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Ernst Fisk

, 59 Jahre (staatlich anerkannt)

Ernst Fisk (59 Jahre) wird in der Nacht zum 23. September 1997 so brutal von Neonazis zusammengeschlagen, dass er knapp ein Jahr später, am 30. August 1998 an den direkten Folgeschäden des Angriffs verstirbt. Ernst Fisk wird am 7. Mai 1938 in Danzig geboren. Über sein Leben und seine Person sind leider kaum Informationen bekannt. Im Jahr 1997 lebt er ohne Wohnung in Angermünde in der Uckermark. Er schlägt sich auf der Straße durch und schläft häufiger im Friedenspark in Angermünde.

In Angermünde ist rechte Gewalt Normalzustand

In den Neunziger und Nullerjahren existiert eine starke rechte Szene im uckermärkischen Angermünde. Seit Beginn der 1990er Jahre hat die Nationalistische Front (NF) und ihre Nachfolgeorganisation zunehmend Einfluss auf die rechtsorientierte Jugendszene. Es kommt in dieser Zeit zu zahlreichen Angriffen auf People of Color, Schwarze Menschen und Aussiedler*innen. Auch linke und als alternativ wahrgenommene Jugendliche werden immer wieder zur Zielscheibe von Gewalt und Angriffen. Im Sommer 1997 sind zunehmend gewaltsame Übergriffe auf wohnungslose Menschen zu verzeichnen. Die Polizei verfolgt diese jedoch nur selten. Die Angriffe gehen dabei häufig vom Bahnhof aus, wo es einen Treffpunkt der rechtsextremen und gewaltbereiten Skinheadszene gibt.

Wiederholte Gewalt gegen wohnungslose Menschen

Als sich die Gewalttaten gegenüber wohnungslosen Menschen in der Angermünde häufen, wird auch Fisk mehrfach Opfer von gewaltsamen Übergriffen. So berichtet die Polizei, dass man Fisk öfter mit Verletzungen im Gesicht sieht. In Gesprächen mit Polizist*innen gibt Fisk mehrfach an, dass er von unbekannten Personen geschlagen und bestohlen wurde. Die Täter*innen kann er jedoch nicht genau benennen und sieht deshalb von Anzeigen ab.

Was in der Tatnacht im September 1997 geschieht, ist bis heute weitgehend unklar. Ernst Fisk wird am Morgen des 23. September 1997 mit schweren Kopfverletzungen auf der Straße aufgefunden und in ein Krankenhaus eingeliefert. Da keine Augenzeug*innen ermittelt werden können, geht die Polizei zunächst von einem schweren Sturz aus. Die Ermittlungen gegen Unbekannt werden bereits nach wenigen Monaten eingestellt. Infolge des Angriffs liegt Ernst Fisk im Koma und wird mehrere Monate stationär behandelt. Später wird er in einem Pflegeheim untergebracht. Aufgrund der Verletzungen ist er schwerstpflegebedürftig und nicht ansprechbar. Sein Körper ist so geschwächt, dass er am 30. August 1998 nach einer Erkrankung stirbt. Nach der Leichenschau bestätigen Ärzt*innen die Diagnose eines schweren Sturzes und verweisen auf einen natürlichen Tod.

Aus sozialdarwinistischen Motiven erschlagen

Nachdem bei der ursprünglichen Leichenschau ein natürlicher Tod festgestellt wurde, ergeben sich bei einer weiteren Leichenschau im Krematorium Zweifel an dieser Annahme. Die Staatsanwaltschaft ordnet folglich eine rechtsmedizinische Obduktion an. Bei dieser kann festgestellt werden, dass es einen kausalen Zusammenhang zwischen einer erheblichen Gewalteinwirkung auf den Kopf von Fisk und seinem späteren Tod gibt. Ernst Fisk sollte also erschlagen werden, überlebte aber zunächst. Der Obduktionsbericht wird erst ein halbes Jahr später an die Staatsanwaltschaft gesendet, sodass sich weitere Ermittlungen verschleppen. Auch die Polizei nimmt erst nach mehreren Monaten das Ermittlungsverfahren wieder auf und erstattet Anzeige gegen Unbekannt wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Die Gruppe der möglichen Tatverdächtigen beschränkt sich recht schnell auf eine rechtsextreme  Skinheadclique, die sich regelmäßig am Bahnhof aufhält. Als Tatverdächtige gelten vor allem ein 16-Jähriger und ein 19-Jähriger, die insbesondere mit Taten gegenüber „mittellosen Personen“ aufgefallen sind und bereits wiederholt wohnungslose Menschen zusammengeschlagen haben. Einer der beiden Tatverdächtigen gesteht, einmal einen Obdachlosen zusammengeschlagen zu haben, aber gibt an, nicht zu wissen, ob es sich dabei um Ernst Fisk handelte. Die konkrete Tat gestehen die beiden Tatverdächtigen nicht. Das Ermittlungsverfahren wird letztendlich eingestellt, weil nach Einschätzung der Staatsanwaltschaft keine hinreichenden Tatverdächtigen ermittelt werden können. Da die beiden Hauptverdächtigen ein Alibi für die Tatzeit erbringen, findet kein Gerichtsverfahren gegen sie statt. In einem Forschungsbericht zur „Überprüfung umstrittener Altfälle Todesopfer rechtsextremer und

rassistischer Gewalt im Land Brandenburg seit 1990“ des Moses Mendelssohn Zentrum aus dem Jahr 2015 heißt es, dass ein politisches Tatmotiv sehr wahrscheinlich ist. Auch die Polizei ist sich in diesem Fall bis heute sicher, damals die rechtsgerichteten Täter ermittelt zu haben. Ernst Fisk wird seit 2015 von den Behörden offiziell als Opfer rechter Gewalt anerkannt. Ein öffentliches Gedenken an ihn hat bisher nicht stattgefunden.

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