Sich zusammentun und Kräfte bündeln – das ist die Antwort der zivilgesellschaftlichen Initiativen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen auf das nierderschmetternde Ergebnis der Landtagswahlen. Um dem Erstarken von Rechtsradikalen etwas entgetgenzusetzen und gemeinsame Perspektiven zu entwickeln, trafen sich knapp 40 Aktive aus allen drei Bundesländern beim Vernetzungstreffen der Amadeu Antonio Stiftung in Erfurt.
Von Charlotte Sauerland
Vielfältige Teilnehmer*innen, vielfältige Projekte
Vom kleinen Jugendclub im ländlichen Raum über den Flüchtlingsrat bis hin zu Gewerkschaftler*innen – die Teilnehmenden des Treffens bringen ganz unterschiedliche Erfahrungen mit. In einem ersten Austausch berichteten sie von ihren Projekten und Aktionen rund um die Landtagswahlen.
So setzte das Dorf der Jugend mit seinem Crossover-Festival in Grimma ein klares Zeichen für eine offene Gesellschaft im ländlichen Raum. Die Asylinitiativenkonferenz, die der Sächsischen Flüchtlingsrat gemeinsam mit anderen Organisationen durchführte, brachte Geflüchtete und ihre Unterstützer*innen zusammen. Gemeinsam entwickelten sie Strategien gegen eine restriktivere Asylpolitik. Der Landesfrauenrat Thüringen sprach mit seiner Flyerkampagne explizit Frauen an, um auf die gleichstellungspolitischen Konsequenzen der Wahl radikal rechter Parteien aufmerksam zu machen. Auch Engagierte aus Sachsen berichteten von vielfältigen Aktionen rund um die Wahlen: Die Initiative „Rettet die Wahl“ animierte Nichtwähler*innen, ihre Stimme für Demokratie und Toleranz abzugeben. „Gusche auf – gegen Rechts!“ ermutigte, sich klar demokratisch zu positionieren. Die Kampagne #100PROZENTMENSCH setze ein deutliches Zeichen gegen Rassismus.
Angriffe und Anfeindungen
Viele Initiativen sind mit Anfeindungen und Bedrohungen durch rechtsradikale Akteure konfrontiert. Vielerorts tauchen Rechtsradikale auf Veranstaltungen auf und beleidigen und diffamieren Projekte, die sich gegen Rechtsextremismus engagieren. Zunehmend stellt die AfD in den Parlamenten Anfragen, zu denen die Projekte Stellung beziehen müssen. Das ist nervenzehrend und bindet Ressourcen, die eigentlich an anderer Stelle benötigt werden. So berichtet eine Aktive vom Bündnis Kloster Veßra, das sich gegen Rechtsrockkonzerte in Thüringen engagiert: „Wir hatten uns nicht nur gegründet, um uns gegen rechtsextreme Aktivitäten zu agieren, sondern auch um eigene Angebote zur Förderung von Demokratie und Weltoffenheit zu schaffen. Das tun wir auch, aber wir sind einen Großteil unserer Zeit damit beschäftigt, uns gegen Nazis zu wehren.“ Auch rassistische Gewalt sei Normalität geworden, betont ein Berater der Opferberatungsstelle ezra. „Vor diesem Hintergrund ist es sehr wichtig, die Projekte, die jetzt schon aktiv sind, weiter zu unterstützen, um überhaupt den Status Quo erhalten zu können.“
Zivilgesellschaftliche Arbeit für Demokratie braucht sichere finanzielle Basis
Viele Initiativen berichteten, dass ihre weitere Finanzierung ungewiss ist. Im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie Leben!“ werden weniger Modellprojekte der Zivilgesellschaft gefördert, mehr Geld fließt an die kommunalen Partnerschaften für Demokratie. Die Anwesenden befürchten, dass eine Beteiligung Rechtsradikaler in kommunalen Gremien es für zivilgesellschaftliche Vereine in Zukunft schwieriger macht, Mittel zu akquirieren. Auch nichtstaatliche Möglichkeiten der Finanzierung wurden diskutiert. Die Teilnehmenden schätzen die Unterstützung durch Stiftungen wie die Amadeu Antonio Stiftung, aber ein Ersatz für staatliche Fördermittel könnten Stiftungen nicht sein: „Der Staat hat den Auftrag, die Werte des Grundgesetzes umzusetzen. Mit unserer Arbeit zur Demokratieförderung übernehmen wir diese Aufgabe“, betont Andrea Wagner vom Landesfrauenrat Thüringen. „Wir sollten selbstbewusster sein und deutlich machen, wie wichtig eine ausreichende Finanzierung unserer Arbeit ist!“ Ein wenig Hoffnung legten einige Teilnehmende in das von der SPD angekündigte Demokratiefördergesetz. Es stellt die langfristige und ausreichende Finanzierung von Demokratie-Projekten in Aussicht.
