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Antisemitismus: Intifada-Sprechchöre und Widerstandsaufrufe münden in Gewalt  

Seit dem 7. Oktober 2023 nimmt die Gewaltverherrlichung und die Verklärung von Terror als Widerstand immer bedrohlichere Ausmaße an. Die Zahl der Angriffe nimmt zu. In Washington D.C. ermordete ein Attentäter zuletzt zwei Menschen und rief „Free Palestine“. Wie ist die Lage in Deutschland?

Antisemitismus führt zu Gewalt. Das lässt sich nicht leugnen und hat viel mit der Struktur dieser Ideologie zu tun. Denn Judenhass ist eine Unterlegenheitsfantasie, der Irrglaube, man habe es mit einem übermächtigen, bösen Gegner zu tun, der im Hintergrund die Strippen zieht. Die Geschichte des Antisemitismus ist deshalb eine der Gewalt, des Terrors und der Pogrome. Und sie wird fortgeschrieben.

In Colorado (USA) hat ein islamistischer Attentäter Anfang Juni einen Spaziergang für die noch immer in Gaza gehaltenen Geiseln mit einem Molotov-Cocktail und einem selbstgebauten Flammenwerfer angegriffen und acht Menschen teils schwer verletzt. Zwei Wochen zuvor hat ein linker Aktivist zwei Menschen vor dem Jüdischen Museum in Washington D.C. ermordet. Nur zwei jüngere Beispiele aus einer langen Liste des globalen Terrors gegen Jüdinnen*Juden.  Vorbereitet werden solche Taten in einem gesellschaftlichen Klima, das Gewalt gegen „die Juden” oder „die Zionisten” als letzte noch verbliebene Möglichkeit des Widerstands verherrlicht. Auch auf deutschen Straßen und in Hochschulen wurde der Terror der Hamas und des Islamischen Dschihad verharmlost und teils auch offen verherrlicht. In Parolen und Symbolen offenbart sich eine erschreckende Gewaltaffinität und Terrorverherrlichung.

Die Recherche- und Informationsstelle gegen Antisemitismus (RIAS) veröffentlichte Anfang Juni die bei ihnen gemeldete Anzahl bundesweiter antisemitischer Vorfälle des Jahres 2024. Insgesamt handelt es sich um 8.627 Vorfälle – 77 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Anzahl der physischen Angriffe ist erschreckend gestiegen: So verzeichnet RIAS 186 Vorfälle, 59 mehr als im Jahr 2023 und acht Vorfälle extremer Gewalt. Hinzu kommen 1.802  Versammlungen, bei denen es zu antisemitischen Vorfällen kam, 147 davon an Universitäten. Insbesondere bei derartigen Versammlungen wird immer wieder der Terror der Hamas verherrlicht oder zum „Widerstand“ aufgerufen. Insgesamt ordnet RIAS 2.282 aller Vorfälle (also etwa gut ein Viertel) dem politisch-weltanschaulichen Hintergrund „antiisraelischer Aktivismus“ zu.

In der Chronik antisemitischer Vorfälle der Amadeu Antonio Stiftung werden antisemitische Versammlungen mit Terrorverherrlichung dokumentiert. So kann man beobachten, dass es mittlerweile als völlig akzeptabel gilt, bei einer Veranstaltung an einer Universität, wie zum Beispiel an der Technischen Universität München (TUM), ein Plakat mit der Aufschrift „Intifada Intifada TUM to Gaza“ aufzuhängen oder auf einer antiisraelischen Demonstration – wie am Karfreitag und Ostersamstag in Berlin – zur „Intifada“ aufzurufen – und damit zu Gewalt und Terror. Auch in Freiburg im Breisgau riefen vermeintlich „pro-palästinensische“ Gruppen bei einer Demonstration gegen Rechts zur Gewalt an Jüdinnen*Juden auf, mit den Worten „Klassenkrieg, Klassenkrieg, Intifada bis zum Sieg“. „Intifada“ bedeutet wörtlich Aufstand oder Rebellion. Der Ruf bezieht sich auf zwei mehrjährige Phasen von Terroranschlägen in Israel (1987-1993 sowie 2000-2005), bei denen tausende Menschen (die Mehrheit davon palästinensisch) getötet wurden. Weder Islamist*innen noch radikale Linke haben auf solchen Demonstrationen Berührungsängste mit diesem Begriff und dem dahinter steckenden antisemitischen Terror.

Da sich die Täter*innen in ihrem antisemitischen Wahn unterdrückt fühlen, ist für sie jede Form von „Widerstand“ legitim. Bereits am 12. Oktober 2023, also fünf Tage nach dem Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel, bezeichnete die feministische Berliner Gruppe „Zora“ das Massaker als „Widerstand“. Auch andere Gruppen sprechen bezugnehmend auf die sexualisierte Gewalt des Tages von „legitimem Widerstand“ als Notwendigkeit zur „Befreiung eines unterdrückten Volkes”, wie im Lagebild #13 „Antisemitische Allianzen nach dem 7. Oktober“ nachzulesen ist.

