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Zum 30. Todestag von Mete Ekşi stellt die Amadeu Antonio Stiftung den Gedenkband für Berliner Todesopfer rechter Gewalt vor

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Berlin, 11.11.2021. Morde aus menschenverachtenden Motiven sind ein Bestandteil der Berliner Stadtgeschichte, der aber häufig ausgeblendet wird. Mit dem Gedenkband „Dem Leben entrissen. Im Gedenken an Todesopfer rechter Gewalt“ will die Amadeu Antonio Stiftung einen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten und macht die Menschen und ihre Geschichten sowie die Kämpfe um Aufklärung und Anerkennung sichtbar.

Vor 30 Jahren, am 13.11.1991, starb der 19-jährige Mete Ekşi an den Folgen eines Schädel-Hirn-Traumas, das ihm bei einem rassistischen Angriff zugefügt wurde. Auf dem Adenauerplatz in Berlin-Charlottenburg, wo heute ein Gedenkstein an Mete Ekşi erinnert, kam es in der Nacht zum 27.10.1991 zu einer tödlichen Auseinandersetzung: Eine Gruppe Jugendlicher äffte die türkische Sprache von Mete Ekşi und seinen Freund:innen auf rassistische Weise nach. Mete Ekşi versuchte den Streit zu schlichten, der sich daraus entwickelte – und wurde von den Angreifern mit einem Baseballschläger niedergeschlagen.

„Er war ein Mensch, der immer Gerechtigkeit wollte“, erinnert sich Mete Ekşis Schwester Mine Ekşi in dem Gedenkband. „Es war einer, der uns stets gesagt hat: ‚Nicht streiten, lieber reden.‘ Er hat sich für ein gutes Zusammenleben eingesetzt. Leider hat er etwas bekommen, das er nicht verdient hat.“

Erinnerungskultur muss Opfer in den Fokus rücken

Der Mord an Mete Ekşi fiel in eine Zeit, in der rassistische Ausschreitungen in Deutschland an der Tagesordnung waren. Die Darstellung der Fälle in dem Gedenkband zeigt jedoch, dass es in Berlin eine Kontinuität an Morden aus rechten, menschenverachtenden Motiven bis in die Gegenwart gibt. In der Handreichung werden nicht nur die Taten behandelt, sondern auch die Biografien der Opfer dargestellt. Portraits der Opfer und Zitaten von Angehörigen sollen eine würdige Erinnerung ermöglichen.

„Die Erinnerung an Todesopfer rechter Gewalt wach zu halten und eine würdevolle Gedenkkultur zu etablieren ist unabdingbar“, erklärt Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung. „Nur so überlassen wir den Täter:innen nicht das letzte Wort in diesen tragischen Geschichten. Das bedeutet, den Blick weg von den Täter:innen und hin zu den Opfern zu lenken, sie als die vielseitigen Individuen im Gedächtnis zu behalten, die sie waren“.

Lehren aus der Vergangenheit ziehen

Der Gedenkband zeigt auf, dass die Aufklärung der Verbrechen häufig schleppend verlief, eine staatliche Anerkennung lange ausblieb und bei einigen Fällen noch immer ausbleibt. Fortschritte bei der Aufarbeitung der Taten waren häufig nur dem Druck zivilgesellschaftlicher (Gedenk-)Initiativen und Angehörigen zu verdanken. Von staatlicher Seite anerkannt sind sieben der in dem Gedenkband dargestellten Fälle. Von den Behörden nicht als „politisch rechts“ klassifiziert sind die Morde an Mahmud Azhar, Mete Ekşi, Jan Wnenczak, Jim Reeves, Eugeniu Botnari sowie die beiden Verdachtsfälle Burak Bektaş und Luke Holland.

„Die Erinnerung an Mahmud Azhar, Mete Ekşi, Nguyen Van Tu, Günter Schwannecke, Silvio Meier, Beate Fischer, Jan Wnenczak, Kurt Schneider, Dieter Eich, Ingo Binsch, Burak Bektaş, Luke Holland, Jim Reeves und Eugeniu Botnari muss uns eine Mahnung sein“, führt Timo Reinfrank aus. „Ihre Geschichten zeigen, wohin menschenverachtende Einstellungen in ihrer abscheulichsten Steigerung führen können und wie wichtig es ist, aktiv gegen sie einzutreten“.

Die Kapitel, die für die einzelnen Opfer stehen, werden gerahmt von Informationen zu den zugrundeliegenden Tatmotiven, zur Arbeit von Gedenkinitiativen und zur juristischen und gesellschaftlichen Aufarbeitung der Verbrechen.

Margarete Koppers, die Generalstaatsanwältin in Berlin, hat dem Gedenkbank ein Geleitwort beigesteuert. Auch sie kommt zu dem Schluss: „Es ist unsere Verantwortung, die Dimension der Taten zu erkennen, die Betroffenen zu sehen, ihnen zuzuhören und die Taten in den richtigen Kontext zu stellen“.

Die Handreichung wurde gefördert durch die Berliner Senatsverwaltung für Justiz, Verbraucherschutz und Antidiskriminierung.

Der Gedenkband steht hier zum Download bereit unter.

Am 13.11.2021 findet um 15 Uhr eine Gedenkveranstaltung anlässlich des Todestages von Mete Ekşi auf dem Adenauerplatz in Berlin-Charlottenburg statt.

Über die Amadeu Antonio Stiftung:
Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse.

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