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Bundesverfassungsgericht stärkt Meinungsfreiheit – Xavier Naidoo, der Antisemit, der nicht Antisemit genannt werden wollte

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Berlin 22.12.2021. In dem Prozess Xavier Naidoos gegen eine Referentin der Amadeu Antonio Stiftung hat das Bundesverfassungsgericht seinen Beschluss verkündet. Das Gericht hob mit seiner heutigen Entscheidung die vorangegangenen Urteile auf Unterlassung durch das Landgericht Regensburg und das Oberlandesgericht Nürnberg auf. Die Vorinstanzen untersagten der betroffene Referentin, die durch die Amadeu Antonio Stiftung juristisch unterstützt wird, Xavier Naidoo als Antisemiten zu bezeichnen. Die Stiftung wertet die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als enormen Erfolg für die politische Bildung und für den Kampf gegen Antisemitismus.

“Dieses Urteil schafft endlich Tatsachen und stärkt das Recht auf Meinungsfreiheit. Wer wie Xavier Naidoo mit antisemitischen Inhalten und Aussagen öffentlich von sich Reden macht, muss dafür auch kritisierbar sein. Wer sich antisemitisch äußert, muss sich auch öffentlich als Antisemit bezeichnen lassen dürfen”, kommentiert Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung.

Jetzt, wo die Shoah wieder offen auf der Straße und im Internet geleugnet und relativiert, Jüdinnen und Juden ungehemmt verunglimpft werden und ihnen offen der Tod gewünscht wird, ist es umso wichtiger, dass Menschen, die diesen Hass aktiv schüren auch beim Namen genannt werden dürfen. Viel zu lange galt der Vorwurf, Antisemit zu sein, schwerwiegender als die öffentlich getätigten antisemitischen Äußerungen selbst. Die bislang herrschende Unklarheit wurde durch die Entscheidungen der Gerichte in Regensburg und Nürnberg noch verstärkt.

“In Zeiten, in denen Judenhass und Verschwörungserzählungen massenhaft um sich greifen und Jüdinnen und Juden ganz konkrete Angriffe und Anschläge erleben, ist politische Bildung gegen Antisemitismus wichtiger denn je. Der heutige Beschluss des Bundesverfassungsgerichts schafft hier endlich Rechtssicherheit und stärkt damit auch die öffentliche und politische Auseinandersetzung mit Antisemitismus.”, kommentiert Anetta Kahane.

Die betroffene Referentin war während eines Vortrags zu „Reichsbürgern“, Selbstverwaltern und Souveränisten im Juli 2017 in Straubing vom Publikum zu ihrer Einschätzung Naidoos gefragt worden. Sie äußerte sich wie folgt:  „Ich würde ihn zu den Souveränisten zählen, mit einem Bein bei den Reichsbürgern. Er ist Antisemit, das darf ich, glaub ich, aber gar nicht so offen sagen, weil er gerne verklagt. Aber das ist strukturell nachweisbar.“ Die Referentin der Amadeu Antonio Stiftung stützt ihre Meinung unter anderem auf Textzeilen verschiedener Lieder Xavier Naidoos und der Söhne Mannheims, die ihrer Ansicht nach antisemitische Stereotype und Welterklärungen wiedergeben. Naidoo und die Söhne Mannheims waren zuvor durch ihren Song „Marionetten“ in die öffentliche Kritik geraten. Juristisch vertreten wurde die betroffene Referentin in allen Instanzen durch die Rechtsanwältin Franziska Oster der Kanzlei Senfft Kersten Nabert van Eendenburg in Hamburg.

Über die Amadeu Antonio Stiftung:

Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent und überparteilich gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse.

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