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İsmail Yaşar

, 50 Jahre (staatlich anerkannt)

Der 50-jährige İsmail Yaşar wurde am 09. Juni 2005 vom sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) in Nürnberg ermordet.

İsmail Yaşar war Betreiber eines Imbisses. Am Tag seiner Ermordung arbeitete er in diesem Imbiss, der sich in der Scharrerstraße in Nürnberg befand. Die beiden Täter der rechtsextremen Terrorzelle fuhren am Morgen mit Fahrrädern in die Nähe des Imbisses und erschossen İsmail Yaşar mit fünf Schüssen in den Kopf und Oberkörper. Um kurz nach 10 Uhr wunderte sich ein Kunde, dass der Imbissstand unbesetzt war. Er beugte sich über den Tresen und fand den leblosen İsmail Yaşar auf dem Boden liegend. Es starb am Tatort.

„Mein Vater war ein sehr freundlicher, beliebter Mann“

İsmail Yaşar wurde 1955 in Alanyurt, einem kleinen Dorf in der Türkei geboren. Im Alter von 23 Jahren kam er nach Deutschland, wo er seine spätere Frau kennenlernte. Im Jahr 1988 heirateten die beiden, sie bekamen eine Tochter und einen Sohn. Die Familie lebte in Nürnberg, İsmail Yaşar arbeitete zunächst in einer Metallfirma und einem Kabelwerk in Nürnberg-Eibach. Später verkaufte er türkische Lebensmittel, betrieb eine Änderungsschneiderei und einen Second-Hand-Shop. Im Jahr 2000 eröffnete er schließlich seinen Dönerimbiss. Der Imbiss befand sich gegenüber der Schule seines Sohnes. İsmail Yaşar war sehr beliebt, nicht nur bei den Schüler:innen der Schule. Er saß abends oft noch lange mit Kund:innen oder Bekannten vor dem Imbiss, hatte immer ein offenes Ohr für alle.

Sein Sohn sagt über İsmail Yaşar: „Mein Vater war ein sehr freundlicher, beliebter Mann. Er hat keinen Alkohol getrunken. Er war ein sauberer Mann. Im Sommer zuvor waren wir noch gemeinsam in der Türkei, mein Vater, meine Mutter und ich. Wir hatten eine enge Verbindung mit seiner Familie dort. Dann war alles plötzlich ganz anders.“

Ermittlungsbehörden versagen bei der Aufklärung der „NSU“-Morde

Nach der Tat sagten Zeug:innen bei der Polizei aus, sie hätten zwei Männer mit Fahrrädern an dem Imbiss beobachtet. Durch einen Vergleich der Projektile wusste die Polizei, dass es sich um dieselbe Waffe handelte, mit der auch die anderen Opfer des „NSU“ ermordet wurden. Wie auch bei den anderen Morden des „NSU“ an Menschen mit einer Migrationsgeschichte, ermittelte die Polizei jedoch auch bei der Ermordung von İsmail Yaşar im direkten Umfeld des Opfers – nicht in rechtsextremen Kreisen. Eine 40-köpfige Sonderkommission der Polizei ermittelte in Richtung einer mutmaßlichen Verbindung İsmail Yaşars sowie der anderen Opfer zu türkischen Drogenhändler:innen. Verdeckte Ermittler:innen betrieben sogar den Imbiss von İsmail Yaşar weiter, um Beweise für seinen Verbindungen in die Drogenkriminalität zu erlangen – natürlich ohne jeglichen Erfolg, İsmail Yaşar war ein unbescholtener Bürger. Damit stigmatisierten die Ermittlungsbehörden die Familie des Opfers und offenbarten vorurteilsgeleitetes Ermittlungsverhalten. Medial wurde nach dem Mord an İsmail Yaşar zunehmend der abwertende Begriff „Dönermorde“ für die Mordserie des „NSU“ verwendet.

Im Jahr 2011 kam es zur Selbstenttarnung des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“. Die beiden Täter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wurden im November 2011 gemeinsam mit einer Tatwaffe tot in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden. Beate Zschäpe, die ebenfalls als Teil des sogenannten Kerntrios der Terrorzelle gilt, verschickte daraufhin Videos, in denen sich der „NSU“ zu den Morden an insgesamt 10 Menschen bekannte. Dieses Ereignis offenbarte das jahrelange Versagen der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden, die die Angehörigen schikanierten, statt in Richtung rechtsextremer Tatmotive zu ermitteln, und die etliche Hinweise auf die Terrorzelle missachteten.

Am 08. November 2012 erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer des sogenannten „NSU“. Am 11. Juli 2018 verhängte das Oberlandesgericht München eine lebenslange Haftstrafe für Beate Zschäpe. Die „Helfer“ wurden zu Haftstrafen von zwei, zweieinhalb, drei und zehn Jahren verurteilt.

Der Prozess lässt viele Fragen offen – beispielsweise nach dem rechtsextremen Unterstützungsnetzwerk der Terrorzelle oder danach, welche Informationen Sicherheitsbehörden wie der Verfassungsschutz über die Terrorzelle hatten.

Zivilgesellschaftliche Initiativen halten die Erinnerung die Opfer des „NSU“ wach

Angehörige und zivilgesellschaftliche Initiativen streiten seit Jahren für eine umfassende Aufklärung der Morde des „NSU“ und für die Etablierung einer würdigen Erinnerungskultur.

In Nürnberg findet jährlich eine Gedenkveranstaltung statt, um an İsmail Yaşar zu erinnern. Initiativen organisierten im Jahr 2021 zudem ein Straßenfest gegen Rassismus in Nürnberg, bei dem allen Opfern des „NSU“ gedacht wurde.

 

 

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