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Antisemitische Landnahme. Amadeu Antonio Stiftung veröffentlicht Zivilgesellschaftliches Lagebild Antisemitismus zu Israelhass und Antiamerikanismus

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Berlin, 10.05.2023. Die Amadeu Antonio Stiftung hat ein zivilgesellschaftliches Lagebild zum aktuellen Antisemitismus in Deutschland vorgestellt. Er zeigt sich in antisemitischen Darstellungen der Staatsgründung Israels, über klassisch antiamerikanische Schuldzuweisungen beim Ukraine-Krieg bis hin zu Instrumentalisierungen des Klimaprotests für den eigenen Israelhass.  Ein Alltag ohne antisemitische Verklärungen, Verzerrungen und Vereinnahmungen ist für Jüdinnen und Juden kaum möglich. Je mehr Debatten antisemitisch aufgeladen werden, umso kleiner werden sichere Räume für Betroffene. Das Zivilgesellschaftliche Lagebild Antisemitismus #11 zeigt anhand verschiedener Debatten und Entwicklungen der letzten Monate, wo sich Antisemitismus ganz aktuell findet und wo sich die deutsche Gesellschaft ihm entgegenstellen muss.

In diesen Tagen jährt sich die Staatsgründung Israels zum 75. Mal. Dass 1948 der weltweit einzige jüdische Staat kurz nach der Shoah als Schutzraum gegründet wurde, ist aber nicht für alle ein Grund zum Feiern: Das Jubiläum wird auch in Deutschland zum Anlass genommen, Israel die Existenz abzustreiten und als dämonisches Übel in der Region darzustellen. Aber auch der antisemitische Antiamerikanismus der Friedensbewegung zeigt, wie Antisemitismus als Katalysator wirkt.

Das zivilgesellschaftliche Lagebild Antisemitismus zählt im Vergleich zu behördlichen Berichten nicht nur strafrechtlich relevante antisemitische Vorfälle und Trends auf, sondern nimmt eine dezidiert zivilgesellschaftliche und jüdische Perspektive ein und analysiert Antisemitismus aus der Perspektive derjenigen, die ihn erleben.

Aus dem Lagebild Antisemitismus ergeben sich vier Kernbeobachtungen:

  • Antisemitismus verklärt die Darstellung der Ereignisse im Kontext der Staatsgründung Israels. Durch einseitige Schuldzuweisungen, Verzerrungen und Auslassungen wird beispielsweise auf pro-palästinensischen Demonstrationen Israelhass geschürt.
  • Antisemitismus vereinfacht den Blick auf den russischen Angriffskrieg. Auf Demonstrationen in Berlin und Ramstein treffen sich im Antiamerikanismus sowohl linke als auch rechte Akteur*innen. Dabei werden auch antisemitische Codes wie das Bild des Strippenziehers auf die USA übertragen.
  • Antisemitismus vereinnahmt soziale Bewegungen unter dem Deckmantel der sogenannten Israelkritik. Teile der Klimabewegung fallen dadurch auf, dass sie Israelhass schüren, andere Teile halten dagegen.
  • Antisemitismus verbreitet sich seit 10 Jahren mit Gründung der AfD verstärkt unter einem demokratischen Deckmantel. Abgeordnete der Partei verwenden wiederholt antisemitische Codes wie den der “Globalisten”, was Antisemitismus in der Mitte der Gesellschaft aussprechbarer macht.

Tahera Ameer, Vorständin der Amadeu Antonio Stiftung, erklärt: “Wir erleben eine antisemitische Landnahme. Es gibt kaum noch Räume, in denen Juden und Jüdinnen nicht tagtäglich mit Antisemitismus konfrontiert sind, immer darauf vorbereitet, dass zumindest ein Spruch kommt. Gerade in den aktuellen antisemitischen Erzählungen beobachten wir eine perfide Täter-Opfer Umkehr, mit der am Ende Gewalt gerechtfertigt wird: Die vermeintlich Unterdrückten müssten sich gegen den einen übermächtigen Sündenbock wehren, egal ob der NATO, Bundesregierung oder Staat Israel heißt. Mit der Rolle des David gegen Goliath wird versucht, Sympathien zu erhalten und andere vom eigenen Feindbild zu überzeugen.”

Felix Klein, der Beauftragte der Bundesregierung für jüdisches Leben in Deutschland und den Kampf gegen Antisemitismus verweist auf die Relevanz genau solcher Analysen: “Qualitative Analysen wie das Zivilgesellschaftliche Lagebild Antisemitismus sind unabdingbar, um Judenhass in seiner gesamten Grausamkeit bekämpfen zu können. Nur wer genau hinschaut, kann den Finger in die Wunde legen.”

Teil dieser Realität sind auch die antisemitischen Angriffe, denen Amcha Deutschland ausgesetzt ist. Sie begleiten Holocaust-Überlebende in Israel bei ihrer Traumabewältigung. Lukas Welz, der Vorstandsvorsitzende, berichtet von der Sorge, mit der diese aktuellen Entwicklungen in Deutschland von Holocaust-Überlebenden in Israel betrachten: “Israel ist gerade auch für Holocaust-Überlebende ein Zufluchtsort und Schutzraum vor dem weltweiten Antisemitismus. Sie verfolgen aber auch genau, wie es um den Antisemitismus in Deutschland bestellt ist: Sie fragen, sich, was dies für ihre Nachkommen bedeutet oder was der grassierende Antisemitismus über die deutsche Erinnerungskultur aussagt.”

Das zivilgesellschaftliche Lagebild steht hier zum Download bereit: https://www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/zivilgesellschaftliches-lagebild-antisemitismus-11

Zusätzlich sind die Kerninhalte hier digital aufbereitet: www.lagebild-antisemitismus.de

 


Über die Amadeu Antonio Stiftung:

Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent und überparteilich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse.

Über Amcha Deutschland:

Amcha wurde 1987 von Shoah-Überlebenden in Israel gegründet, um anderen Überlebenden im Alltag und bei der Traumabewältigung zur Seite zu stehen. Amcha Deutschland entstand kurz darauf und fokussiert sich stärker auf Fundraising und Projektarbeit in der Öffentlichkeit, um die Mutterorganisation bei ihrer Arbeit zu unterstützen.

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