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Blanka Zmigrod (Verdachtsfall)

, 68 Jahre

Am 23. Februar 1992 wurde die 68-Jährige Jüdin und Schoa-Überlebende Blanka Zmigrod von dem schwedischen Rechtsterroristen John Ausonius aus nächster Nähe mit einer Pistole erschossen. Einige Tage vor der schrecklichen Tat war Ausonius zu Gast in einem Restaurant im Frankfurter Westend, in dem Zmigrod an der Garderobe arbeitete. Er beschuldigte das spätere Opfer seinen Casio-Taschencomputer gestohlen zu haben, führte hierüber eine verbale Auseinandersetzung mit Zmigrod und drohte ihr. Der Casio-Rechner enthielt Daten zu verschiedenen Bankkonten und falschen Identitäten, wie die Staatsanwaltschaft später herausfand. Am besagten Abend suchte der Täter Zmigrod mit einem Fahrrad in unmittelbarer Nähe zu ihrem Wohnhaus in Frankfurt am Main auf. Er töte das Opfer mit einem Kopfschuss, nahm ihre Handtasche und flüchtete.

Blanka Zmigrod lebte mit ihrer Familie bis zur Machtergreifung der Nazis in Oberschlesien. Als junges Mädchen hat sie mehrere Konzentrationslager der Nazis überlebt, nach Kriegsende wanderte sie nach Israel aus. Bereits 1960 kehrte Zmigrod nach Deutschland zurück, wo sie fortan in Frankfurt lebte. Um wieder mehr unter Menschen zu sein, arbeitete sie seit 1991 im besagten Restaurant Mövenpick. Ihre Kolleg*innen beschreiben sie als zuverlässige Person und beliebte Kollegin.

In Schweden gesuchter Rechtsterrorist

Vor dem Mord in Frankfurt hatte der Täter John Ausonius eine rassistisch motivierte Anschlagsserie in Schweden verübt: zwischen August 1991 und Januar 1992 schoss er auf insgesamt elf Migrant*innen und ermordete einen von ihnen. Da er bei seinen Taten ein Laserobjektiv verwendete, nannten schwedische Medien ihn „Lasermann“. Ausonius war flüchtig, bis er nach dem Mord an Zmigrod in Schweden verhaftet und im Januar 1994 wegen der Anschlagsserie und einer Reihe von Banküberfällen zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.

Ausonius war bereits bei den ersten Ermittlungen im Mordfall Blanka Zmigrod im Visier der deutschen Behörden. Seine Auslieferung nach Deutschland erfolgte jedoch erst im Jahr 2016, eine Anklage wegen Mordes durch die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main wurde erst im Mai 2017 erhoben. Warum es nicht bereits früher intensivere Bemühungen gegeben hatte, Ausonius wegen Mordes anzuklagen, bleibt ungeklärt und wurde auch in der Urteilsbegründung kritisiert.

Verurteilung 26 Jahre nach der Tat

Im deutschen Prozess wurde das Tatmotiv seitens der Richterin und Staatsanwaltschaft im verschwundenen Casio-Rechner vermutet, einen rassistischen oder antisemitischen Hintergrund hielten sie für weniger wahrscheinlich. Ob der Täter die jüdische Identität des Opfers erkannt haben könnte, bspw. an Zmigrods KZ-Tätowierung, konnte nie geklärt werden. Eine politische Bewertung wurde im Prozess kaum vorgenommen, auch die Wirkung der Tat kam nicht zu Sprache.

Am 21. Februar 2018 wurde John Ausonius schließlich zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt – fast auf den Tag genau 26 Jahre nach der Tat.

Vorbild für die militante Neonaziszene

Für seine grausamen Taten wurde Ausonius nach seiner Verhaftung in Schweden von der extremen Rechten verehrt. In den 1990er Jahre kursierten in rechtsextremen Kreisen T-Shirts mit der Aufschrift „Lasermann – ein Lichtblick im Dasein“. Der Rechtsterrorist Anders Breivik nannte Ausonius vor Gericht als Vorbild und in einem Manual des neonazistischen Netzwerks Blood & Honour wurden seine Taten als Beispiel für den sogenannte Führerlosen Widerstand genannt. Darüber hinaus ähneln Ausonius Taten denen des Nationalsozialistischen Untergrund (NSU), weshalb es als möglich erscheint, dass sein Vorgehen als Vorlage für das deutsche Terrornetzwerk diente.

Ob Blanka Zmigrod ermordet wurde, weil sie Jüdin war, oder ob tatsächlich der verlorene Casio-Rechner Auslöser für die Tat war, kann nicht abschließend geklärt werden. Die Tat geschah jedoch im Zusammenhang einer rechtsterroristischen Anschlagsserie und es erscheint durchaus möglich, dass der Täter Zmigrod aus rechtsextremen Motiven ermordet hat. Der Fall wird deshalb als Verdachtsfall geführt.

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