Nicht spalten lassen: Solidarität untereinander und vor Ort im ländlichen Raum
Vor dem Hintergrund von Anfeindungen durch rechtsradikale Akteure und Gegenwind oder Ignoranz von Behörden und Presse betonten die Teilnehmenden die Wichtigkeit gegenseitiger Solidarität. Im Thüringer Landtagswahlkampf habe sich gezeigt, wie wichtig lokale Bündnisse seien, um die zahlreichen Wahlkampfveranstaltungen von rechts nicht unwidersprochen zu lassen, so die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus MOBIT. Gefehlt habe es dennoch an einem landesweiten Bündnis oder einer landesweiten Kampagne, die den Protest begleitet.
Ihre Erfahrungen mit breiten Bündnissen diskutierten die Teilnehmenden durchaus kontrovers. Denn in großen Bündnissen kann häufig nur ein Minimalkonsens gefunden werden, was für die langfristige Zusammenarbeit oft eine große Herausforderung darstellt. Andererseits entstehen durch große Bündnisse wie #unteilbar oder #zusammenstehen langfristige Vernetzungen über Kreis- und Landesgrenzen.
Sich zu vernetzen und Bündnisse aufrecht zu erhalten – auch das kostet Ressourcen. Für viele kleinere Vereine bleibt angesichts der lokalen Herausforderungen keine Zeit mehr für Vernetzung. „Hinfahren in den ländlichen Raum und die Initiativen vor Ort unterstützen,“ dafür plädiert deshalb ein Mitorganisator der #wannwennnichtjetzt-Maktplatztouren. Statt nur auf langfristige Bündnisse zu setzen, könnten auch kurzfristige, anlassbezogene Bündnisse hilfreich sein.
In die Offensive gehen und gemeinsame Strategien entwickeln
Die Teilnehmenden diskutierten engagiert, wie es gelingen kann, offensiv zu agieren und eigene Themen setzen. Alle sind sich einig, dass Rassismus und Antisemitismus weiterhin skandalisiert werden müssen, um der Normalisierung von Menschenfeindlichkeit entgegenzuwirken und die Selbstinszenierung von rechtsradikalen Parteien als bürgerlich zu verhindern. Gleichzeitig dürfe die Auseinandersetzung mit Rassismus und anderen Ausgrenzungsformen in den eigenen Reihen nicht vernachlässigt werden, weil die Auseinandersetzung mit parteiförmiger Menschenfeindlichkeit drängender erscheine. Stattdessen wollen die Initiativen sichere Räume auch für Aktive sein, die häufig als vermeintlich „Andere“ ausgegrenzt werden. Timo Reinfrank, Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung, unterstrich zum Ende der Veranstaltung: „Wir müssen gemeinsam strategisch handeln, um Demokratieprojekte in die Offensive zu bringen.“
Viele der Teilnehmenden wünschen sich weiterhin mehr Vernetzungsmöglichkeiten und würden sich über eine Folgeveranstaltung freuen. Das nächste Mal vielleicht in Sachsen-Anhalt – dort stehen die nächsten Landtagswahlen an.