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Abdurrahim Özüdoğru

, 49 Jahre (staatlich anerkannt)

Der 49-jährige Abdurrahim Özüdoğru wurde am 13. Juni 2001 vom sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) in Nürnberg ermordet.

Abdurrahim Özüdoğru war Betreiber einer Änderungsschneiderei, in der er an seinem Todestag arbeitete. Wahrscheinlich gegen 16:30 Uhr kamen zwei Mitglieder des „NSU“ in das Geschäft – und ermordeten ihn sofort mit zwei Kopfschüssen. Nach dieser Hinrichtung fotografierten die Täter das Mordopfer. Gegen 21:30 Uhr fanden Passanten die Leiche von Abdurrahim Özüdoğru.

Ein „lebensfroher, fleißiger, offener Mensch“

Abdurrahim Özüdoğru wurde 1952 in der türkischen Stadt Yenişehir geboren. Wegen seinen sehr guten Leistungen in der Schule bekam er ein Stipendium für ein Studium in Deutschland – 1972 begann er in Erlangen Maschinenbau zu studieren. Im Studium fand er schnell viele Freund:innen. Dort lernte er auch seine zukünftige Frau kennen, die er 1980 heiratete. Wenig später bekamen sie eine Tochter.

Nachdem Abdurrahim Özüdoğru sein Studium beendet hatte, arbeitete er 25 Jahre als Metallfacharbeiter bei einer Firma in Nürnberg. Nebenbei baute er gemeinsam mit seiner Frau die Änderungsschneiderei in der Gyulaer Straße in Nürnberg auf. Als sich das Paar trennte, führte Abdurrahim Özüdoğru das Geschäft alleine weiter.

Seine Tochter erinnert sich, Abdurrahim Özüdoğru sei ein „lebensfroher, fleißiger, offener Mensch [gewesen]. Er hatte keine Feinde. Er hatte mit niemandem Streit“.

Ermittlungsbehörden versagen bei der Aufklärung der „NSU“-Morde

Wie auch bei den anderen Morden des „NSU“ an Menschen mit einer Migrationsgeschichte, ermittelte die Polizei auch bei der Ermordung von Abdurrahim Özüdoğru im direkten Umfeld des Opfers – nicht in rechtsextremen Kreisen. Die Ermittlungsbehörden gingen dem Verdacht nach, Abdurrahim Özüdoğru wäre wegen Verbindungen in die organisierte Kriminalität und den Drogenhandel ermordet wurden. Die Polizei durchsuchte die Wohnung des Opfers ergebnislos mit Drogenspürhunden und machte abwertende Vermerke in den Ermittlungsakten. Selbst im „NSU“-Prozess viele Jahre später sprach ein als Zeuge geladener Ermittlungsbeamter noch in abwertender Weise über das Mordopfer.

Im Jahr 2011 kam es zur Selbstenttarnung des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“. Die beiden Täter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wurden im November 2011 gemeinsam mit einer Tatwaffe tot in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden. Beate Zschäpe, die ebenfalls als Teil des sogenannten Kerntrios der Terrorzelle gilt, verschickte daraufhin Videos, in denen sich der „NSU“ zu den Morden an insgesamt 10 Menschen bekannte. In diesem Video taucht auch das Foto der Leiche von Abdurrahim Özüdoğru auf.

Dieses Ereignis offenbarte das jahrelange Versagen der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden, die die Angehörigen schikanierten, statt in Richtung rechtsextremer Tatmotive zu ermitteln, und die etliche Hinweise auf die Terrorzelle missachteten.

Am 08. November 2012 erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer des sogenannten „NSU“. Am 11. Juli 2018 verhängte das Oberlandesgericht München eine lebenslange Haftstrafe für Beate Zschäpe. Die „Helfer“ wurden zu Haftstrafen von zwei, zweieinhalb, drei und zehn Jahren verurteilt.

Der Prozess lässt viele Fragen offen – beispielsweise nach dem rechtsextremen Unterstützungsnetzwerk der Terrorzelle oder danach, welche Informationen Sicherheitsbehörden wie der Verfassungsschutz über die Terrorzelle hatten.

Zivilgesellschaftliche Initiativen halten die Erinnerung die Opfer des „NSU“ wach

Angehörige und zivilgesellschaftliche Initiativen streiten seit Jahren für eine umfassende Aufklärung der Morde des „NSU“ und für die Etablierung einer würdigen Erinnerungskultur.

Heute erinnert eine Gedenktafel am Tatort an Abdurrahim Özüdoğru. Regelmäßig finden Gedenkveranstaltungen in Nürnberg und anderen Städten statt.

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