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Farid Guendoul alias Omar Ben Noui

, 28 Jahre (staatlich anerkannt)

In den frühen Morgenstunden des 13. Februar 1999 verblutet der 28-jährige Algerier Farid Guendoul, auch bekannt als Omar Ben Noui, nach einer Hetzjagd von Rechtsextremen in Guben (Brandenburg) im Hausflur eines Plattenbaus.

Farid Guendoul wächst in einem armen Viertel der algerischen Hauptstadt Algier auf. Er studiert Flugzeugtechnik und arbeitet anschließend als Hilfsarbeiter am Flughafen. Um Bürgerkrieg und Armut zu entkommen, flüchtet er nach Europa, 1997 beantragt er Asyl in Deutschland. Er gibt dabei den Namen Omar Ben Noui an, um seine Familie zu schützen. Guendoul wird in einem Wohnheim in Sembten bei Guben untergebracht. Er lernt Deutsch und bildet sich in einem Elektronikkurs weiter, den er selbst finanziert.

Guendoul besucht am Abend des 12. Februar mit seinen Freunden Khaled B. und Issaka K. die Diskothek „Dance-Club“ in Guben. Dorthin kommen später auch mehrere stadtbekannte Rechtsextreme. Im Verlauf des Abends entbrennt ein Streit, die rechtsextreme Gruppe behauptet, von vietnamesischen Gästen mit einer Zigarettenkippe beworfen worden zu sein. Es kommt zur Auseinandersetzung vor der Tür, in die auch zwei Kubaner geraten, die die Disko gerade verlassen wollten. Einer der beiden wird zu Boden geworfen und wehrt sich mit einer Metallschiene, die er findet und mit der er auf einen der Neonazis einschlägt.

Die Rechtsextremen sammeln sich an einer Tankstelle und rufen Verstärkung. Während der verletzte Neonazi ins Krankenhaus gebracht wird, fahren die anderen durch die Stadt, um den Kubaner ausfindig zu machen.

Farid Guendoul und seine Freunde sind gegen vier Uhr zu Fuß auf dem Heimweg, als die Neonazis sie entdecken. Sie springen aus dem Auto und brüllen „Wir haben euch was mitgebracht: Hass, Hass, Hass“. Die drei Freunde versuchen, zurück zur Diskothek zu flüchten, unterwegs machen sie ein vorbeifahrendes Polizeiauto auf sich aufmerksam, das jedoch nicht anhält. Um den Rechtsextremen zu entkommen, teilen sich die drei auf. Khaled B. wird von drei Angreifern verfolgt, die ihn mit Tritten zu Fall bringen. Er schlägt mit dem Kopf gegen eine Stoßstange und verliert das Bewusstsein, die Angreifer lassen von ihm ab.

Währenddessen versuchen Farid Guendoul und Issaka K. in Todesangst, sich in das Treppenhaus eines Wohnblocks zu flüchten. Guendoul tritt die gläserne Haustür ein, damit sie hineinkriechen können. Die Scherben schneiden die rechte Knieschlagader Guendouls auf. Er verliert sehr viel Blut und stirbt binnen weniger Minuten.

Issaka K. versucht währenddessen, Hilfe zu holen und findet ein Taxi. Der Taxifahrer bemerkt, dass der Mann aus Sierra Leone verfolgt wird und fährt Issaka K. in ein nahe gelegenes Bistro. Der Wirtin gelingt es, den Neonazis den Zutritt zu verwehren, die daraufhin die Polizei rufen. Issaka K. wird in Handschellen abgeführt, die Rechtsextremen versuchen noch, auf das Gelände der Polizeiwache zu gelangen, die Beamten fordern Verstärkung an. Später werfen die Neonazis noch die Scheiben eines asiatischen Restaurants ein, bis sie am Morgen festgenommen werden.

Nach einem 17-monatigen Prozess verurteilt das Landgericht Cottbus am 13. November 2000 die elf Angeklagten zu Jugendstrafen bis zu drei Jahren. Die Angeklagten, die sich an der Hetzjagd direkt beteiligt hatten, wurden wegen fahrlässiger Tötung von Farid Guendoul und gefährlicher Körperverletzung von Khaled B. schuldig gesprochen. Drei Heranwachsende erhielten Haftstrafen von zwei Jahren, sechs wurden zu Bewährungsstrafen verurteilt und zwei weitere Angeklagte lediglich verwarnt. Gegen das Urteil wurde von den Nebenklägern und einigen Angeklagten Revision eingelegt. Am 9. Oktober 2002 änderte der Bundesgerichtshof die Schuldsprüche der Hauptangeklagten auf versuchte Körperverletzung mit Todesfolge. Der Haupttäter erhielt eine Jugendstrafe von zwei Jahren. Zudem stellte das Gericht klar, dass alle aktiv an der Verfolgung beteiligten Angeklagten das gleiche Maß an Verantwortung trügen. Das Strafmaß wurde aber nicht geändert.

Heute erinnert ein Gedenkstein an Farid Guendoul. Dieser befindet sich auf einem Rasenstück an der B 97, überschattet von einer Linde. Der Gedenkort wurde von Bewohner*innen Gubens abgelehnt und immer wieder geschändet.

Zum zehnten Todestag des 28-jährigen Algeriers veröffentlichte der Verein Opferperspektive eine Zeitungs-Sonderbeilage, um an Farid Guendoul zu erinnern und hat den Fall der Hetzjagd von Guben für die Gedenk-Website „Kein schöner Land – Todesopfer rechter Gewalt in Brandenburg“ umfangreich recherchiert und dokumentiert. Die Initiative Re:Guben hat erarbeitet und dokumentiert, was 1999 und in den folgenden Jahren geschah, wie die Erinnerung in Guben gestaltet ist und welche Erfahrungen (ehemalige) Gubener in der Stadt gemacht haben.

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