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Bernd Köhler

, 55 Jahre (staatlich anerkannt)

In der Nacht zum 22. Juli 2008 wurde der 55-jährige Bernd Köhler in Templin (Brandenburg) von zwei Neonazis zu Tode geprügelt.

Ein bewegtes Leben

Bernd Köhler wurde am 27. Juli 1952 als jüngstes von acht Geschwistern in Templin geboren. Er gilt als Liebling der Mutter und Geschwister. Seinen Spitznamen „Stippi“ trägt er auch noch als Erwachsener. Musik hat schon früh eine große Bedeutung in seinem Leben. So spielt er als Jugendlicher als Gitarrist in einer Band namens „Neandertaler“, die in den benachbarten Dörfern spielt.

Nachdem die Band dafür kritisiert wird, mehr als die von der DDR-Obrigkeit erlaubten 40 Prozent Westmusik zu spielen, hören sie schließlich auf zu spielen. Die Musik spielt jedoch weiterhin eine wichtige Rolle in seinem Leben. Seine Schwester Waltraud Krüger beschreibt ihn als einen liebenswerten und freundlichen Menschen, der auch später noch oft die Gitarre herausholte.

Nachdem Bernd Köhler eine Ausbildung beim Volkseigenen (VE) Meliorationskombinat Schwichtenberg bei Neubrandenburg absolviert hat, arbeitet er bis 1986 in der Melioration. Er macht Boden nutzbar, kümmert sich um Be- und Entwässerung.

In seiner Freizeit ist er gerne draußen unterwegs, geht gerne in den Wald und fährt ab und zu zum Zelten. Mit seinen Kumpels fährt er zu Festen, in die Disko oder besucht Hochzeiten. Neben der Musik begeistert er sich für das Tischtennisspiel. Von 1980 bis 1986 spielt er bei „Einheit Templin“ und trainiert junge Spieler. Mit 42 Jahren heiratet er und wird 1992 und 1993 Vater von zwei Töchtern.

Nachdem er von 1987 bis 1991 als Kraftfahrer in einem Getränkekombinat arbeitet, gibt es dort bald keine weitere Arbeit mehr. Er schlägt sich ohne feste Anstellungen durch, bis es schließlich ab 2000 hoffnungslos wird. Er beginnt, sich zunehmend in die ehemalige Böttcherwerkstatt seines Vaters zurückzuziehen und dort gemeinsam mit anderen Alkohol zu trinken.

Beschimpfungen und brutale Gewalt gegen das Opfer

Am Abend der Tat trinkt Bernd Köhler mit dem Täter Christian W. (21) in der Wohnung eines gemeinsamen Bekannten. Die beiden kennen sich flüchtig und trinken öfter zusammen.  Christian W., der der Neonazi-Szene zuzuordnen ist, trägt an diesem Abend ein Rudolf Heß T-Shirt. Die Stimmung ist zunächst friedlich. Nachdem Christian W. Bernd Köhler bittet, ihm ein Fahrrad zu schenken und Bernd Köhler dies zusagt, machen sie sich gemeinsam mit einem weiteren Bekannten auf den Weg in die ehemalige Böttcherwerkstatt von Bernd Köhler, um das Fahrrad zu holen. Das Fahrrad lassen sie schließlich doch erst einmal stehen, da nicht genügend Luft im Reifen ist.

Im weiteren Verlauf des Abends lädt der Täter Bernd Köhler zu sich nach Hause ein. Auf dem Weg dorthin treffen sie auf den Neonazi Sven P. (18). Dieser ist bereits in einer aggressiven Stimmung und ruft lauthals „Sieg Heil“. Als Bernd Köhler gehen will, bedrohen und beschimpfen ihn die beiden Neonazis als „Assi“ und „Drecksau“. Bernd Köhler versucht, sich vor den aggressiven Tätern in Sicherheit zu bringen und sich hinter einer Fichte zu verstecken. Nachdem die beiden Neonazis ihn finden, schlagen sie auf ihn ein und drängen ihn, gemeinsam mit ihnen zu Köhlers Werkstatt zu gehen, um ihnen das Fahrrad zu übergeben. Als sie in der Werkstatt ankommen, ist Bernd Köhler sehr erschöpft. Nachdem er sich auf den Boden setzt, fallen ihm sofort die Augen zu. Die beiden Angreifer treten und schlagen daraufhin auf den wehrlos am Boden liegenden 55-Jährigen ein. Bernd Köhler schreit vor Schmerzen, doch die Täter lassen nicht von ihm ab und quälen ihn über einen langen Zeitraum.

Als er bereits schwer verletzt am Boden liegt, nimmt Sven P. eine abgebrochene Bierflasche und will Bernd Köhler damit in den Hals stechen. Christian W. fordert Sven P. auf, aufzuhören und mit ihm abzuhauen. Die beiden verlassen zunächst die Werkstatt und lassen Bernd Köhler hilflos am Boden liegen. Nachdem die beiden Täter am Marktplatz weiter Bier getrunken haben, kehren sie kurze Zeit später zurück in die Werkstatt, um das Fahrrad zu holen. Bernd Köhler ist zu diesem Zeitpunkt bereits an den Folgen der schweren Körperverletzung verstorben. Die Täter werfen Abfall auf die Leiche, versuchen sie anzuzünden und flüchten schließlich mit dem Fahrrad.

Menschenverachtende Gewalt aus sozialdarwinistischen Motiven

Die Täter töteten Bernd Köhler aus einer Verachtung aufgrund seiner sozialen und gesundheitlichen Situation. Laut dem Landgericht Neuruppin wählten sie ihn als Opfer aus, da sie ihn als „asozial“ eingestuft hätten. Das Gericht verurteilte Sven P. im Mai 2009 zu zehn Jahren Jugendhaft wegen Mordes, Christian W. erhielt wegen Beihilfe zum Mord durch Unterlassen neun Jahre und drei Monate Haft. Der Vorsitzende Richter sagte bei der Urteilsverkündung: „Bei der Wahl des Opfers spielte dessen soziale Stellung als arbeitsloser Alkoholiker, sowie das neonazistische Menschenbild der Angeklagten eine große Rolle.“

Zudem stellte die Strafkammer fest, dass den beiden Angeklagten jedes Mitgefühl fehlte. Im Juli 2010 reduzierte das Landgericht die Haft für Sven P. auf neun Jahre, nachdem der Bundesgerichtshof das Strafmaß beanstandet hatte. Die Richter*innen waren der Ansicht, das Neuruppiner Gericht habe den Tatbeitrag von Christian W. zu gering gewertet. 2015 wurde der damals 25-jährige Sven P. frühzeitig aus der Haft entlassen. Waltraud Krüger, die Schwester des Opfers, äußerte ihr Entsetzen darüber, dass einer der Mörder ihres Bruders nun frühzeitig wieder auf freiem Fuß sei, sich jedoch nicht bei den Angehörigen von Bernd Köhler entschuldigt habe.

Öffentliches Gedenken an Bernd Köhler

Drei Jahre nach dem Mord organisierte die Stadt Templin erstmals am Todestag von Bernd Köhler eine Gedenkveranstaltung an seinem Grab, an der auch Familienangehörige teilnahmen. In den Jahren zuvor hatten vor allem Angehörige, engagierte Jugendliche aus Templin und Kirchenverter*innen durch unterschiedliche Veranstaltungen an den Mord erinnert. 2018 – zehn Jahre nach der Tat, fand die letzte Gedenkfeier statt. Angehörige hatten zuvor den Wunsch geäußert, zukünftig im Stillen zu gedenken.

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