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Hans-Werner Gärtner

, 37 Jahre (staatlich anerkannt)

Der 37-jährige Hans-Werner Gärtner wird in der Nacht zum 8. Oktober 1999 in Löbejün (Sachsen-Anhalt) von drei jungen Männern zu Tode gequält.

Hans-Werner Gärtner hatte aufgrund einer Hirnhautentzündung eine leichte geistige Behinderung. Nach seinem erfolgreichen Schulabschluss absolvierte er eine Ausbildung zum Gärtner. Eine feste Anstellung verlor Hans-Werner Gärtner einige Zeit vor seinem Mord, seitdem unterstützte er die kleine Landwirtschaft seines Onkels, indem er unter anderem Futter für die Tiere sammelte.

Schon Wochen vor dem Mord misshandelten die Täter Hans-Werner Gärtner mit einem Schlagstock mit Eisenkette, Faustschlägen und Fußtritten. Er erlitt mehrere Knochenbrüche sowie ein Schädel-Hirn-Trauma und musste sechs Tage lang stationär behandelt werden.

Bei seinen nächsten Begegnungen mit den Angreifern kommt es immer wieder zu Schikanen und Körperverletzungen. Hans-Werner Gärtner wendet sich wiederholt an die Polizei, erstattet Strafanzeige und versucht, bei der Tätersuche zu unterstützen. So gelang es der Polizei am 7. Oktober, einen der Angreifer als Beschuldigten zu vernehmen. Verärgert über die Strafanzeige – und überrascht, weil die Täter das Gärtner nicht zugetraut hätten – verabredet sich der Beschuldigte mit zwei Freunden, von denen einer ebenfalls an den vorherigen Angriffen auf Hans-Werner Gärtner beteiligt gewesen war.

Zufällig treffen die drei Männer an einer Tankstelle erneut auf ihr Opfer. Hans-Werner Gärtner versucht noch, mit seinem Fahrrad zu fliehen, wird jedoch von den drei Männer eingeholt. Es folgen grausamste Misshandlungen, die Hans-Werner Gärtner nicht überleben wird.

Die Mordnacht

Die drei Täter stoßen Hans-Werner Gärtner von seinem Fahrrad, schlagen und treten auf ihr Opfer ein. Dann zerren sie ihn zu einem Gully, schubsen ihn in das 1,5 Meter tiefe Loch und schieben den Gullydeckel zu. Nach einiger Zeit ziehen sie ihn wieder aus dem Gullyloch heraus. Die Täter geben vor, ihr Opfer nun säubern zu wollen und fahren den wehrlosen Mann zu einem Steinbruch. Dort angekommen, stoßen sie ihn in das kalte Wasser und drücken seinen Kopf mehrfach unter Wasser. Hans-Werner Gärtner schafft es schließlich, aus dem Wasser zu kommen. Die Kälte und die massiven Verletzungen haben ihm stark zugesetzt. „Den bringen wir um, der ist nicht lebensfähig“, soll einer der Täter laut Prozessaussagen während der mehrstündigen Misshandlung gesagt haben.

Die drei Täter fürchten eine weitere Strafanzeige und entscheiden daher, ihr Opfer zu töten. Sie zerren Hans-Werner Gärtner in den Kofferraum ihres Autos und fahren zu einer Kiesgrube an einem See. An der Kiesgrube misshandeln sie ihn weiter mit Faustschlägen und Tritten und schlagen seinen Kopf gegen eine Metallschranke. Hans-Werner Gärtner fleht vergeblich, endlich von ihm abzulassen.

Danach fahren sie ihn zu einer an einem Feld gelegenen Ortsverbindungsstraße, wo sie ihn weiter mit Schlägen und Tritten und mit einer Zaunlatte auf Kopf und Oberkörper Gärtners einschlagen. Schließlich fliehen die Täter und lassen ihr Opfer zum Sterben zurück. Am nächsten Morgen wird Hans-Werner Gärtner tot von einem Traktorfahrer aufgefunden.

Rechtsextremes Tatmotiv lange Zeit nicht anerkannt

Ein Jahr später, im Oktober 2000, verurteilt das Landgericht Halle die Täter nach 24 Prozesstagen wegen Mordes zu lebenslangen Haftstrafen. Die Strafkammer sah es als erwiesen an, dass die Männer den 37-Jährigen aus niederen Beweggründen im Oktober 1999 gemeinschaftlich umgebracht hatten. Bei der Urteilsverkündung sagt der vorsitzende Richter, die Angeklagten hätten einen Menschen, der am Rande der Gesellschaft lebte, sinnlos getötet. Während des Prozesses erklärt einer der Täter, dass Hans-Werner Gärtner „nicht normal“ gewesen sei und es deshalb auch „nicht verdient (habe) zu leben“.

Erst im Mai 2012 wird Hans-Werner Gärtner von der Landesregierung Sachsen-Anhalt als Todesopfer rechter Gewalt offiziell anerkannt. Nach der Selbstenttarnung des NSU im November 2011 ließen das Justizministerium und das Innenministerium des Landes ausgewählte Tötungsdelikte aus den Jahren 1993 bis 2008 auf eine mögliche rechte Tatmotivation hin neu überprüfen. Zivilgesellschaftliche Organisationen forderten dies bereits seit mehreren Jahren. Es ist ein wichtiges Signal, dass Die offizielle Anerkennung von Hans-Werner Gärtner als Todesopfer rechter Gewalt ist auch deshalb ein wichtiges Signal, weil Menschen mit Behinderung eine Opfergruppe rechter Gewalt sind, die von der Öffentlichkeit oftmals kaum wahrgenommen wird.

Der Verein Miteinander e.V. hat den Fall für das Erinnerungsprojekt „Wir erinnern an Opfer rechter Gewalt in Sachsen-Anhalt“ recherchiert und stellt dort Bildungsmaterial für die pädagogische Auseinandersetzung mit dem Mord an Hans-Werner Gärtner und weiteren Todesopfern rechter Gewalt zur Verfügung.

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