Auch die Besetzer*innen der Humboldt-Universität zu Berlin riefen zum „Widerstand“ auf, indem sie die Parolen „Yallah, yallah Widerstand“ und „Free Gaza glory to the resistance“ an Wände schmierten und auf einem Banner zur „Intifada bis zum Sieg“ aufriefen. Viele dieser Parolen wurden auch bei der Besetzung der Berliner Alice Salomon Hochschule verbreitet. Die Legitimität ihres politischen Anliegens bringen die Besetzer*innen mit der folgenden Parole zum Ausdruck: „Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zur Pflicht“. Konsequenterweise werden palästinensische Terrorist*innen der Gruppen „Volksfront zur Befreiung Palästinas“ (PFLP), des „Islamischen Dschihads“ und des „Schwarzen Septembers“ als Vorbilder im „Widerstandskampf“ gefeiert – so zum Beispiel beim internationalen Frauentag in München.

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Gewaltverherrlichung und Aufruf zum „Widerstand“ bei Hörsaalbesetzung seitens antiisraelischer Akteure (Quelle: JFDA e.V.)

Dass Gewalt für vermeintlich „pro-palästinensische“ Akteure in ihrem „Widerstandskampf“ ein legitimes Mittel zum Zweck ist, verdeutlichen sie, indem sie zu der Parole „End Zionism glory to resistance“ ein auf der Spitze stehendes Dreieck an die Wand schmieren. Die Terrororganisation Hamas verwendet solche Dreiecke für die Markierung und Eliminierung israelischer Ziele. Das Symbol kann also als Gewalt-, ja als Mordaufruf gedeutet werden. In Berlin tauchten zuletzt Plakate auf, auf denen mit diesem Hamas-Dreieck zur Gewalt gegenüber Personen aufgerufen wurde.

Dass sich das Weltbild vieler Demonstrierender längst von demokratischen Werten entfernt und zur Unterstützung antisemitischer Terrorgruppen gewandt hat, zeigt sich auch auf  Demonstrationen, bei denen laut „Quassam“ gerufen wird. Die Quassam-Brigaden sind der militärische Arm der islamistischen Terrororganisation Hamas. Die Demonstrierenden nehmen positiven Bezug auf „Izz ad-Din [al-Quassam]“, den Namensgeber der Quassam-Brigaden sowie auf „Sinwar“. Yahya Sinwar war der Anführer der Terrororganisation Hamas, bis er im Oktober 2024 von der israelischen Armee getötet wurde.

Besonders deutlich wird die Aufforderung, Gewalt zu verüben, spätestens mit der Verbreitung eines Märtyrer-Kults bei Demonstrationen in Aussagen wie „Jedes einzelne Blut das geflossen ist, jeder Märtyrer, der im Paradies ist, dem sagen wir, er ist nicht umsonst gegangen“ und „Wir haben Blut und Seele von Kindern und treuen Menschen bezahlt und wir werden weiterhin bezahlen, egal wieviel das kostet“ oder „Das Volk will den Dschihad ausrufen!“. Der Dschihad dient zur Verbreitung des Islams. Der Begriff hat mehrere Bedeutungen wie „geistige Anstrengung“ oder „innere Auseinandersetzung“, damit kann aber auch der Kampf gegen westliches Leben und Denken gemeint sein. Dass es sich hier vor allem um letztere Bedeutung handelt, belegt ein Ausruf auf einer Berliner Demonstration am 1. Februar 2025: „Wer eine Waffe habe, soll damit Juden erschießen oder sie der Hamas übergeben!“.

Auch außerhalb von Versammlungen wird zur Gewalt gegen Jüdinnen*Juden aufgerufen, in Lützen wurde auf eine Stahlfigur „Juden bekämpfen“, in München „Fick die Juden“ und „Fick Israel stay with Palestine“ an Wände, in Brühl auf ein Friedhofsschild „Juden boxen“ geschmiert.

Friedhofsschild mit Aufruf „Juden boxen“ (Quelle: Privat)

Spätestens mit diesen offenen Gewaltaufrufen gegen Jüdinnen*Juden und Zionist*innen zeigt sich, wie wichtig eine Distanzierung von terrorverherrlichenden Akteuren ist. Sicher, nicht alle Demonstrierenden sind gewaltbereit. Viele möchten vielleicht einfach für die Zivilbevölkerung in Gaza einstehen. Sie tragen dennoch den immer größer werdenden Hass gegen Jüdinnen*Juden oder israelsolidarische Personen mit, solange sie mit gewaltbereiten Akteuren demonstrieren und terrorverherrlichende Parolen rufen. Denn auf Worte folgen früher oder später Taten; wie zum Beispiel Taten gegen die israelsolidarische Bar Bajszel auf deren Scheibe zuletzt ein Pflasterstein geworfen wurde, der nur dank eigens angebrachtem Sicherheitsglas niemanden verletzte oder der Angriff auf den jüdischen Studenten Lahav Shapira, der nach einem Barbesuch von einem Kommilitonen zuerst geschlagen und als er zu Boden sackte ins Gesicht getreten wurde, sodass er schwere Verletzungen erlitt.

Auch in Deutschland wird ein Klima vorbereitet, das antisemitische Morde wieder ermöglicht. Ein Blick in die USA zeigt, wohin die Parole „Globalize the Intifada”, sprich antisemitische Hetze und Terrorverherrlichung führen kann.

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