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Konstantin Moljanov (Verdachtsfall)

, 34 Jahre

Am 17. Juli 2013 wurde Konstantin Moljanov in Kaufbeuren (Bayern) von einem Neonazi getötet. Der 34-Jährige aus Kasachstan hinterlässt eine Ehefrau und zwei 6 und 13 Jahre alte Kinder. Bis heute ist der Fall nicht als rechtsextrem motivierte Straftat anerkannt.

Durch rassistischen Hass brutal aus dem Leben gerissen

Zum Tatzeitpunkt findet in Kaufbeuren gerade das Tänzelfest statt. Am späteren Abend verlässt eine Gruppe von fünf zum Teil alkoholisierten Männern aus Thüringen das Fest. Auf der Straße hinter dem Zelt treffen sie auf drei andere Männer, die sie als nicht-deutsch bzw. osteuropäisch wahrnehmen. Sie beginnen diese rassistisch  als „Scheiß Polacken“ und „Scheiß Russen“ zu beleidigen. Der 36-Jährige Falk H. aus Thüringen ruft den Dreien „Ihr habt damals meine Oma vertrieben“ entgegen. Anschließend attackiert er die drei Männer gemeinsam mit seinen Freunden auch körperlich. Die Angegriffenen setzen sich erfolgreich gegen die rassistischen Schläger zur Wehr, erleiden dabei allerdings leichte Verletzungen.

Nachdem die Angreifer schließlich resignieren müssen, laufen sie frustriert über die misslungene Attacke zurück auf das Gelände. Dabei treffen sie auf den völlig unbeteiligten Konstantin Moljanov. Sie beginnen auch diesen zu provozieren und zu beleidigen. Der 34-Jährige Kasache versucht der Situation aus dem Weg zu gehen und entgegnet dem Täter, dass er lediglich nach Hause wolle und er ihn in Ruhe lassen soll. Doch der Täter ist nicht zu beruhigen oder aufzuhalten. Er schlägt Konstantin Moljanov mit voller Wucht mit der Faust gegen die Schläfe. Fußtritte gegen den Hals des Familienvaters verursachen weitere schwerwiegende Verletzungen. Kurze Zeit später stirbt er nach Reanimationsversuchen im Krankenhaus.

Täter und Tatverdächtiger sind bekannte Rechtsextreme

Kurze Zeit nach der Tat nimmt die Polizei die Tatverdächtigen Markus V. und Falk H. in Gewahrsam. Markus V. ist im Gegensatz zu dem Täter Falk H. kurze Zeit später wieder auf freiem Fuß, da ihm keine unmittelbare Beteiligung an der Tat nachgewiesen werden kann. Zum Zeitpunkt der Tat sind beide für eine Baufirma aus Thüringen in der Region um Kaufbeuren tätig. Nachdem ein rechtsextremes Motiv der Tat zunächst ausgeklammert wurde, wurden erst durch die Recherchearbeit von aida („Antifaschistische Informations-, Dokumentations- und Archivstelle München e.V.“) und der Thüringer LINKEN-Landtagsabgeordneten Katharina König weitere Informationen über die mutmaßlichen Täter bekannt. Nach diesen Recherchen sind die beiden Thüringer Neonazis aus Meiningen bereits in der Vergangenheit mit Verbindungen zu rechtsextremen Kreisen aufgefallen. Auf seinem Facebook-Profil verhöhnte Markus V. offen die Opfer der neonazistischen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). In den Facebook-Freundeslisten von Falk H. und Markus V. lassen sich zudem weitere bekannte Neonazis aus Thüringen auffinden sowie aus dem benachbarten Sachsen. Beide weisen außerdem ein hohes Interesse an Kampfsport auf. Von dem Täter Falk H. lassen sich Fotos auffinden, die ihn bei einem professionellen Ringkampf zeigen.

Gericht erkannte kein rechtsextremes Motiv

Auch wenn der Tathergang durch die Zeug*innen- und Sachverständigen-Aussagen recht deutlich scheint, kann das Gericht „keinen Bezug zu einer rechtsradikalen Tat“ herstellen. Stattdessen hätte eine „vollkommen sinnlose Sauferei und Prügelei“ den Familienvater das Leben gekostet. Dass der Täter bereits davor zu jener Gruppe gehörte, die ebenfalls aus Kasachstan stammende Menschen rassistisch provozierte, schien an der Theorie des Zufallsopfers keine Zweifel zu wecken.

Nach bereits zwei, statt der zuvor vier geplanten Prozesstage, wurde Falk H. wegen Körperverletzung mit Todesfolge zu elf Jahren Freiheitsentzug mit Alkoholtherapie verurteilt. Vor der Urteilsfindung wurde das Vorstrafenregister des Täters auszugsweise verlesen. Darunter findet sich eine lange Liste von einschlägigen Taten. Neben weiteren Körperverletzungsdelikten fallen hierunter auch deutlich rechtsextrem motivierte Straftaten wie das Zeigen von Hitlergrüßen und anderen verfassungsfeindlichen Symbolen.

Für ein angemessenes Gedenken bleibt die Zivilgesellschaft gefragt

Neben rassistischen Reaktionen in den lokalen Medien gab es kurze Zeit nach der Tat viel Anteilnahme für Konstantin Moljanov.

Bereits unmittelbar nach der Tat initiierte die Stadt eine Spendenaktion, mit deren Erlös die Frau und die Kinder des zweifachen Familienvaters unterstützt worden sind. Am selben Tag fand ein Gedenkmarsch zum Mahnmal gegen Extremismus statt, bei dem von hunderten Menschen Kerzen angezündet wurden. Weitere Unterstützung für die Familie wurde außerdem durch ein Benefizkonzert im selben Jahr ermöglicht.

In den letzten Jahren blieb das Interesse an dem Fall und einer weiteren Aufarbeitung rechtsextremer Motive der Tat sehr gering.

Lediglich wenige Aktivist*innen vor Ort kämpfen gegen die permanente Entpolitisierung neonazistischer Gewalt und für eine angemessene Erinnerung an den zweifachen Familienvater. Bei einer Gedenkkundgebung 2014 wurden Aktivist*innen von Sicherheitskräften bedrängt und am Verteilen von Flugblättern, in denen sie das Gerichtsurteil in Frage stellen, gehindert. Die Polizei erteilte den Aktivist*innen zudem Platzverweise.

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