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Mehr Freiraum für Jugendliche in Jena

Mehr Raum zum Selber machen und Gestalten – das forderten Jugendliche auf einer dreitägigen Konferenz in Jena. Politisch aktive sowie bisher unpolitische Jugendliche kamen zusammen um zu diskutieren, was sie gegen Rechtsextremismus tun können, wie sie für Klimaschutz eintreten und wie sie sich bei der Politik Gehör verschaffen wollen.

Von Charlotte Sauerland

In Jena gibt es viele aktive politische Jugendgruppen: “Fridays for Future” und die „Climate Climbers“ aus der Bewegung für Klimagerechtigkeit gehören genauso dazu, wie eine Gruppe der „Seebrücke“-Initiative, die sich für die kommunale Aufnahme von Geflüchteten einsetzt. Dominik Sturm leitet beim soziokulturellen Verein Freiraum e.V. das Projekt „Diversität und basisdemokratische Partizipation“. Er ist selbst seit zehn Jahren politisch aktiv und ist begeistert von der Vielfalt der jugendpolitischen Gruppen. Gleichzeitig beobachtet er, dass die Gruppen häufig unter sich sind: „Es gibt wenig Austausch untereinander und wenige Orte, um zusammenzukommen.“

Räume in der Stadt zu erschließen und zugänglich zu machen für soziale und ökologische Aktivitäten – genau dafür wurde der Freiraum e.V. gegründet. Vor vier Jahren hat der Verein, gemeinsam mit einem Freien Theater und einem Rollsportverein für junge Menschen, einen ehemaligen Schlachthof in Jena gepachtet, der seitdem saniert wird. Anfangs gab es kein Wasser und keinen Strom, eine Mammutaufgabe. Jetzt heißt der Ort Kulturschlachthof und bietet Raum für Theater, Sport, soziale und politische Veranstaltungen.

Der Kulturschlachthof könnte der perfekte Ort sein, um die verschiedenen Jugendgruppen zusammenzubringen, überlegten Dominik und seine Mitstreiter:innen. So entstand die Idee einer Jugendkonferenz mit politisch aktiven und interessierten jungen Leuten. Schnell bildete sich ein Bündnis aus ca. 20 ganz unterschiedlichen Personen: Junge Menschen, die sich gegen Rechtsextremismus engagierten, für Klimaschutz und für Freiräume von Jugendlichen in der Stadt. So ergaben sich dann auch die drei Hauptthemen auf der dreitägigen Konferenz im September 2021.

Eine Konferenz für politisch Interessierte und Aktive

Auch für Jugendliche, die sich bisher wenig mit Politik beschäftigt hatten, sollte die Konferenz offen sein. Die Bündnismitglieder warben an Schulen und in Jugendclubs mit Plakaten, Videoclips und mit direkten Gesprächen. „Es war toll, dass wir so viele Bündnismitglieder hatten, die im direkten Kontakt zu Schüler:innen aus Jenaer Schulen standen”, erzählt Dominik begeistert.

„Es gibt einen großen Bedarf bei Jugendlichen in Jena nach selbstverwalteten Räumen – und danach, eigene Ideen umsetzen.“  In den letzten Jahren wurden einige Jugendzentren geschlossen, gerade während der Corona-Pandemie gab es daher wenig Möglichkeiten für Jugendliche sich zu treffen und gemeinsam Zeit zu verbringen. Im Frühsommer 2021 feierten Jugendliche häufig im Paradiespark in Jena, laut und mit viel Alkohol. Anwohner:innen und Gewerbetreibende fühlten sich gestört, die Polizei griff ein. Einige Stadtpolitiker:innen äußerten Verständnis für das Bedürfnis der jungen Leute, in der Pandemie endlich wieder ausgelassen zu feiern. Doch eine wirkliche Lösung wurde nicht gefunden: „Der Stadt fiel nichts Anderes ein, als danach Videoüberwachung im Park anzukündigen“, berichtet Dominik. Auch das Jugendparlament der Stadt Jena kritisierte die Stadtpolitik für ihre Reaktion.

Rechstextremismus nimmt sich wieder mehr Raum

Für die Jugendlichen auf der Konferenz waren die Partys im Paradiespark aber noch aus einem anderen Grund schwierig. Teilweise versuchten Rechtsextreme dort zu agitieren, Rechtsrock wurde gespielt. Einige Jugendliche fühlten sich bedroht und hatten Angst, mit einer auffälligen pinken Frisur dort aufzutauchen. Von der Polizei haben sich die Jugendlichen nicht unterstützt gefühlt, schildert Dominik. Auch anderswo beobachtet Dominik, dass Rechtsextremismus wieder mehr in die Lebenswelten der Jugendlichen einsickert, zum Beispiel in Jugendclubs.

Umso angeregter diskutierten nun auf der Konferenz zwischen 60 und 80 Jugendliche pro Tag, im Plenum genauso wie beim Schnippeln in der Küche. „Nach eineinhalb Jahren Corona waren alle froh wieder zusammen zu kommen. Es sind großartige Ideen entstanden.”, erzählt Dominik begeistert“ Eine dieser Ideen war zum Beispiel, die Einrichtung eines neuen Jugendzentrums von der Stadt zu fordern. Sogar eine Immobilie in der Innenstadt hätten sie schon ins Auge gefasst, berichtet Dominik verschmitzt. Und nach der Konferenz hörten die Jugendlichen nicht auf: Um sich auch in Zukunft gemeinsam Gehör zu verschaffen , fand schon das dritte Follow-Up-Treffen seither statt – für mehr Freiräume in Jena.

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