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Halit Yozgat

, 21 Jahre (staatlich anerkannt)

Der 21-jährige Halit Yozgat wurde am 06. April 2006 vom sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) in Kassel ermordet.

Halit Yozgat arbeitete an jenem Tag in dem Internetcafé, das er gemeinsam mit seinem Vater betrieb. Mitglieder der Terrorzelle betraten das Café und ermordeten Halit Yozgat mit zwei gezielten Kopfschüssen. Er wurde kurze Zeit später von seinem Vater gefunden und starb in dessen Armen.

Halit Yozgat war technisch versiert und ein geliebtes Familienmitglied

Halit Yozgat wurde 1985 als viertes Kind der Familie in Kassel geboren und nach seinem Großvater benannt. Er war ein begabter Schüler – sein Lieblingsfach war Mathematik. In seiner Freizeit traf er sich gerne mit Freund:innen, spielte Fußball oder ging in die Moschee. Als Halit Yozgat 12 Jahre alt war, kauften seine Eltern ihm für das Schulrechnen seinen ersten Computer. Er baute ihn komplett auseinander und wieder zusammen – spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde seine besondere Begabung im technischen Bereich ersichtlich.

Nach der zehnten Klasse ging er von der Schule, um anzufangen zu arbeiten. Im Jahr 2004, mit gerade einmal 19 Jahren, eröffnete er mit seinem Vater das Internetcafé in der Holländischen Straße 82 in Kassel. Dort arbeitete er tagsüber und ging anschließend zur Abendschule, um sein Abitur zu machen. Im Anschluss wollte er Informatik studieren.

Seine Familie sagt über Halit Yozgat, er sei sehr „liebevoll gewesen“ und „man konnte sich zu zweihundert Prozent auf ihn verlassen“.

Ermittlungsbehörden versagen bei der Aufklärung der „NSU“-Morde

Die Polizei ermittelte nicht in Richtung eines rechtsextremen Mordes, sondern im persönlichen Umfeld von Halit Yozgat. Sie ging davon aus, dass Halit Yozgat ermordet wurde, weil er in kriminelle Machenschaften verwickelt gewesen sei und äußerte den Verdacht, das Opfer hätte Rauchgiftkriminalität betrieben. Damit stigmatisierten die Ermittlungsbehörden die Familie des Opfers und offenbarten vorurteilsgeleitetes Ermittlungsverhalten.

Im Nachhinein stellte sich sogar heraus, dass Andreas Temme, ein Mitarbeiter des hessischen Landesamtes für Verfassungsschutz, das Internetcafé wenige Sekunden nach den Schüssen verließ. Er stellte sich anschließend nicht als Zeuge zur Verfügung, beteuerte, dass er nichts von den Schüssen mitbekommen hätte und widersprach sich mehrfach in seinen Aussagen. Die Akte von Andres Temme wurde vom hessischen Verfassungsschutz zunächst für die ungewöhnlich lange Sperrfrist von 120 unterlegt und somit unter Verschluss gehalten. Nach einer internen Änderung wurde diese „Geheimhaltungsfrist“ auf 30 Jahre reduziert.

Halit Yozgats Familie äußerte sich zum Gang der Ermittlungen: „Wir zweifeln am Rechtsstaat, aber wir wünschen uns dennoch Gerechtigkeit. Wir waren immer anständig, haben immer gearbeitet – alles in dem Glauben, hier in Deutschland sei alles fair, gerecht, strukturiert“.

Auch nach dem Prozess bleiben viele Fragen offen

Im Jahr 2011 kam es zur Selbstenttarnung des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“. Die beiden Täter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wurden im November 2011 gemeinsam mit einer Tatwaffe tot in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden. Beate Zschäpe, die ebenfalls als Teil des sogenannten Kerntrios der Terrorzelle gilt, verschickte daraufhin Videos, in denen sich der „NSU“ zu den Morden an insgesamt 10 Menschen bekannte. Dieses Ereignis offenbarte das jahrelange Versagen der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden, die die Angehörigen schikanierten, statt in Richtung rechtsextremer Tatmotive zu ermitteln, und die etliche Hinweise auf die Terrorzelle missachteten.

Am 08. November 2012 erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer des sogenannten „NSU“. Am 11. Juli 2018 verhängte das Oberlandesgericht München eine lebenslange Haftstrafe für Beate Zschäpe. Die „Helfer“ wurden zu Haftstrafen von zwei, zweieinhalb, drei und zehn Jahren verurteilt.

Der Prozess lässt viele Fragen offen – beispielsweise nach dem rechtsextremen Unterstützungsnetzwerk der Terrorzelle oder danach, welche Informationen Sicherheitsbehörden wie der Verfassungsschutz über die Terrorzelle hatten.

Zivilgesellschaftliche Initiativen halten die Erinnerung die Opfer des „NSU“ wach

Angehörige und zivilgesellschaftliche Initiativen streiten seit Jahren für eine umfassende Aufklärung der Morde des „NSU“ und für die Etablierung einer würdigen Erinnerungskultur.

2012 wurde ein Platz unweit des Internetcafés nach Halit Yozgat benannt. Zuvor wurde der Vorschlag einer Umbenennung einer Straße von der Stadt abgelehnt. Auf dem Halitplatz befindet sich auch ein Gedenkstein – jährlich werden hier Gedenkveranstaltungen abgehalten.

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