Mitschnitt einer digitalen Informations- und Austausch-Veranstaltung mit Götz Nordbruch am 02. Dezember 2020:
Die Ermordung des Lehrers Samuel Paty bei Paris am 16. Oktober und der Anschlag in Wien am 02. November 2020 mit vier Toten haben den islamistischen Terror wieder in die Öffentlichkeit gerückt. Dies verbindet sich oft mit dem Anspruch an die Jugendarbeit, ihm entgegenzuwirken und Präventionsarbeit zu machen. Was kann das heißen?
Dr. Götz Nordbruch ist Islam- und Sozialwissenschaftler und Co-Geschäftsführer des Vereins ufuq.de. Die Fachstelle für Pädagogik zwischen Islam, Islamfeindlichkeit und Islamismus von ufuq.de unterstützt Fachkräfte bei der Konzeption und Umsetzung von Präventionsangeboten.
Im ersten Teil kann man den Impulsvortrag von Götz Nordbruch nachhören:
Nordbruch setzt daran an, dass viele Verhaltensweisen und Handlungen von muslimischen Jugendlichen aus seiner Sicht vorschnell als „islamistisch“, „religiös extremistisch“ oder „religiös radikalisiert“ verstanden werden und Pädagog*innen sich daher ratlos fühlen. Anhand verschiedener Beispiele zeigt Nordbruch auf, dass es Jugendlichen, die sich problematisch verhalten, oft nicht um die Religion geht und pädagogische Fachkräfte keine Koranexpert*innen werden müssen, um mit ihnen in eine Auseinandersetzung zu treten. Stattdessen gilt es, die Ressourcen der Pädagogik und Jugendarbeit, allen voran die Beziehung, zu nutzen, um individuell zu ergründen: Worum geht es den Jugendlichen, was ist der konkrete Hintergrund ihres Agierens, lässt sich eine islamistische Ideologie erkennen?
Das Bekenntnis zum Islam gibt jungen Menschen ein Gemeinschaftsgefühl, Sicherheit, Zugehörigkeit, Werteorientierung und andere Ressourcen, die sie gerade angesichts von Rassismus stärken. Problematisch wird es, wenn Jugendliche einen Überlegenheitsanspruch formulieren, sich allein über die Religionszugehörigkeit definieren, keine Gemeinsamkeiten mit anderen mehr sehen, ihre Sichtweise als Norm durchsetzen wollen und andere abwerten. Götz Nordbruch schließt mit dem Aufruf, mehr Mut zur Debatte zu zeigen, statt aus Angst vor Eskalationen zu schweigen.
Im zweiten Teil sind die Antworten und Erläuterungen von Götz Nordbruch auf verschiedene Fragen und Einwände zusammengestellt.
Die meisten Beiträge beziehen sich auf die folgenden Punkte:
- Schweigeminuten für Opfer islamistischer Gewalt an Schulen
- Mädchen und junge Frauen, die man als Jugendarbeiter*in oder Lehrer*in nach längerer Zeit wiedersieht und die „plötzlich“ ein Kopftuch tragen
- Die Aktion des Youtubers Fayez Kanfash Anfang November 2020 auf der Sonnenallee/Berlin-Neukölln, wo viele Menschen leben und arbeiten, die aus arabischen bzw. islamisch geprägten Ländern eingewandert sind: Ein arabisch-traditionell gekleideter Mann führt an einem Strick eine Person die Straße entlang, die mit einer Maske den französischen Präsidenten Emmanuel Macron darstellen soll und gleichzeitig durch lange Haare als Trans*person oder Frau gekennzeichnet ist. Der Mann schlägt und beschimpft Macron und ruft dabei „Allahu akbar“, gefolgt von einer Gruppe begeisterter junger Männer.
- Das Problem der Verharmlosung von Islamismus und der Ängste derjenigen, die sich als Trans*personen oder andere mögliche Opfer islamistischen Hasses bedroht sehen
Eine Veranstaltung zur Vertiefung der hier aufgeworfenen Fragen ist geplant.
Zur schwierigen Frage nach den richtigen Begrifflichkeiten hier der Beitrag des Wiener Politikwissenschaftlers Thomas Schmiedinger: