Weiter zum Inhalt Skip to table of contents

Gefördertes Projekt

Über den Tellerrand hinaus: Solidarische Vernetzung gegen Rechtsextremismus von Nürnberg nach Südthüringen

Die Naturfreunde Nürnberg machen sich mit dem Fahrrad auf den Weg zu Engagierten in Südthüringen. Foto: Naturfreunde Nürnberg Mitte, Uli

Die Nürnberger Initiative „Vernetzung gegen Rechts“ knüpft Kontakte zu Initiativen in Südthüringen und zeigt so, wie wichtig Solidarität und Austausch zwischen der Großstadt und ländlichen Räumen sind. Dabei setzen sie auf gemeinsame Aktionen, Begegnungen und gegenseitiges Zuhören, um überregionale Netzwerke im Kampf gegen Rechtsextremismus zu stärken.

Von Luisa Gerdsmeyer

„Es reicht nicht, gegen Rechtsextremismus nur vor der eigenen Haustür aktiv zu sein.“ – Mit dieser Überzeugung macht sich die Nürnberger Initiative „Vernetzung gegen Rechts“ auf den Weg nach Südthüringen, um Kontakte zu knüpfen und solidarische Netzwerke aufzubauen. Die Initiative entstand Anfang 2024 im Zuge der bundesweiten Massenproteste gegen die rechtsextreme AfD. Seitdem trifft sich die „Vernetzung gegen Rechts“ regelmäßig im Nürnberger Naturfreundehaus und bringt unterschiedliche Akteur*innen aus der Stadtgesellschaft zusammen. „Für uns war von Anfang an klar, dass wir auch über die Stadtgrenzen hinausdenken und uns aus unserer Großstadtblase hinausbewegen wollen“, erzählt Lollo von den Naturfreunden Nürnberg, die die Initiative mitgegründet hat.

Gemeinsam organisieren sie nicht nur regelmäßige Diskussionsveranstaltungen, Gegenproteste zu rechtsextremen Aktionen in Nürnberg, sondern bauen auch gezielt Kontakte und Netzwerke in ländlichen Räume auf. Ziel ist es, den Kampf gegen Rechtsextremismus gemeinsam und solidarisch zu führen – mit Anerkennung und Respekt für unterschiedliche Lebensrealitäten.

Politische Radtour von Nürnberg nach Thüringen

„Erste Kontakte nach Thüringen bestanden bei einigen von uns bereits aus beruflichen Gründen. Es war super, dass wir daran anknüpfen konnten“, erzählt Lollo. Die erste konkrete Aktion zur Vernetzung war eine Radtour im Sommer 2024. Beim sogenannten Demo-Graveln, einer politischen Radtour mit Gravelbikes, besuchten die Nürnberger Naturfreunde Engagierte in Thüringen. Beim ersten Mal noch in kleiner Runde, doch bei der zweiten Auflage im Mai 2025, die die Amadeu Antonio Stiftung mit einer Förderung unterstützte, nahmen fast 20 Personen teil. Die Gruppe kam in einem Naturfreundehaus im Thüringer Wald unter und unternahm von dort aus Tagestouren zu befreundeten Initiativen.

Sonneberg – erster Halt der Vernetzungstour

Der erste Halt der diesjährigen Tour war Sonneberg. Dort trafen sie Marcel, der die „Gewölbebar“ betreibt und den Verein “Make Some Noise e.V.” gegründet hat. Nachdem im Juni 2023 der rechtsextreme Robert Sesselmann im Landkreis Sonneberg zum deutschlandweit ersten Landrat der AfD gewählt wurde, wurde Marcel aktiv. Mit seinem Verein setzt er sich seither für ein demokratisches Sonneberg ein – mit Konzerten, Lesungen und anderen Veranstaltungen in seiner Bar.

Damit bietet er eine Anlaufstelle für alle, die sich der rechtsextremen Normalisierung in der Stadt entgegenstellen wollen. „Es war für uns alle sehr beeindruckend zu hören, mit wie viel Mut sich Marcel und seine Mitstreiter*innen in Sonneberg engagieren, trotz aller Anfeindungen und Drohungen, die sie deshalb erhalten“, so Lollo. „Uns ist bewusst, dass der Preis, den man für so eine öffentliche Positionierung gegen Rechtsextremismus zahlt, in Sonneberg ein ganz anderer ist, als bei uns in Nürnberg. Gerade deshalb ist es für uns so wichtig, dieses Engagement sichtbar zu machen, sich kennenzulernen, einander zuzuhören und voneinander zu lernen und konkret vor Ort unsere Solidarität zu zeigen.“

Foto: Naturfreunde Nürnberg Mitte, Uli

Besuch in Kloster Veßra und Almerswind: Widerstand gegen Rechtsextreme und gelebte Demokratie

Der nächste Stopp der Tour war Kloster Veßra bei Themar. Dort trafen sich die Radfahrer*innen mit dem “Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit Kloster Veßra”. Das Bündnis gründete sich 2015, als der bekannte Neonazi Tommy Frenck einen Gasthof im Ort eröffnete. In den Jahren danach fanden dort immer wieder rechtsextreme Veranstaltungen statt. 2017 und 2018 reisten Tausende Neonazis aus ganz Europa zu Rechts-Rock-Konzerte an. Das Bündnis hielt dagegen – mit Demos direkt vor dem Konzertgelände, