Weiter zum Inhalt

RIAS-Meldestelle zieht Bilanz: 100 antisemitische Vorfälle in Niedersachsen im Jahr 2022

|

Insgesamt 100 antisemitische Vorfälle dokumentierte die Recherche- und Informationsstelle (RIAS) Niedersachsen im Jahr 2022. Zu den Vorfällen gehören u.a. Angriffe, Bedrohungen und Sachbeschädigungen. Die Qualität der Schwere antisemitischer Vorfälle in Niedersachsen blieb hoch. Erstmalig wurden der Meldestelle zwei Vorfälle der extremen Gewalt bekannt (einer davon ist nicht öffentlich). Als solche gelten physische Angriffe oder Anschläge, die den Verlust von Menschenleben zur Folge haben können oder schwere Körperverletzungen darstellen. Auf einer Versammlung wurde ein schwerbehinderter Teilnehmer eines Gegenprotests angegriffen, der eine israelische Fahne hielt. Der Mann wurde zu Boden gedrängt und verlor das Bewusstsein.

Insgesamt wurden weniger Vorfälle als im Jahr 2021 (138 Vorfälle inklusive Nachmeldungen) erfasst. Dies bedeutet nicht, dass der Antisemitismus in Niedersachsen entsprechend abnahm. Es gab weniger öffentliche Versammlungen in Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen oder antiisraelischem Aktivismus. Die für das Jahr 2021 noch prägenden antisemitischen Gelegenheitsstrukturen, die Covid-19-Pandemie sowie die Eskalation im israelisch-palästinensischen Konflikt, übten im Folgejahr weniger Einfluss aus. 2022 wurden in Niedersachsen nur noch 32 Vorfälle erfasst, die einen Bezug zur Pandemie aufwiesen (2021: 43). Ebenso blieb 2022 eine breite Mobilisierung zu antiisraelischen Protesten aus, im Zuge derer im Frühjahr 2021 noch 21 Vorfälle dokumentiert wurden.
Insgesamt wurden für das Jahr 2022 allerdings landesweit mehr Versammlungen als antisemitischer Vorfall erfasst als im Vorjahr (32 im Jahr 2021, 35 im Jahr 2022).

Die Erscheinungsformen Post-Schoa-Antisemitismus (35 %), moderner Antisemitismus (35 %) sowie antisemitisches Othering (34 %) kamen bei den Vorfällen am häufigsten vor, wobei ein Vorfall mehreren Erscheinungsformen zugeordnet werden kann. Dabei sanken gegenüber dem Vorjahr insbesondere die Fälle mit einem Bezug zum Post-Schoa Antisemitismus (2021: 50 %), während Fälle mit einem Bezug zu modernem Antisemitismus anstiegen (2021: 12 %). Ebenfalls abgenommen haben 2022 Fälle, in denen Motive des israelbezogenen Antisemitismus (14 %) vertreten waren (2021: 29 %).Der Anteil der Vorfälle, die keinem politisch-weltanschaulichem Hintergrund zugerechnet werden könnten, stellten 2022 wieder die größte Gruppe dar. Ihr Anteil erhöhte sich auf 69 %, 2021 waren es 54 %. Der Anteil der Kategorie Rechtsextremismus/Rechtspopulismus lag bei 17 % (2021: 24 %).

Der Jahresbericht wirft einen Blick nicht nur auf die Zahlen und Schwere, sondern vor allem auf Erscheinungsformen und weltanschauliche Hintergründe antisemitischer Vorfälle. Die RIAS Niedersachsen bekannt gewordenen Vorfälle können jedoch nur einen Teil der Wirklichkeit abbilden. Es ist von einem großen Dunkelfeld antisemitischer Vorfälle auszugehen.

„Das Spektrum des Judenhasses ist groß“, so Katarzyna Miszkiel-Deppe, Projektleiterin der Dokumentationsstelle RIAS Niedersachsen: „Antisemitismus kann Jüdinnen und Juden in allen gesellschaftlichen Schichten und an fast allen öffentlichen (und nicht öffentlichen) Orten begegnen. Das zeigt der Blick auf die Orte der von RIAS erfassten Vorfällen. Er betrifft auch diejenigen, die ihn mitbekommen und unwidersprochen stehen lassen; denn er schränkt die bürgerliche Freiheit ein und gefährdet die Demokratie“.

Der Bericht zeigt: Antisemitismus ist auch in Niedersachsen wandlungsfähig, wodurch er Anschluss in alltäglichen Debatten findet, und den Alltag von Jüdinnen und Juden prägt.

Den gesamten Bericht finden Sie hier: www.rias-niedersachsen.de

Mitmachen stärkt Demokratie

Engagieren Sie sich mit einer Spende oder Zustiftung!

Neben einer Menge Mut und langem Atem brauchen die Aktiven eine verlässliche Finanzierung ihrer Projekte. Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Arbeit der Stiftung für Demokratie und Gleichwertigkeit.