Der 21-jährige Alexander Selchow wurde in der Silvesternacht auf den 01.01.1991 von zwei Neonazis in Rosdorf (Niedersachsen) erstochen. Die Neonazis attackierten ihn, weil sie politisch Andersdenkende mit Gewalt einschüchtern wollten.
„Einen Freund wie Alex würde sich jeder wünschen“
Alexander Selchow ist in Rosdorf, einer Gemeinde im Landkreis Göttingen aufgewachsen. Nach seinem Abitur an der Christoph-Lichtenberg-Gesamtschule machte er seinen Wehrdienst in Göttingen. Er war, wie ein Freund ihn beschreibt, ein „Gruffti“. Als solcher trug er am liebsten schwarz. Er bewegte sich in linken, antifaschistischen Kreisen. Seine Clique geriet damals häufiger in Auseinandersetzungen mit Neonazis. Alexander Selchow versuchte jedoch stets, den Konflikten aus dem Weg zu gehen. Seine Freund:innen bezeichneten ihn als „gewaltscheu“. „Würde Alex noch leben, wäre er heute auf jeden Fall Familienvater (…) Einen Freund wie Alex würde sich jeder wünschen.“
Die Täter zogen umher, um politisch Andersdenkende anzugreifen
In der Tatnacht war Alexander Selchow gemeinsam mit einem Freund auf dem Weg von einer Silvesterparty nach Hause. Sie trafen zufällig auf die beiden damals 17-jährigen Neonazis. Die beiden Täter gehörten der rechtsextremen Freiheitlichen Arbeiterpartei FAP an, in jener Nacht sind sie losgezogen, um „herumschwirrende Linke durchzuklopfen“. Die beiden Angreifer sahen in Alexander Selchow einen politisch Linken und griffen ihn unvermittelt an. Alexander Selchows Freund konnte fliehen. Einer der Täter zückte ein Messer und stach fünfmal auf Alexander Selchow ein. Er starb am frühen Morgen am massiven Blutverlust.
Der Mord an Alexander Selchow war der Höhepunkt einer Reihe von Angriffen, die Neonazis zu jener Zeit gegenüber Linken und Menschen mit Migrationsgeschichte verübten.
Anerkennung als rechtsextremer Mord mehrfach verweigert
Die beiden Täter wurden zwei Tage nach dem Mord festgenommen. Das Landgericht Göttingen verurteilte Oliver S., der die tödlichen Messerstiche verübte, am 19.02.1992 zu sechs Jahren Jugendstrafe. Der Mittäter wurde zu lediglich vier Wochen Arrest verurteilt. Damit blieb das Gericht unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Der rechtsextreme Hintergrund der Tat wurde nicht anerkannt.
In den Jahren 2016 und 2019 fragten Abgeordnete im niedersächsischen Landtag, ob die Landesregierung in dem Angriff einen rechtsextremen Mord sieht. Zum Zeitpunkt des Mordes gab es die polizeiliche Statistik für rechte Gewalt noch nicht in der heutigen Form. Trotz des klaren politischen Motivs zog die Landesregierung die damalige Bewertung nicht in Zweifel und verweigerte eine nachträgliche Anerkennung.
Antifaschistische Initiativen fordern seit Jahren eine Umbenennung einer Straße in Göttingen nach Alexander Selchow und die Errichtung eines Gedenksteins. Darüber hinaus organisieren Engagierte regelmäßig Gedenkveranstaltungen.