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Kommentar

Straßensozialarbeit ist nicht der verlängerte Arm der Polizei

Kommentar von Rosa Fava, Leiterin der ju:an-Praxisstelle antisemitismus- und rassismuskritische Jugendarbeit Berlin

Die Polizei in Stuttgart möchte wissen, ob Jugendliche, die verdächtigt werden, sich an der „Stuttgarter Krawallnacht“ bzw. an Straftaten beteiligt zu haben, Eltern aus dem Ausland haben. Auch die Junge Union Stuttgart befürwortet die Recherche der Herkunft der Eltern oder Großeltern, weil man „gezielter in die Präventionsarbeit gehen muss mit allerlei Maßnahmen im Bereich der Straßensozialarbeit“.

Sozialarbeit funktioniert aber nicht wie ein Automat, in den man die Herkunftsländer von Eltern eingibt und passgerechte Maßnahmen ausgedruckt bekommt. In der Jugendarbeit, auch der Straßensozialarbeit, geht es darum, junge Menschen ganz individuell anzusprechen und mit ihnen zusammen an ihren konkreten Anliegen zu arbeiten. Ob bei jugendlichen Deutschen die Herkunft der Eltern eine Rolle spielt für ein konkretes Problem, das sie mit Sozialarbeiter*innen besprechen wollen, lässt sich nicht vorab bestimmen.

In der aktuellen Debatte geht es der Stuttgarter Polizei um eine Gruppe von mehreren hundert Verdächtigen – also Personen, denen noch gar keine Tatbeteiligung nachgewiesen wurde. Wenn einzelne Jugendliche vor Gericht gestellt werden, können die konkreten familiären Hintergründe natürlich eine Rolle spielen, als ein Element ihrer Lebensumstände und Motivationslage. Es ist aber nicht Aufgabe der Polizei, dies pauschal für alle Verdächtigten vorab zu recherchieren.

So erinnert das Vorgehen in Stuttgart an rassistische Kriminalitätstheorien aus dem 19. und 20. Jahrhundert: Kriminalität wurde mit Erbanlagen erklärt, die man  als von „Fremdrassigen“ in den „deutschen Volkskörper“ eingeschleppt verstand. Der sogenannte Migrationshintergrund ist im öffentlichen Diskurs nur ein Marker für „keine Deutschen“, trotz deutschem Pass. Jugendsozialarbeit, um dies in Erinnerung zu rufen, ist nicht der verlängerte Arm der Polizei. Hier haben in den letzten Jahren unter dem Label der „Prävention“, der Gewalt-, Extremismus- oder eben auch Kriminalitätsprävention, problematische Verschiebungen stattgefunden. Denn in der Sozialen Arbeit stehen zu allererst Menschen in prekären Lebenslagen im Mittelpunkt.

 

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