Der 24-jährige polnische Erntehelfer Ireneusz Szyderski starb am 3. August 1992, nachdem er von mutmaßlich rechtsextremen Ordnern in einer Disco in Erfurt-Stotternheim (Thüringen) misshandelt wurde.
Ireneusz Szyderski besuchte an jenem Abend mit Freund*innen eine Zeltdisco. Gegen 24 Uhr wollte die Gruppe das Gelände verlassen. Ireneusz Szyderski ging vorher alleine auf die Toilette. Ein Ordner entdeckte ihn kurz danach auf einem Absperrzaun und griff ihn unvermittelt an. Mehrere Männer des Ordnungspersonals kamen hinzu und beschimpften den polnischen Mann. Als Ireneusz Szyderski am Boden lag, schlugen die Männer mit einem langen Stock auf ihn ein. Zudem erlitt er einen Faustschlag oder Tritt gegen den Kopf.
Die Angreifer schleiften Ireneusz Szyderski nach der Tat auf dem Bauch über den Boden in Richtung des anliegenden Parkplatzes. Sie ließen ihn mit den Worten „hier, den könnt ihr mitnehmen“ vor seinen Freund*innen fallen. Ireneusz Szyderski hatte zahlreiche Verletzungen und Unterblutungen sowie Platzwunden an Rumpf, Hals, Kopf und Armen. Im Auto seiner Freund*innen wurde er in Folge einer Hirnblutung ohnmächtig. Auf dem Weg ins Krankenhaus setzten seine Körperreflexe aus. Ireneusz Szyderski erstickte an seinem Erbrochenen.
Veranstalter stellte den Hauptangeklagten an, weil er der Anführer einer Skinheadgruppe war
Im Ermittlungsverfahren sagte der Veranstalter der Zeltdisco aus, dass er den Hauptverdächtigen angestellt habe, weil dieser der Anführer einer Gruppe von Skinheads sei. Dieser soll wenige Tage nach der Tat damit geprahlt haben, es „dem Polen besorgt“ zu haben. Im Gerichtsverfahren vor dem Landgericht Erfurt konnte kein „ausländerfeindliches Motiv“ bewiesen werden. Auch die Todesursache konnte nicht eindeutig geklärt werden. Ein Sachverständiger im Prozess meinte, die starke Alkoholisierung von Ireneusz Szyderski könnte dessen Tod ebenfalls verursacht haben. Der 24-jährige Hauptangeklagte wurde deshalb lediglich wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge verurteilt – zu zweieinhalb Jahren Haft. Zwei weitere Personen wurden zu Geldstrafen von 760 beziehungsweise 600 Mark verurteilt.
Die Tat fiel in eine Zeit, in der Übergriffe von Rechtsextremen auf vermeintliche „Ausländer“ an der Tagesordnung standen. Insbesondere in Ostdeutschland herrschte eine teilweise gewalttätige Feindseligkeit gegenüber „Fremden“ – vor allem gegenüber Vertrags- oder Gastarbeitern, wie Ireneusz Szyderski einer war.
Am Ort der Tat gibt es keine Gedenktafel oder ähnliche Erinnerung an Ireneusz Szyderski. Die Initiative Blinde Flecken Erfurt widmet sich der Aufarbeitung von Rechter Gewalt und dem Gedenken an die Todesopfer in der Region, auch mit Aktionen am jeweiligen Tatort.