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Mehmet Kubaşık

, 39 Jahre (staatlich anerkannt)

Der 39-jährige Mehmet Kubaşık wurde am 04. April 2006 vom sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“ (NSU) in Dortmund ermordet.

Mehmet Kubaşık war Betreiber eines Kiosks in der Dortmunder Nordstadt. Zwischen 12 und 13 Uhr suchten die Täter*innen den Kiosk auf und schossen viermal auf Mehmet Kubaşık – zwei der Schüsse trafen ihn. Er wurde wenig später von einer Kundin tot hinter der Ladentheke gefunden.

„Deutschland fühlte sich als Heimat an“

Mehmet Kubaşık wurde 1966 in Pazarcık im Süden der Türkei geboren. Dort besuchte er die Grund- und Mittelschule und arbeitete anschließend in der Landwirtschaft. 1980 heiratet er, gegen den Willen seiner Familie, seine Jugendliebe Elif. Sie bekamen eine Tochter. Die Familie gehörte der Minderheit der Aleviten an, die in der Türkei verfolgt wurde. Wegen der zunehmend bedrohlichen Situation zog Mehmet Kubaşık mit seiner Familie 1991 nach Deutschland. Bis zur Anerkennung des Asylantrags im Jahr 1993 lebte die Familie in einer Unterkunft für Geflüchtete – dann konnten sie eine gemeinsame Wohnung in Dortmund beziehen. Mitte der 1990er Jahre bekamen Mehmet und Elif Kubaşık einen Sohn, im Jahr 2000 einen zweiten. Um seine Familie zu ernähren, arbeitete Mehmet Kubaşık als Hilfs- und Bauarbeiter in einem Obsthandel, bei einer Dachdeckerfirma, in einem Imbiss und bei einem Paketservice. Im Jahr 2004 – ein Jahr, nachdem er die deutsche Staatsbürgerschaft bekam – eröffnete Mehmet Kubaşık seinen Kiosk in der Mallinckrodtstraße in Dortmund.

Die Familie Kubaşık pflegte gute Kontakte zu ihren Nachbar:innen und hatte ein großes soziales Umfeld. Elif Kubaşık erinnert sich an das gemeinsame Leben mit ihrem Mann: „Wir hatten viel Kontakt zu den Leuten hier, zu den Deutschen wie zu den Nichtdeutschen. Es war eine gute Nachbarschaft. Das Leben war eine große Freude. Schon 2003 hatten wir die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen. Das war eine bewusste Entscheidung von meinem Mann und mir. Deutschland fühlte sich als Heimat an.“

Ermittlungsbehörden versagen bei der Aufklärung der „NSU“-Morde

Wie auch bei den anderen Morden des „NSU“ an Menschen mit einer Migrationsgeschichte, ermittelte die Polizei auch bei der Ermordung von Mehmet Kubaşık im direkten Umfeld des Opfers – nicht in rechtsextremen Kreisen. Bereits einen Tag nach dem Mordanschlag befragten die Ermittler*innen die Angehörigen von Mehmet Kubaşık. Sie gingen fälschlicherweise davon aus, Mehmet Kubaşık hätte Verbindungen in die organisierte Kriminalität und in den Drogenhandel. Die Witwe Elif Kubaşık und die Kinder der Familie wurden getrennt voneinander zu den Verwicklungen des Familienvaters in die Kriminalität befragt und sogar selbst der Tat verdächtigt. Damit stigmatisierten die Ermittlungsbehörden die Familie des Opfers und offenbarten vorurteilsgeleitetes Ermittlungsverhalten.

Im Jahr 2011 kam es zur Selbstenttarnung des sogenannten „Nationalsozialistischen Untergrund“. Die beiden Täter Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt wurden im November 2011 gemeinsam mit einer Tatwaffe tot in einem ausgebrannten Wohnmobil gefunden. Beate Zschäpe, die ebenfalls als Teil des sogenannten Kerntrios der Terrorzelle gilt, verschickte daraufhin Videos, in denen sich der „NSU“ zu den Morden an insgesamt 10 Menschen bekannte. Dieses Ereignis offenbarte das jahrelange Versagen der Strafverfolgungs- und Sicherheitsbehörden, die die Angehörigen schikanierten, statt in Richtung rechtsextremer Tatmotive zu ermitteln, und die etliche Hinweise auf die Terrorzelle missachteten.

Am 08. November 2012 erhob die Bundesanwaltschaft Anklage gegen Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer des sogenannten „NSU“. Am 11. Juli 2018 verhängte das Oberlandesgericht München eine lebenslange Haftstrafe für Beate Zschäpe. Die „Helfer“ wurden zu Haftstrafen von zwei, zweieinhalb, drei und zehn Jahren verurteilt.

Der Prozess lässt viele Fragen offen – beispielsweise nach dem rechtsextremen Unterstützungsnetzwerk der Terrorzelle oder danach, welche Informationen Sicherheitsbehörden wie der Verfassungsschutz über die Terrorzelle hatten.

Zivilgesellschaftliche Initiativen halten die Erinnerung die Opfer des „NSU“ wach

Angehörige und zivilgesellschaftliche Initiativen streiten seit Jahren für eine umfassende Aufklärung der Morde des „NSU“ und für die Etablierung einer würdigen Erinnerungskultur.

Am Tatort erinnert heute ein Gedenkstein an Mehmet Kubaşık. Jährlich findet in Dortmund ein Schweigemarsch statt. Im Jahr 2019 wurde außerdem ein Platz in der Dortmunder Nordstadt in Mehmet-Kubaşık-Platz umbenannt.

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