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„Wir haben kein Bock auf Nazis!“ – Festival gegen Rechtsextremismus im ländlichen Rheinland-Pfalz

„Kein Bock auf Nazis Festival Kusel“

Im Landkreis Kusel sind Rassismus und die Bedrohung durch rechtsextreme Akteur*innen seit Jahren Realität. Ein Festival schafft seit 2006 Raum für Menschen, die gemeinsam zeigen: „Wir haben kein Bock auf Nazis!“ Gefördert von der Amadeu Antonio Stiftung kamen in diesem Jahr rund 1.000 Teilnehmende zusammen, um sich zu vernetzen, zu informieren und gemeinsam ein solidarisches Miteinander zu feiern.

Von Luisa Gerdsmeyer

Rund 1.000 Menschen versammeln sich am Wochenende vom 4. bis 7. Juli 2025 auf der Burg Lichtenberg in dem kleinen Ort Thallichtenberg im rheinland-pfälzischen Landkreis Kusel. Gefördert von der Amadeu Antonio Stiftung findet hier das „Kein Bock auf Nazis Festival Kusel“ statt – ein Festival, das mehr ist als eine Kulturveranstaltung. „Wir wollen einen Raum schaffen, in dem alle so sein und sich wohlfühlen können, wie sie sind. Eine Auszeit aus einem Alltag, der für viele, gerade in unserer ländlichen Gegend, geprägt ist von Alltagsrassismus und der Normalisierung von Rechtsextremismus“, erzählt Basti, der das Festival gemeinsam mit seinen Mitstreiter*innen organisiert. „Viel zu oft reagieren die Leute mit Schulterzucken, Verharmlosung oder Wegschauen auf das Erstarken von Rechtsextremen. Wir wollen dem mit dem Festival etwas entgegensetzen und zeigen, wie viele Menschen es gibt, die keinen Bock auf Nazis haben, ob in den Parlamenten oder beim Dorffest am Wochenende. Gleichzeitig schaffen wir einen Raum, in dem Menschen zusammenkommen können, die das auch so sehen und in ihrem antifaschistischen Engagement gestärkt werden.“

Der Beginn des Festivals vor fast 20 Jahren

Die Geschichte des Festivals beginnt im Jahr 2006. Damals planten Basti und einige Freund*innen eine Party für alle, die sich den rechtsextremen Strukturen in der Gegend entgegenstellen wollten. Der Veranstaltungsort sollte eine kleine in Hütte im Wald in einem Dorf bei Kusel sein. Doch bei der Planung wurde deutlich, wie präsent die Bedrohung durch örtliche Neonazis war. Wegen Sicherheitsbedenken untersagte damals die Kreisverwaltung die Party in der Hütte und schlug einen alternativen Standort vor: die Burg Lichtenberg. „Seit 2006 findet dort das ‚Kein Bock auf Nazis Festival‘ – mit einigen wenigen Ausnahmen – jährlich statt. Mal in kleinerem Rahmen im Mehrgenerationenhaus in Kusel, mal mit tausend Besucher*innen auf der Burg. Zweimal haben wir das Festival von Kusel nach Zweibrücken verlegt, um dort gegen die Neonazi-Strukturen, wie den ‚Nationalen Widerstand Zweibrücken‘, zu protestieren“, erzählt Basti. In den letzten Jahren ist das Organisations-Team, ebenso wie das Festival an sich, gewachsen. Auch Engagierte aus anderen Regionen, z. B. aus Gotha und Frankfurt am Main, haben sich angeschlossen und bringen ihre Erfahrungen und ihr Organisationstalent ein.

Drohungen gegen Engagierte und rassistische Hetze gegen Geflüchtete

Wie notwendig und wichtig das Festival ist, zeigt die Situation im Landkreis Kusel deutlich. „Wer sich hier, wie wir, antifaschistisch engagiert, steht unter Beobachtung und wird dafür angegriffen“, so Basti. „Wir haben immer wieder rechtsextreme Aufkleber an der Tür, beleidigende oder bedrohliche Briefe im Briefkasten oder bekommen Morddrohungen per E-Mail. Auch auf offener Straße gibt es immer wieder Anfeindungen und Beleidigungen.“ Die Bedrohungslage hat sich für die Engagierten in den letzten Jahren verschärft. Das liegt nach Bastis Einschätzung auch an der Entwicklung des gesamtgesellschaftlichen Klimas: „Die Dorfnazis, die ich schon seit vielen Jahren kenne, sind lange Zeit nicht so sichtbar und selbstbewusst aufgetreten. Doch durch das gesellschaftliche Klima haben sie ein Gefühl von Rückenwind und trauen sich, wieder mehr in die Offensive zu gehen.“ Auch das ein Effekt der Normalisierung der AfD. Besorgniserregend ist auch die Entwicklung rund um die neonazistische Kleinstpartei „Der III. Weg“. Unter dem Namen „Pfalzwege“ versucht sie, in der Region Strukturen aufzubauen. „Ich denke, es ist nur eine Frage der Zeit, bis sie versuchen, auch in Kusel Fuß zu fassen“, so Bastis Einschätzung.

