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4 Gewalttaten jeden Tag: Rechte Straftaten auf Rekordniveau gefährden den sozialen Frieden

Mehrere Hundert Rechtsextreme demonstrierten in Leipzig gegen den zeitgleich geplanten CSD. Auffällig war, wie jung die Teilnehmenden waren. (Quelle: picture alliance/dpa | Sebastian Willnow)
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Die Zahl rechtsextremer Straftaten in Deutschland hat im vergangenen Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Laut der Amadeu Antonio Stiftung entsteht ein flächendeckender Gefahrenherd, der die demokratische Grundordnung und den sozialen Frieden massiv bedroht. Der gesellschaftliche Umgang mit rechter Gewalt bleibe vielfach unzureichend – mit gravierenden sicherheitspolitischen Folgen.

Die Zahl der rechtsmotivierten Straftaten in Deutschland ist erneut auf einen neuen Höchststand gestiegen. 42.788 Delikte wurden registriert (+ knapp 48 % ggü. 2023) – darunter mehr als 1.477 Gewalttaten (+ gut 17 & ggü. 2023), eine Zunahme bei Körperverletzungen, Brandstiftungen und versuchten Tötungen.

Rechtsextremismus: Größte Bedrohung für die innere Sicherheit
„Die reale Bedrohung durch Rechtsextreme ist größer denn je – und sie betrifft insbesondere junge Menschen, Minderheiten und Engagierte. Seit Monaten drehen sich politische Debatten über die innere Sicherheit Deutschlands fast ausschließlich um die Rolle von Migration, auch die Koalitionsverhandlungen waren geprägt davon. Und das, obwohl seit Jahren die wechselnden Innenminister bei der Vorstellung der Jahreszahlen zur politisch motivierten Kriminalität betonen, dass Rechtsextremismus die größte Gefahr für die innere Sicherheit ist. Der omnipräsente Hass ist zum Brandbeschleuniger geworden, Desinformation zum Treibstoff. Im Windschatten der AfD fühlen sich Täter ermutigt, ihre rechtsextreme Ideologie mit Gewalt durchzusetzen. Wenn Politiker*innen für das bloße Aufhängen von Plakaten zusammengeschlagen werden, dann können wir nicht mehr von Einzelfällen reden, das ist rechtsextremer Straßenterror. Diese Zahlen sind keine abstrakte Statistik, sondern zeigen das konkrete Leid realer Menschen. Rechte Gewalt ist bittere Alltagserfahrung, doch der notwendige Repressionsdruck durch staatliche Stellen bleibt häufig aus“, erklärt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung.

Radikalisierung in Jugendmilieus: Rechtsextreme Netzwerke gewinnen Einfluss
Besonders besorgniserregend ist die zunehmende Radikalisierung jugendlicher Milieus, die sich im digitalen Raum, Kampfsportkreisen oder über rechtsextreme Influencer-Netzwerke formieren. Immer häufiger richten sich Angriffe gezielt gegen andere junge Menschen, die sich demokratisch engagieren oder aufgrund ihrer Hautfarbe, Religion, sexuellen Orientierung oder politischen Haltung als „anders“ markiert werden. In mehreren Städten mussten Demonstrationen wie Christopher Street Days (CSDs) bereits aus Angst vor Angriffen abgesagt oder massiv eingeschränkt werden. Jugendclubs in mehreren Regionen wurden zum Ziel organisierter gewalttätiger Angriffe, die Belagerungen gleichkommen.

Forderung nach einem nationalen Aktionsplan
Gleichzeitig erleben Betroffene immer wieder Retraumatisierung durch bürokratische Hürden, fehlende Anerkennung oder mangelnde Unterstützung. Die Amadeu Antonio Stiftung appelliert an eine neue Bundesregierung, entschlossen gegen rechte Gewalt vorzugehen: Das im Koalitionsvertrag angekündigte Gesetz gegen digitale Gewalt ist ein wichtiger Schritt, um Betroffene im digitalen Raum besser zu schützen und ihnen wirksame rechtliche Mittel gegen Hass, Bedrohungen und digitale Angriffe zur Verfügung zu stellen. Das genügt aber nicht, wenn es vor Ort zu Gewaltexzessen kommt.

Die Amadeu Antonio Stiftung fordert:

  • Einen ressortübergreifenden Aktionsplan gegen rechte Gewalt und die Ausweitung der Präventionsarbeit, die auch neue Formen eines „Patchworkextremismus“ berücksichtigt und den unterschiedlichen Radikalisierungsprozessen gerecht wird.
  • verbindliche Schutzkonzepte für demokratisch Engagierte und bedrohte Minderheiten,
  • Eine Reform des Opferentschädigungsrechts.

„Wo engagierte Menschen bedroht werden, drohen weiße Flecken der Demokratiearbeit zu entstehen. Fördermittel werden gestrichen, Engagierte ziehen sich zurück – genau das darf eine demokratische Gesellschaft nicht zulassen. Wer demokratische Pluralität schützen will, muss sie auch absichern – rechtlich, politisch und finanziell. Die Regierung Merz muss sich entschieden gegen Enthemmung und Verrohung stellen, die rechtsextreme Narrative und Wahlerfolge befördern. Die Zeit unverbindlicher Rhetorik ist vorbei“, so Reinfrank abschließend.

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