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Şahin Çalışır

, 20 Jahre

Am frühen Morgen des 27. Dezember 1992 stirbt Şahin Çalışır auf der Autobahn 52 bei Meerbusch (Nordrhein-Westfalen).

Şahin Çalışır war 20 Jahre alt. Freund*innen beschreiben ihn als ruhige, ehrgeizige Person. Der aus der Türkei stammende Şahin war technischinteressiert und machte eine Ausbildung zum Schlosser bei der Firma „Thyssen“. Als er ermordet wurde, stand er kurz vor seinem Abschluss.„Şahin war ein lebensfroher Mensch“, erinnert sich sein Cousin Orhan Çalışır. Wenige Monate zuvor hatte er seinen Führerschein gemacht.

Am Abend des 26. Dezember leiht er sich das Auto seiner Schwester. Zunächst besucht er seinen Cousin. Danach will er los, unter Menschen sein. Auf der Autobahn A52 ist Sahin nachts dann mit zwei Freunden unterwegs.  Dort machen drei rechtsextreme Hooligans aus Solingen Jagd auf migrantisch aussehende Menschen. Şahin Çalışırs PKW wird mehrfach bedrängt und schließlich touchiert. Der PKW dreht sich und schlägt in die Leitplanke ein. Şahin Çalışır und seine zwei türkischen Begleiter flüchten voller Panik auf die Autobahn. Şahin Çalışır wird dabei von einem nachfolgenden Auto erfasst und getötet.

Das Schöffengericht Neuss erkannte kein rassistisches Motiv für die Verfolgungsjagd. Es verurteilte den 23-jährigen Klaus E. im Oktober 1993 wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Straßenverkehrsgefährdung zu 15 Monaten Haft. Aus dem Gefängnis schrieb Klaus E. über den Toten: „Das mit dem Herumlaufen hat sich für ihn erledigt.“ Der Beifahrer von E. war als Ordner für die rechtsextreme „Deutsche Liga für Volk und Heimat“ tätig. Ebenso war er in der Kampfsportschule „HAK Pao“ in Solingen unter dem V-Mann Bernd Schmitt aktiv. Aus den Reihen dieser Karateschule stammten auch die Täter des tödlichen Solinger Brandanschlags.

Am 27. Dezember 2020, dem 28. Todestag von Şahin Çalışır, fand zum ersten Mal eine öffentliche Gedenkveranstaltung vor dem Amtsgericht in Neuss statt. Orhan Çalışır bezeichnete in seiner Rede das Amtsgericht Neuss als ‚zweiten Tatort‘, da in dem Gerichtsverfahren das politische Motiv der Tat nicht erkannt und verhandelt wurde. Die Angehörigen wurden im Gericht mit Spürhunden durchsucht, „während die Täter sich wie zu Hause verhielten“, wie es der Cousin Çalışırs ausdrückte. Das alles ist Ausdruck einer Täter-Opfer-Umkehr. So fanden Briefe des Angeklagten aus der Haft mit rechtsextremen und rassistischen Aussagen zur  Tat keinen Eingang in das Verfahren. Zudem kritisiert Orhan Çalışır, dass die Täter in dem Gerichtsverfahren durch die Haltung des Staatsanwalts einen „sehr gewichtigen Verteidiger“ hatten.

In Erinnerung an den Ermordeten wurden das Gedenken sowie ein Gespräch mit Orhan Çalışır im Januar 2021 als Kurzfilm veröffentlicht.

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