Besonders beschäftigt die Engagierten auch die rassistische Stimmung gegenüber Geflüchteten in Kusel. „In den Jahren 2015 und 2016 waren hier Solidarität und Hilfsbereitschaft gegenüber Geflüchteten merklich spürbar. Davon ist heute kaum noch etwas übrig. Die Stimmung in der Stadt gegenüber den Bewohner*innen der Kuseler Erstaufnahmeeinrichtung ist feindselig und stark rassistisch aufgeladen“, berichtet Basti. Vorangetrieben wird das auch von der rassistischen Hetze der rechtsextremen AfD, die in Kusel sehr aktiv ist. Basti erinnert sich an zwei große Demonstrationen vor knapp zwei Jahren, bei denen gegen die Unterbringung von Geflüchteten in der Stadt demonstriert wurde. „Da wurde deutlich, wie wenig Probleme auch bürgerliche Milieus oder lokale Unternehmer*innen damit haben, mit der AfD und anderen offen rechtsextremen Gruppen wie dem III. Weg auf die Straße zu gehen.“ Für Basti und das Team des Festivals ist daher klar: „Antifaschistisches Engagement bedeutet für uns immer auch Solidarität mit Geflüchteten, gerade hier, wo Rassismus oft unwidersprochen bleibt.“

Musik, Vorträge und Vernetzung beim „Kein Bock auf Nazis Festival“

Beim „Kein Bock auf Nazis Festival“ entsteht für ein Wochenende ein Gegenentwurf zur rechtsextremen Landnahme. Hier wird ein solidarisches Miteinander gefeiert und ein Raum für Vernetzung und Austausch über politische Themen geschaffen. Auf der großen Bühne spielten Freitagabend und den ganzen Samstag Musiker*innen und Bands, vor allem aus den Bereichen Punk, Rock und Rap, die mit ihrer Musik das Festivalmotto tragen und sich deutlich gegen Rechtsextremismus und Menschenfeindlichkeit positionieren. Musiker*innen, die eine Haltung haben. „Wir freuen uns, dass das Line-up – ebenso wie unser Orga-Team selbst – im Laufe der letzten Jahre diverser wurde und auch auf der Bühne unterschiedliche gesellschaftliche Perspektiven abgebildet werden“, erzählt Basti. Mit dabei waren in diesem Jahr beispielsweise die Rapperin Lena Stoehrfaktor, das Rap-Duo Rahsa feat. Finna oder die Hardcore Punk Band „Defiance HC“.

„Ein besonderes Highlight war für mich der Auftritt von ‚Waving the Guns‘ am Samstagabend“, erzählt Leonie, eine Besucherin des Festivals. „Die Stimmung war super und es war ein tolles Gefühl, gemeinsam mit so vielen Menschen zu feiern, aber auch die Wut über die politischen Verhältnisse und die Bedrohung von Rechts, die viele von uns in ihrem Alltag ständig beschäftigt, herauszuschreien und zu merken, dass wir damit alle nicht alleine sind. In einem der Lieder heißt es in der Hook ‚wie kann man in diesen Zeiten nur tanzen? ‘  Die Zeiten sind bedrückend und oft auch beängstigend. Trotzdem sind wir hier und tanzen und feiern zusammen. Das macht Mut.“

Festivalgelände

Neben dem musikalischen Programm fanden auch Lesungen, Vorträge und Diskussionsveranstaltungen statt – in diesem Jahr unter anderem zur Punk-Szene aus FLINTA*-Perspektive, zu den Erfahrungen einer Aktivistin in der zivilen Seenotrettung oder zur völkischen Ideologie der rechtsesoterischen Anastasia-Bewegung. Bei einem Vortrag zu „Jugendarbeit und Antifaschismus“ berichtete Tobias Burdukat vom Projekt der Alten Spitzenfabrik im sächsischen Grimma, das einen Raum für selbstbestimmtes Engagement von Jugendlichen jenseits der rechten Hegemonie geschaffen hat. Im Anschluss entstand eine angeregte Debatte über Parallelen und Unterschiede in den Herausforderungen und Handlungsstrategien im Engagement gegen Rechtsextremismus in Ost- und Westdeutschland. Dabei wurde auch diskutiert, wie überregionale Solidarität konkret gelebt werden kann.

Eine Ausstellung auf dem Festivalgelände informierte über personelle, ideologische und organisationale Kontinuitäten rechtsextremer Ideologien in Deutschland – vom Nationalsozialismus bis in die Gegenwart. Ergänzt wurde das Programm durch zahlreiche Infostände von Initiativen aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland. Besucher*innen konnten sich über deren Arbeit informieren, vernetzen und Möglichkeiten kennenlernen, um selber aktiv zu werden.

„Wir sind viele!“

Für Basti und die anderen Engagierten steht fest, dass das Festival auch 2026 stattfinden wird. Im Herbst starten bereits die Vorbereitungen für das nächste Jahr. „Die gesellschaftlichen Entwicklungen, denen wir uns mit dem Festival entgegenstellen, gehen nicht weg, sondern sie werden eher immer größer“, meint Basti. „Umso wichtiger ist es, dass Menschen sich zusammentun und nicht wegschauen, sondern Position beziehen. Ich will, dass die Leute sich hier sicher fühlen können. Und dass sie wissen: Wir sind nicht alleine. Wir sind viele. Und wir haben keinen Bock auf Nazis.“

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