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Was erleben firewall-Trainer*innen bei Workshops gegen Hate Speech?

Trainer*innen-Fortbildung bei Firewall: Lernen, Menschen zu motivieren, sich online für Demokratie einzusetzen. (Quelle: Firewall)

Das Projekt „firewall“ der Amadeu Antonio Stiftung bildet Trainer*innen zum Umgang mit Hass im Netz aus. Wer macht da mit? Und was erleben die Trainer*innen in den Schulworkshops?

Das Internet und die sozialen Medien bieten viele Vorteile, die wir im Alltag für uns nutzbar machen. Aber uns begegnen dort auch Diskriminierung, Hasskommentare, Desinformation, Verschwörungserzählungen – und das tagtäglich. Dies ist zu einem echten Problem für unsere Demokratie geworden. Deshalb ist auch im digitalen Raum Zivilcourage und Engagement gefragt.

Viele Menschen wollen dem Hass etwas entgegensetzen, sind sich aber unsicher, wie sie hasserfüllte Beiträge melden, löschen oder kommentieren können. Kurzum: Wie digitale Zivilcourage funktionieren kann. Bereits vorhandene Handlungsoptionen müssen erst als richtige und konkrete Gegenstrategien wahrgenommen und geübt werden. Wir müssen lernen, mit hasserfüllten, menschenfeindlichen und verschwörerischen ideologischen Inhalten im Internet umzugehen, und den Online-Raum aktiv mit Gegenrede und demokratischen Erzählungen zu gestalten. Doch wie geht das? Wie sieht digitale Zivilcourage aus? Wie können wir eine demokratische Debattenkultur im Internet besser gestalten?

Da haben wir was: Das Projekt firewall.

Das Projekt firewall – Hass im Netz begegnen hat ein bundesweites Trainer*innen-Netzwerk aufgebaut, das Workshops und Fortbildungen anbietet, um genau diese Zivilcourage und demokratische Debattenkultur im digitalen Raum zu fördern. Unsere Trainer*innen erarbeiten und üben mit jungen Menschen, aber auch mit Lehr- und Fachkräften, konkrete Handlungsstrategien für den Umgang mit Abwertung, Hass und Diskriminierung im Internet.

Was sie dabei erleben, warum sie firewall-Trainer*innen geworden sind und ob es sich lohnt einen firewall-Workshop zu buchen – das sollen sie uns selbst erzählen. 

Im Gespräch mit Fluky, Hannes, Helen, Sergej und Julian aus dem Trainer*innennetzwerk

Warum bist du Firewall-Trainer*in geworden?

Sergej: Weil ich mich über mich selbst geärgert habe, als ich mich mal wieder mit pochender Halsschlagader über Hassnachrichten im Netz aufgeregt, aber letztendlich nichts dagegen unternommen habe. Das sollte sich ändern!

Helen: Ich habe eine neue Herausforderung gesucht. Mein Interesse für Politik und soziale Zusammenhänge nahm in meiner bisherigen Arbeit als Sozialarbeiterin eine zu kleine Rolle ein. Das hat sich jetzt geändert.

Hannes: Ich wollte in meinem Feld der Medienpädagogik gerne Aspekte der politischen Bildung integrieren. Hate Speech ist eines der wichtigsten Themen der Digitalität.

Fluky: Weil es schön ist, sich gemeinsam in einem Lehrgang zu treffen, zu vernetzen und zu unterstützen.

Julian: Vernetzung und Austausch sind ultrawichtig, fachlich und kollegial.

Das firewall-Netzwerk ist für Dich…

Fluky: … liebevoll und bestärkend – in guten wie in schlechten Zeiten.

Julian: … dynamisch und voll mit spannenden Leuten.

Sergej: … ein wunderbares Netzwerk voller inspirierender und engagierter Menschen, die sich gegenseitig unterstützen und ein wichtiges Ziel miteinander teilen: Eine vereinte Gesellschaft gegen den Hass im Netz.

Helen: …eine riesige Ressource für Bildung und Austausch und ein toller kreativer Kreis an Menschen mit Werten, Idealen und Überzeugungen. Ich bin sehr dankbar darüber, im Netzwerk zu sein und aus dieser Ressource zu schöpfen, aber auch meine Stärken dort hineingeben zu können.

Hannes: … eine große Gemeinschaft mit hilfreichen Tipps. Es ist immerzu auch Anlaufstelle für Unterstützung durch andere Trainer*innen. Außerdem ist es einfach auch eine seeeehr coole Gemeinschaft!

Was ist Deine größte Herausforderung in der Medienkompetenzbildung?

Julian: Den Spagat hinzubekommen zwischen dem Vermitteln eines empowernden Umgangs mit dem Netz und den eigenen Zweifeln wegen der Nachteile der digitalen Medienwelt.

Fluky: Das sich schnell verändernde Arbeitsfeld, die mangelnde Verankerung im Schulalltag und die pauschalisierten Vorurteile gegenüber Medien.

Helen: Als selbst marginalisierte Person eine gute Abgrenzung zu schaffen und alle da abzuholen, wo sie stehen. Jede Gruppe ist anders und individuell. Keine Verallgemeinerungen zu treffen und offen zu bleiben ist mit das Wichtigste. So bleibt es aber auch immer spannend.

Sergej: Wie in vielen anderen Bereichen auch, sich selbst auch einmal das eine oder andere Scheitern einzugestehen. Es wird nicht alles funktionieren, was man sich vornimmt. Wichtig ist es dabei zu bleiben, aus den eigenen Fehlern zu lernen und es wieder zu probieren. Es lohnt sich ungemein!

