grenzen,  international women´s space Berlin oder auch Refugees Emancipation e.V. – ein Verein, der seit 14 Jahren in zahlreichen Flüchtlingsunterkünften in Brandenburg Internetcafés betreibt, die von den Bewohner_Innen eigenverantwortlich verwaltet werden. Gemeinsam mit deutschen Ehrenamtlichen geben sie in den Cafés Fortbildungen für andere Geflüchtete. So findet ganz praktisch interkulturelle Begegnung statt – und eine Öffnung der sonst für Außenstehende verschlossenen Flüchtlingsunterkünfte.

„Rückblickend ist uns besonders wichtig, dass wir auf der Konferenz bei vielen Teilnehmenden ohne Migrationsgeschichte oder Fluchterfahrung einen Perspektivwechsel erreicht haben und die Stimmen der eigentlich Betroffenen verstärkt werden konnten. Es lohnt zuzuhören, in einen Austausch zu treten und auf diese Weise zusammen Lösungen für bestehende Probleme zu entwickeln“, fasst Laura Piotrowski die Erfahrung des Tages zusammen. Auf zivilgesellschaftlicher Ebene konnte „connect“ dazu beitragen, Kontakte zu knüpfen, Netzwerke zu bilden und gemeinschaftliche Projekte ins Auge zu fassen. Im Folgejahr ist eine Anschlusskonferenz geplant.

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