Weiter zum Inhalt

Alexander W.

, 20

Am Abend des 18. September 2021 wurde der 20-jährige Alexander W. in einer Tankstelle in der rheinland-pfälzischen Kreisstadt Idar-Oberstein kaltblütig erschossen.

Alexander W. arbeitete erst seit einigen Monaten in der Tankstelle. Er wollte sich neben seinem Studium Geld für einen Führerschein dazu verdienen. Der Täter, ein 49-jähriger Mann, besuchte die Tankstelle an jenem Abend um dort Getränke zu kaufen. Alexander W. wies den Kunden auf die damals geltende gesetzliche Maskenpflicht hin, woraufhin dieser die Tankstelle mit einer drohenden Geste verließ. Zwei Stunden später kam der Mann zurück. Dieses Mal trug er eine Maske, die er an der Kasse jedoch demonstrativ absetzte. Alexander W. forderte den Mann erneut auf, eine Maske zu tragen. Der Täter zog daraufhin einen Revolver aus seiner Tasche und erschoss Alexander W. unvermittelt mit einem Schuss in den Kopf. Er starb noch an Ort und Stelle.

Die Polizei begann öffentlich nach dem Täter zu fahnden – der sich daraufhin, einen Tag nach der Tat, stellte. In seinem Wohnhaus wurden die Tatwaffe und weitere Munition sichergestellt. Für den Revolver besaß er keinen Waffenschein.

Täter bewegte sich seit Jahren in rechtsextremen, verschwörungsideologischen Online-Kreisen

Dem zuständigen Oberstaatsanwalt zufolge gab der Täter gegenüber den Ermittlungsbehörden als Motiv an, die Coronapandemie habe ihn „stark belastet“, er habe sich „immer weiter in die Ecke gedrängt gefühlt und für sich keinen weiteren Ausweg mehr gesehen, als ein Zeichen zu setzen“. Alexander W. sah er als „verantwortlich für die Gesamtsituation“ an.

In Chatverläufen äußerte sich der Täter abfällig über Geflüchtete, Greta Thunberg, Aktivist*innen der Fridays-for-Future-Bewegung, den damaligen Gesundheitsminister Jens Spahn, die Bundesregierung und deren Corona-Politik. Er verbreitete per Twitter schon seit Längerem verschwörungsideologische Inhalte und bewegte sich in rechtsextremen Online-Kreisen. Noch im September 2019 schrieb er: „Ich freue mich auf den nächsten Krieg. Ja, das mag sich jetzt destruktiv anhören, aber wir kommen aus dieser Spirale einfach nicht raus“.

Im Zuge der Ermittlungen wurde dem Täter eine “fremdenfeindliche Grundgesinnung nachgewiesen”, die bereits vor Beginn der Corona-Pandemie gefestigt war. Seine Waffenaffinität sowie seine ähnlich gesinnten Kontakte in Coronaleugner-, Impfgegner- sowie Querdenkerkreise radikalisierten ihn weiter. Nach Ansicht des Gerichts waren die rechtsradikale Einstellung des Täters und seine Feindschaft gegen den Staat die Hauptmotive für die Tat. Den Kassierer habe er als Repräsentanten des Staates und die seiner Ansicht nach verfehlte Corona-Politik gesehen. Als Alexander W. auf die Einhaltung der Maskenpflicht bestanden habe, habe der Täter beschlossen, an ihm „ein Exempel zu statuieren“.

Die Verteidiger des Täters plädierten auf Totschlag mit erheblich eingeschränkter Schuldfähigkeit des Angeklagten, der nach Schätzung eines Gutachters rund zwei Promille Alkohol im Blut hatte. Die Richter sahen den Angeklagten als voll schuldfähig an.

Der Täter ist im September 2022 zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Landgericht Bad Kreuznach wertete die Tat als Mord und folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft.

Staatlich anerkannt – jedoch kein Opfer rechter Gewalt

Das LKA Rheinland-Pfalz bewertet den Mord zwar als politisch motivierte Gewalttat, unterscheidet jedoch bei der Einstufung in das Definitionssystem der “Politisch motivierten Kriminalität” zwischen zwischen dem ideologischen Hintergrund des Täters und der “subjektiven Tatmotivation”. Weil sich der Täter im Zuge der Corona-Pandemie verstärkt gegen den Staat und seine Repräsentant*innen richtete, sei “nicht die Identität des Opfers für die Tat ausschlaggebend, sondern sein spezifisches Verhalten” – die Aufforderung zur Einhaltung der Maskenpflicht.

Weil laut LKA “keine Hinweise auf eine rechte Motivation bei der Tatbegehung festgestellt werden” konnten, wurde die Tat in der Kategorie “PMK – nicht zuzuordnen” eingeordnet.

Die Amadeu Antonio Stiftung kritisiert seit Langem, dass die demokratiefeindliche Radikalisierung der Querdenker-Bewegung isoliert vom Rechtsextremismus erfasst und bewertet wird. Es zeigt sich, wie schwer sich Sicherheitsbehörden damit tun, die menschenverachtenden Inhalte klar zu benennen. Hinter den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen stecken im Kern radikale Demokratiefeindschaft und verschiedene Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit. Mit Verschwörungserzählungen und menschenverachtender Rhetorik werden Feindbilder geschürt und zu Gewalt als Lösung und notwendiger Konsequenz angestiftet. Der Phänomenbereich „nicht zuzuordnen“ entpolitisiert rechte Straftaten und unterschlägt ihren rechtsextremen und gewaltbereiten Kern und klammert die Radikalisierung des Milieus aus dem Rechtsextremismus aus.

 

Mitmachen stärkt Demokratie

Engagieren Sie sich mit einer Spende oder Zustiftung!

Neben einer Menge Mut und langem Atem brauchen die Aktiven eine verlässliche Finanzierung ihrer Projekte. Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Arbeit der Stiftung für Demokratie und Gleichwertigkeit.