Hannes: Sowohl inhaltlich als auch methodisch topfit zu sein. Nur so kann man gute Inhalte auch gut vermitteln.

Hast Du einen lustigen, traurigen, erhellenden oder absurden Moment als Trainer*in erlebt?

Helen: Mein schönster Workshop-Moment war, als eine junge Erwachsene mir sagte, dass sie sich jetzt endlich traut, auch mal ihre Überzeugungen online mit der Welt zu teilen. Bisher hatte sie aus Angst vor Hate Speech ihre Stimme nicht erhoben. Das Projekt hat ihr den Mut gegeben hat, das zu tun.

Sergej: Mein lustigster, absurdester und gleichzeitig schönster Moment als Trainer*in war, als ich mal in Sinne des Empowerments nach der persönlichen Superkraft meiner Teilnehmenden gefragt habe und mir spontan ein „Liebesgedicht“ auf klingonisch vorgetragen wurde.

Hannes: Den gibt es bei mir so gar nicht – jeder Workshop ist einzigartig. Gerade auch die Abwechslung macht diese Arbeit so spannend und erlebnisreich, man lernt ja auch immer selbst dazu!

Julian: Erhellend ist es, wenn neue Methoden funktionieren. Aber auch, wenn sie nicht funktionieren. Traurig ist, wenn man ein tolles Paket mitbringt, und die Situation / Struktur vor Ort nicht zulässt, gemeinsam gut zu arbeiten. Mal sind die Teilnehmer*innen in einer ganz anderen Dynamik, mal sind die Begleitpersonen toxisch, mal sind es noch größere Strukturen, gegen die wir schwer ankommen.

Fluky: Es gibt so viele! Die schönsten Momente sind die, bei denen ich merke, dass ich meine Teilnehmer*innen bewegen und Denkprozesse anstoßen konnte.

Hast Du von Teilnehmer*innen etwas über ihre Erfahrungen mit Hate Speech gelernt?

Fluky: Viele Betroffene von Hate Speech suchen sich keine Hilfe und glauben, sie müssten das aushalten und versuchen, durch Ignorieren Resilienz aufzubauen. Fragt man nach, wird immer klar: Verbale Gewalt verunsichert, verängstigt, verletzt. Nahezu alle Teilnehmenden haben schon mal Hate Speech beobachtet, als persönlich betroffen erlebe ich in Schulworkshops vor allem Mädchen/ Frauen/ afab[1] sowie queere und nicht-weiße Jugendliche.

Julian: Nur wenige kennen die Erfahrung an sich selbst. Immerhin einige schaffen den empathischen Sprung, dass Hass im Netz negative Folgen für Betroffene hat. Leider habe ich auch nicht selten den Eindruck, dass bereits Jugendliche mit einem gewissen Schulterzucken bis Zynismus auf sowas wie „Hate Speech“ blicken und es für unhinterfragbar halten, dass Internetpräsenz mit Gefahr, harten Urteilen und toxischen Bewertungslogiken zusammenhängt.

Sergej: Es lohnt sich, die breite Masse des Ignorierens und Wegschauens zum Handeln gegen die kleine laute Gruppe des Hasses zu animieren. So können wunderbare positive und konstruktive Orte des Diskurses entstehen.

Darum lohnt es sich einen Workshop von firewall zu buchen…

Hannes: Ihr sucht eine stabile Basis für zeitgemäße politische Bildung gegen Hass im Netz? Mit einem Workshop findet ihr sie!

Helen: Ihr lernt ein tolles bundesweites Netzwerk aus multiprofessionellen Menschen kennen, erfahrt neue Aspekte und Perspektiven und ihr könnt eure Stärken in einem für unsere Demokratie und ihren Schutz essenziell wichtigen Arbeitsfeld einbringen.

Julian: Weil hier deutlich wird, wie eng gegenwärtig Internet und Demokratie zusammenhängen. Es ist ein Fehler, diese Bereiche getrennt voneinander zu betrachten. Die Verschränkung wird nur noch stärker werden. Außerdem zeigen die Workshops auf, dass die User*innen viel Verantwortung tragen für ein „besseres“ Netz, aber auch die Chance dazu haben, es mitzugestalten!

Sergej: Hier kommt‘ einfach die geballte Kompetenz von sehr unterschiedlichen Menschen zusammen, die alle ihre guten Gründe für die Arbeit mit einem extrem schwierigen Thema haben. So entstehen wunderbare konstruktive, lebensweltnahe und auch unterhaltsame Veranstaltungen, die uns alle zivilgesellschaftlich weiterbringen.

Fluky: Weil niemand Einzelkämpfer*in sein muss!

Vielen Dank für das Gespräch!

Wenn ihr einen Workshop buchen möchtet, dann schaut auf der Website von firewall vorbei.

Firewall ist ein Projekt der Amadeu Antonio Stiftung.
Wenn Ihr die Arbeit der Amadeu Antonio Stiftung unterstützen möchtet, geht das hier.

 

[1] Anm. d. Red.: Die Abkürzung AFAB steht für “assigned female at birth”, DFAB für “designated female at birth” und FAAB “female assigned at birth”. Die drei Begriffe sind verschiedene Varianten von “bei Geburt dem weiblichen Geschlecht zugewiesen”. Inter, trans und nichbinäre Personen, die bei ihrer Geburt dem weiblichen Geschlecht zugewiesen wurden, können diese Bezeichnung verwenden, um auszudrücken, dass sie sich damit nicht oder nur teilweise identifizieren können. https://queer-lexikon.net/2017/06/15/dfab/

 

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