In der Nacht vom 4. auf den 5. April 2012 wurde der damals 22-jährige Burak Bektaş Opfer eines Mordes. Der Täter konnte nie ermittelt werden – die Tatumstände lassen ein rechtsextremes Motiv jedoch als wahrscheinlich erscheinen.
Ein fröhlicher Junge mit einem großen Herzen
Burak Bektaş wurde 1990 in Berlin geboren. Er war das erste Kind der Familie, der Sohn von Melek und Ahmet Bektaş. Seine Eltern sind beide in der Türkei geboren, kamen in den 1980er Jahren nach Deutschland und lernten sich in Berlin kennen. 1992 kam Burak Bektaşs Bruder Fatih zur Welt, 2002 seine Schwester Melike. Burak Bektaş liebte es, seine kleine Schwester im Kinderwagen zu schieben, und hatte eine enge sehr Beziehung zu seinen Geschwistern, er war ein Familienmensch. Seit seiner Geburt lebte er in Berlin-Neukölln, zog jedoch mit der Familie mehrmals innerhalb des Bezirks um. Seine Angehörigen erinnern sich an die glückliche Kindheit Burak Bektaş, daran, dass er ein fröhlicher Junge mit einem großen Herzen war.
Nach der Grundschule ging Burak Bektaş auf eine Gesamtschule in der Rütlistraße in Berlin-Neukölln. Nachdem er die Schule abgeschlossen hatte, arbeitete er zunächst als Pizzakurier. 2010 begann er eine Ausbildung zum Automobilkaufmann. Autos waren seine große Leidenschaft – schon als Kind hatte er seiner Mutter die verschiedenen Automarken erklärt. Burak Bektaş war ein Mensch, dem seine Familie und Freund:innen sehr wichtig waren. Wenn er seine Freizeit nicht mit ihnen verbrachte, dann mit seinen Hobbys – Fitness und Kampfsport.
Ein unvermittelter Angriff mit einer Schusswaffe
Burak Bektaş bummelte in der Nacht vom 4. auf den 5. April 2012 nach seinem Training durch Berlin-Neukölln. In der Nähe eines Krankenhauses im Ortsteil Rudow traf er zufällig vier Freunde. Die Jugendlichen – alle hatten Migrationsgeschichten in ihrer Familie – blieben stehen und unterhielten sich. Plötzlich tauchte ein unbekannter weißer Mann auf, der unvermittelt auf die Gruppe Jugendlicher zuging. Weder Burak Bektaş noch seine Freunde hatten den Mann jemals zuvor gesehen, wie später ausgesagt wurde. Der Mann feuerte ohne jede Vorwarnung mehrere Schüsse auf Burak Bektaş und seine Freunde ab. Dabei schoss er nicht gezielt auf eine der Personen, sondern wahllos in die Menge. Anschließend entfernte sich der Täter langsam vom Tatort.
Burak Bektaş und zwei seiner Freunde kamen sofort ins Krankenhaus. Die beiden Freunde waren lebensgefährlich verletzt, konnten jedoch gerettet werden. Für Burak Bektaş kam die Hilfe zu spät. Er starb im Krankenhaus.
Anwälte bezeichnen Ermittlungen in Richtung Rassismus als unzureichend
Die Betroffenen konnten den Angreifer kaum erkennen, ihn lediglich als einen 40 bis 50 Jahre alten weißen Mann identifizieren. Die Polizei nahm die Ermittlungen gleich nach der Tat auf, konnte den Täter jedoch bis heute nicht fassen. Sie zog auch ein rassistisches Tatmotiv in Betracht, fand nach eigenen Aussagen jedoch keine konkreten Hinweise dafür.
Die „Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş“ hält ein rassistisches Tatmotiv für wahrscheinlicher als die These eines verwirrten Einzeltäters, die die Polizei in alle Richtungen ermitteln ließ. So ist der unvermittelte Angriff einer unbekannten Person auf „migrantische“ Personen ein üblicher Tathergang bei rechter Gewalt. Auch zeigt der Mord einige Parallelen zu den Taten des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrunds“, der sich nur wenige Monate vor dem Mord an Burak Bektaş selbst enttarnt hatte – bspw. die scheinbar wahllose Wahl der Opfer oder das Ausbleiben eines Bekennerschreibens. Die Anwälte der Familie Bektaş bezeichneten die behördlichen Ermittlungen in Richtung eines rassistischen Tatmotivs nach Aktenlage öffentlich mehrfach als unzureichend.
Im Jahr 2013 ging ein Hinweis bei der Polizei ein, dass der in Berlin-Neukölln lebende Rolf Z. möglicherweise mit dem Mord an Burak Bektaş in Verbindung stehen könnte. Dem Hinweisgeber zufolge sei der Verdächtige mehrfach in den Neuköllner Ortsteil Rudow gefahren, um in der Gegend um das Krankenhaus „rumzuballern“. Obwohl die Polizei in der Vergangenheit bereits Munition bei Rolf Z. gefunden hatte, wurde er nicht zur Vernehmung vorgeladen.
Am 20. September 2015 wurde Luke Holland von Rolf Z. auf offener Straße erschossen. Die Polizei fand diverse Waffen in der Wohnung des 63-jährigen Z., außerdem NS-Devotionalien und eine Fahne der rechtsextremen Band Landser. Obwohl sich die Tatverläufe ähnelten, stellten die Ermittlungsbehörden keinen Zusammenhang zwischen den beiden Morden fest.
Initiative kämpft für eine umfassende Aufklärung
Acht Tage nach der grausamen Ermordung Burak Bektaşs fand seine Beisetzung auf einem Friedhof in Berlin statt. Zu der Beerdigung kamen 2.000 Menschen. Auf dem Grabstein sind auf Türkisch die Worte von Buraks Bektass Mutter zu lesen: „Dein Schmerz ist in unserer Seele, deine Liebe wird stets in unserem Herzen sein. So gütig wie dein Herz, so gütig soll auch deine Erde sein. Möge deine Seele im Himmel ruhen, mein Sohn“.
Der Mord schafft bis heute eine große Verunsicherung in von Rassismus betroffenen Communitys. Nicht nur deshalb kämpft die Familie Bektaş seit der Tat für eine umfassende Aufklärung der Geschehnisse und für ein würdiges Erinnern an Burak Bektaş. Dabei wird sie von der „Initiative für die Aufklärung des Mordes an Burak Bektaş“ unterstützt. Gemeinsam setzten sie sich erfolgreich für einen Gedenkort in der Nähe des Tatorts ein. Nachdem 2018 eine Gedenktafel aufgestellt worden war, konnte im gleichen Jahr schließlich eine durch Spendengelder finanzierte Skulptur eingeweiht werden. Die zwei Meter hohe, abstrakte Bronzearbeit trägt den Namen „Algorithmus für Burak und ähnliche Fälle“; sie soll Gedenkort sein und gleichzeitig daran erinnern, dass der Mord noch immer nicht aufgeklärt ist. Die Skulptur „steht für all den Schmerz, die Trauer und die Wut, welche seine Angehörigen seit dem Mord begleiten“, sagt die Initiative. Wenige Wochen nach der Enthüllung wurde die Skulptur von Unbekannten mit Chemikalien beschädigt. 2021 wurde sie erneut mit Farbe übergossen.
Die Initiative organisiert regelmäßig Mahnwachen am Tatort, Demonstrationen und Kundgebungen. Dabei werden stets auch andere rechtsextreme und rassistische Taten in Berlin und Neukölln thematisiert.