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Horst Genz

, 50 Jahre

Der 50-jährige Horst Genz wurde am 22. April 1997 in Sassnitz (Mecklenburg-Vorpommern) von vier jungen Männern brutal ermordet. Seine Geschichte wurde im Rahmen eines umfassenden Rechercheprojekts des Vereins LOBBI e.V. näher beleuchtet. Das Projekt Kein Vergessen. Todesopfer rechter Gewalt in MV untersuchte die bis dahin dokumentierten Todesopfer rechter Gewalt in Mecklenburg-Vorpommern. Dafür suchten die Projektmitarbeitenden von LOBBI e.V. in städtischen Archiven und versuchten, gerichtliche Dokumente zu erhalten. Zudem suchten sie im Umfeld der Todesopfer nach Personen, um die Leben und die tragischen Umstände dieser Todesfälle akribisch zu rekonstruieren. Dank dieser akribischen Arbeit konnten nun auch zum Fall Horst Genz weitere Details ans Licht gebracht werden. Bislang waren über seinen Fall, der sich an der Bundesstraße 96 zwischen Rambin und Altefähr ereignete, kaum Informationen öffentlich bekannt.

Horst Genz wurde am 9. Februar 1947 in Bergen auf Rügen geboren und wuchs mit seiner Schwester auf der Ostsee-Insel auf. Er machte nach der Schule keine Ausbildung und arbeitete als Straßenbauer. Aus erster Ehe hatte er einen Sohn, aus einer späteren Beziehung eine Tochter und einen weiteren Sohn. Ende der 80er Jahre war er als Fahrer in einer Kohlenhandlung in Sassnitz tätig, verlor aber später seine Arbeit. Er galt als alkoholabhängig und lebte allein.

Die Tat

Am 22. April 1997 wurde Horst Genz, nachdem er einem Bekannten beim Holzsägen geholfen hatte und auf dem Weg zur Tankstelle war, von vier jungen Männern, die nach „Assis Ausschau hielten“, in ihr Auto gezerrt, ausgeraubt und brutal zusammengeschlagen. Nach dem Raub von 5,30 Mark planten sie, ihn vom Königsstuhl zu werfen, verwarfen den Plan aber. Stattdessen warfen sie ihn aus dem Auto in einen Straßengraben. Als sie auf dem Rückweg bemerkten, dass er noch lebte und sich bemerkbar machte, erschlugen sie ihn mit einem 30 Kilogramm schweren Feldstein. Die Täter prahlten später mit ihrer Tat und wurden daraufhin angezeigt.

Es stellte sich heraus, dass dieselbe Gruppe bereits am Vorabend einen ähnlichen Überfall auf den 37-jährigen Hans S. verübt hatte, der schwer verletzt überlebte. Auch ein weiterer Zeuge wurde zwei Wochen zuvor von der Gruppe krankenhausreif geschlagen.

Tatmotiv: Verharmlosung als Jugendgewalt

Fünf Jugendliche im Alter von 18 bis 20 Jahren wurden am 27. April 1997 festgenommen, darunter die vier Mörder von Horst Genz. Das Landgericht Stralsund verurteilte im November 1997 zwei der jungen Männer wegen Mordes zu zehn Jahren Haft, zwei weitere zu neun bzw. sechs Jahren. Das Jugendstrafrecht wurde angewandt, da das Gericht ihnen einen „verminderten sozialen Entwicklungsstand“ zuschrieb. Die Täter kommentierten ihre Motive flapsig, es habe „einfach Spaß gemacht“, sie hätten „Assis klatschen“ wollen. Eine politische Motivation der Tat wurde vor Gericht nicht gesondert diskutiert, und die öffentliche Diskussion konzentrierte sich auf „Jugendgewalt“, nicht auf menschenverachtende oder rechtsextreme Hintergründe.

Fehlende Anerkennung

Trotz eindeutiger Aussagen der Täter ist der Mord an Horst Genz bis heute nicht als Todesopfer rechter Gewalt anerkannt, obwohl durch die Einführung der neuen Erfassungskriterien der PMK-rechts im Jahre 2001, genau eine derartige Tat in der Statistik auftauchen müsste: »Wenn die Umstände der Tat oder die Einstellung des Täters darauf schließen lassen, dass sie sich gegen eine Person aufgrund […] ihres gesellschaftlichen Status richtet.« (Bundesamt für Verfassungsschutz)

An der Bundesstraße 96 und in Sassnitz gibt es keinen Gedenkort für Horst Genz. Zum 25. Todestag im Jahr 2022 organisierte Lobbi e.V. die erste Gedenkveranstaltung. Dabei wurde an seinem ehemaligen Wohnhaus gedacht und am Tatort ein Holzkreuz aufgestellt.

Gemeinsam Horst Genz erinnern

Angehörige und Menschen, die Horst Genz kannten, sind herzlich eingeladen, sich bei uns zu melden. Ihre Geschichten machen das Bild des Verstorbenen persönlich und sind für die Aufarbeitung und die Erinnerung von unschätzbarem Wert.
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Weiterführende Informationen

Mehr über die Lebensgeschichten und Schicksale der Todesopfer in Mecklenburg-Vorpommern erfahren Sie hier: kein-vergessen-mv.de. Dort finden Sie auch den ausführlichen Text über Horst Genz und die Ergebnisse der Recherchen.

Lokale Initiativen und Gruppen, die sich in den betroffenen Orten engagieren und das Andenken an die Todesopfer bewahren möchten, können sich an Lobbi MV wenden. Wenn Interesse daran besteht, tiefer in die individuelle Recherche einzusteigen und einen Ort der Erinnerung zu schaffen, um ein würdiges Gedenken zu ermöglichen, bietet Lobbi MV fachliche Begleitung und Unterstützung an. Die Amadeu Antonio Stiftung bietet im Rahmen ihrer Projektförderung auch die Möglichkeit zur Beantragung finanzieller Unterstützung für derartige Vorhaben.

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