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Bakary Singateh alias Kolong Jamba

, 19 Jahre

Der 19-jährige Gambier Bakary Singateh, der sich selbst Kolong Jamba nannte, wird am 7. Dezember 1993 im Eilzug von Hamburg nach Bremen kurz vor dem Erreichen des Bahnhofs Buchholz (Niedersachsen) erstochen. Der 54-jährige Täter stößt Singateh ein zwölf Zentimeter langes Messer in den Bauch, weil er sich durch den Asylbewerber gestört fühlt.

Der Zug in Richtung Bremen ist überfüllt, in der 2. Klasse finden nicht alle Fahrgäste einen Sitzplatz. In einem Sechs-Personen-Abteil in der 1. Klasse sitzt der spätere Täter zunächst allein, bis der betrunkene Bakary Singateh dort ebenfalls Platz nimmt. Als ein Schaffner kommt, kauft Singateh ein Ticket für die 2. Klasse und verlässt das Abteil. Nachdem sich der Schaffner entfernt hat, kehrt Singateh zurück. Der Täter öffnet daraufhin das Zugfenster, das Bakary Singateh wieder schließt. Es entbrennt ein Streit um das Fenster, der 54-jährige Mann zeigt sein beidseitig geschärftes Messer, um seiner Forderung Nachdruck zu verleihen. Singateh hebt die Fäuste, sein Mörder sticht unvermittelt und mehrfach mit dem Messer zu. Schon die erste Wunde ist tödlich. Bakary Singateh verliert eine große Menge Blut und stirbt wenige Stunden später im Krankenhaus Buchholz. Als der Täter später festgenommen wird, wirkt er auf die Polizisten, „als sei er von dem Geschehen unberührt“.

In einem ersten Urteil sprachen die Richter den Täter 1995 mit der Begründung frei, Singateh habe den Ingenieur angegriffen, der tödliche Messerstich sei deshalb „durch Notwehr gerechtfertigt“. Sie billigten dem 54-Jährigen Ingenieur außerdem zu, er habe aktiv sein Revier in der 1. Klasse verteidigt. Sambu Singateh, ein in Deutschland lebender Bruder von Bakary Singateh, kommentierte den Freispruch mit den Worten: „Wenn man in diesem Land einen Hund tötet, kommt man ins Gefängnis. Wenn man einen Menschen tötet, nicht.“ Die Kollegen des Täters sammelten Geld für einen Anwalt, um eine Wiederaufnahme des Verfahrens zu erreichen. „Nicht wegen der Person.“, sondern weil sie den Freispruch nicht begreifen konnten und ihr Glaube an den Rechtsstaat erschüttert war. Die skandalöse richterliche Entscheidung wird im März 1997 durch das Landgericht Stade revidiert, das den Täter zu zwei Jahren Haft auf Bewährung wegen „Totschlags in einem minderschweren Fall“ verurteilt, weil das Opfer ein erhebliches Mitverschulden treffe. Ein Gutachten attestiert dem Täter zudem eine Persönlichkeitsstörung mit zwanghaften und schizoiden Anteilen. Das Gericht befindet, dass der Verurteilte „in seiner Steuerungsfähigkeit zumindest beeinträchtigt gewesen“ sei.

Die Richter schließen ein ausländerfeindliches Motiv aus, obwohl Kollegen bestätigen, dass der Täter Schwarze Menschen mehrmals als „Teerpappe“ und „Bimbos“ bezeichnet hat. Der 54-Jährige ist Sportschütze und Jäger, das Messer habe er sich zugelegt, um sich „vor derartigen Leuten zu verteidigen“. Bis heute ist Bakary Singateh nicht staatlich als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt. Laut Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Abgeordneten Julia Willie Hamburg schließt das Niedersächsische Innenministerium eine Neubewertung aus, wegen der Persönlichkeitsstörung des Täters und dem vorangegangenen Streit um das Zugfenster aus. 30 Jahre nach dem Mord an Bakary Singateh setzt sich der Wohn- und Ferienheim Heideruh e.V. für die Umbenennung des Buchholzer Bahnhofsvorplatzes in Kolong-Jamba-Platz ein, was derzeit im Stadtrat verhandelt wird. Der Wohn- und Ferienheim Heideruh e.V. erinnert anlässlich des 30. Todestags mit zahlreichen Veranstaltungen an Bakary Singateh alias Kolong Jamba:

https://www.heideruh.de/erinnerungswochen-zum-30-todestag-von-kolong-jamba/

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