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Pressemitteilung „Vom Kampf gegen Mafien für den Kampf gegen Rechtsextreme lernen“

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Pressemitteilung: Inland / Rechtsextremismus / Mafia

Vom Kampf gegen Mafien für den Kampf gegen Rechtsextreme lernen
Zivilgesellschaftliche Initiativen fordern Einführung eines juristischen Systems nach italienischem Vorbild bei der geplanten Reform der Vermögensabschöpfung

Berlin, 10. November. Die Amadeu Antonio Stiftung, Echolot e.V. und weitere Organisationen fordern die Bereitstellung beschlagnahmter Immobilien für lokale demokratische Initiativen vor Ort. Denn: in Italien hat sich die zivilgesellschaftliche Umnutzung von beschlagnahmten Mafia-Immobilien als nützliches Instrument der Prävention und Bekämpfung organisierter Kriminalität bewährt. Denn egal, ob Mafiosi, Rechtsextreme oder Motorcycle-Clubs, meist wird mit Einschüchterung und Gewalt der öffentliche Raum dominiert. Dabei entstehende Angsträume bieten multi-kriminellen Netzwerken die Möglichkeit, weitestgehend unbehelligt ihren ökonomischen Interessen nachzugehen. Die Rolle von Immobilien kann dabei entscheidend sein – auch um Angsträume zu durchbrechen, indem Nachbarschaft, Initiativen und Vereine dieser Raum zurückgegeben wird.

Im Projekt „Creating Public Spaces“ wurde eine Stellungnahme erarbeitet, die darauf abzielt, die juristischen Rahmenbedingungen soweit zu erweitern, dass die zivilgesellschaftliche Nutzung beschlagnahmter Immobilien zur Routine wird. Die Stellungnahme bezieht sich auf den aktuellen Gesetzesentwurf des Deutschen Bundestages (BT Drucksache 18/9525) und fordert die Einführung eines juristischen Systems nach italienischem Vorbild bei der geplanten Reform der Vermögensabschöpfung.

Anetta Kahane, Vorsitzende der Amadeu Antonio Stiftung:

Die Erfahrung von Gewalt und Übergriffen ist auch eine räumliche – die Angst davor wird mit Orten in Verbindung gebracht, die gemieden werden, sofern es möglich ist. Die erlebte Bedrohung kann für Betroffene schwerwiegende Folgen im Alltag haben – insbesondere wenn sich damit abgefunden wird, dass beispielsweise Neonazis in bestimmten Straßen das Sagen haben. Bedroht sind dort alle, die dem rassistischen Menschenbild nicht entsprechen. So sind Geflüchtete, die nicht wählen können, wo sie wohnen, dieser Gefahr schutzlos ausgeliefert.

Publizist Jürgen Roth weist mit Blick auf die Zunahme von Gewalt gegen Minderheiten in Deutschland auf dahinterliegende organisierte Netzwerke hin:

In zunehmendem Umfang sind rechtspopulistische Parteien in Europa, wie in Deutschland, mit mafiösen Strukturen verbunden. So ist der türkische Mafiapate Sedat Peker sowohl mit Abgeordneten der türkischen AKP wie mit der Rockerorganisation Osmanen Germania verbunden, die mit ihren 2500 Mitgliedern allein in Deutschland über ein hohes Gewaltpotential verfügen. Oder der ungarische Ministerpräsident Orbán, der in den neunziger Jahren finanzielle Hilfe vom russischen Mafiaboss Semion Mogilevich erhielt, der auch in Deutschland aktiv war.

Er verwies dazu auf das Beispiel der sog. „Schwarzen Schar“ in Wismar und auf die vom MDR kürzlich recherchierten möglichen Waffenlieferungen der ‚Ndrangheta an rechtsextreme Kreise oder gar den NSU in Thüringen.

Benno Plassmann, Vorsitzender des Echolot e.V., drängt darauf von der harten Arbeit gegen die Mafien in Italien zu lernen:

Nur eine starke Zivilgesellschaft kann kriminelle und menschenfeindliche Bewegungen in der Gesellschaft wirklich zurückdrängen. In Italien hilft dabei ein System der Umnutzung beschlagnahmter krimineller Immobilien – warum soll es das nicht auch in Deutschland geben?

Der Vorsitzende des Anti-‚Ndrangheta Ausschusses im Landtag von Kalabrien, Consigliere Arturo Bova, empfahl aus eigener Erfahrung dieses wichtige Instrument.

Strukturen krimineller Organisationen müssen bekämpft werden, am besten durch die gleichzeitige Stärkung der Zivilgesellschaft und der Umnutzung beschlagnahmter Immobilien. Wir sehen vielerorts in Kalabrien, wie dadurch Angsträume zurückgedrängt werden.

Konferenz 10. – 11. November

Vom 10.11. bis 11.11.2016 findet in der Amadeu Antonio Stiftung und der Humboldt-Universität zu Berlin die Abschlusskonferenz des EU-geförderten Projekts Creating Public Spaces – Öffentliche Räume für demokratische Kultur schaffen! statt. Am Donnerstag, 10. November, werden die positiven Erfahrungen aus Italien und die Frage, wie sich diese auf andere Länder übertragen ließen in drei Workshops zur Diskussion gestellt. Am Freitag, den 11. November, folgt die große Abschlusskonferenz im Auditorium Maximum der Humboldt Universität Berlin, Unter den Linden 6, auf der sowohl die Ergebnisse der Workshops, als auch die Ergebnisse des gesamten Projekts präsentiert und gemeinsam mit zivilgesellschaftlichen Akteur_innen und Politiker_innen aus Deutschland und Italien diskutiert werden.

Anhörung zum Gesetzesentwurf

Die offizielle Anhörung zum Gesetzentwurf zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung des Deutschen Bundestags (BT Drucksache 18/9525) findet am 23.11.2016 statt. Prof. Dr. Martin Heger vom Lehrstuhl für Strafrecht, Strafprozessrecht, Europäisches Strafrecht und Neuere Rechtsgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin, der auch als Partner am Projekt Creating Public Spaces beteiligt ist, wurde für diese Anhörung als Sachverständiger nominiert.

Creating Public Spaces

Die Stellungnahme wurde maßgeblich im Rahmen des EU-geförderten Projekt Creating Public Spaces – best practice in the re-use of confiscated property entwickelt – ein Projekt der Landesregierung Kalabrien, des Vereins Antigone – Osservatorio sulla ’ndrangheta (Reggio Calabria), des Echolot – Projekte für Zivilgesellschaft, gegen Mafien e.V. (Berlin), der Amadeu Antonio Stiftung (Berlin), sowie den assoziierten Projektpartnern Humboldt Universität zu Berlin (Lehrstuhl Prof. Martin Heger) und der Universität Roma Tre „La Sapienza“.

Für Rückfragen und Interviewanfragen: Benno Plassmann | b.plassmann(at)echolot-verein.de | www.creatingpublicspaces.de

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