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Jüdisches Leben in Baden-Württemberg durch zunehmenden Antisemitismus massiv bedroht – Amadeu Antonio Stiftung veröffentlicht Lagebild zum Antisemitismus in Baden-Württemberg      

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Berlin, 10.06.2020. Jüdinnen und Juden in Baden-Württemberg fühlen sich durch den zunehmenden Antisemitismus massiv bedroht. Das ergibt das „Zivilgesellschaftliche Lagebild Antisemitismus Baden-Württemberg“, das die Amadeu Antonio Stiftung heute veröffentlichte. Die Stiftung fordert die Landesregierung auf, die zivilgesellschaftlichen Strukturen im Kampf gegen Antisemitismus dringend zu stärken.

Die jüdische Perspektive auf den wachsenden Antisemitismus in Baden-Württemberg ist erschütternd: Viele Jüdinnen und Juden tragen in der Öffentlichkeit keine religiösen Symbole mehr, auch auf baden-württembergischen Schulhöfen ist „Jude“ ein Schimpfwort. Im digitalen Raum werden Jüdinnen und Juden besonders stark mit antisemitischen Anfeindungen konfrontiert.
Seit Beginn der COVID-19-Pandemie kommen verstärkt antisemitische Verschwörungsmythen hinzu. Die Behauptung, eine mächtige, raffgierige Elite habe das Corona-Virus erfunden, um eine globale Diktatur zu errichten, mündet in Antisemitismus und NS-Vergleichen.

Die Vorstandsvorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung, Anetta Kahane, stellt fest: „Die Corona-Krise macht die weitreichende Verbreitung von – in Teilen stark antisemitischen – Verschwörungsmythen sichtbar. Der Antisemitismus ist ohne Zweifel das Betriebssystem jedes verschwörungsideologischen Programms.“

Der Beauftragte der baden-württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus, Dr. Michael Blume, warnt: „Ein weitreichendes Ereignis wie die COVID-19-Pandemie erzeugt Deutungsbedarf. Ich beobachte derzeit, dass sich viele Menschen an krude Verschwörungsmythen klammern, um die Krise zu deuten.“

Das Lagebild verdeutlicht, dass Antisemitismus auch abseits der Pandemie eine starke Verbreitung in Baden-Württemberg findet. Eine Umfrage unter jüdischen Jugendlichen zeigt, dass ein Großteil bereits im eigenen Umfeld antisemitische Witze erlebt hat. Viele Jüdinnen und Juden verschweigen ihre jüdische Identität in bestimmten Situationen. Der Vorsitzende der Israelitischen Religionsgemeinschaft Baden, Rami Suliman, betont: „Das Internet hat den Antisemitismus deutlich sichtbarer gemacht. Antisemit*innen waren nie weg. Sie waren immer da.“

Der schuldabwehrende Antisemitismus, der vom „Schuldkult“ spricht und einen Schlussstrich unter die deutsche Erinnerungskultur fordert, findet in Baden-Württemberg eine konstant hohe Verbreitung. Nur jede fünfte Person lehnt die Aussage „Wir sollten uns lieber gegenwärtigen Problemen widmen als Ereignissen, die mehr als 70 Jahre vergangen sind“ entschieden ab.

Das Lagebild ist das Ergebnis landesweiter Fachgespräche, die die Amadeu Antonio Stiftung im vergangenen Jahr unter Schirmherrschaft des Beauftragten der baden-württembergischen Landesregierung gegen Antisemitismus, Dr. Michael Blume, und in Kooperation mit der Israelitischen Gemeinde Freiburg durchführte.

Das „Zivilgesellschaftliche Lagebild Antisemitismus Baden-Württemberg“ finden Sie unter www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/zivilgesellschaftliches-lagebild-antisemitismus-baden-wuerttemberg, die Lagebilder zum Antisemitismus in Rheinland-Pfalz und Sachsen, die ebenfalls heute veröffentlicht wurden, sind als PDF-Datei unter www.amadeu-antonio-stiftung.de/publikationen/ abrufbar. Um die Lagebilder als Print-Ausgaben zu erhalten, schreiben Sie bitte eine Mail an: aktionswochen@amadeu-antonio-stiftung.de

Die „Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus“ der Amadeu Antonio Stiftung finden in Kooperation mit dem Anne Frank Zentrum statt. Das vorliegende Lagebild wurde durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“ gefördert.

Kontakt für Rückfragen:
Viola Schmidt, Pressereferentin der Amadeu Antonio Stiftung
030/240 886 16 | viola.schmidt@amadeu-antonio-stiftung.de

Über die Amadeu Antonio Stiftung:
Seit ihrer Gründung 1998 ist es das Ziel der Amadeu Antonio Stiftung, eine demokratische Zivilgesellschaft zu stärken, die sich konsequent gegen Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus wendet. Die gemeinnützige Stiftung steht unter der Schirmherrschaft von Wolfgang Thierse.

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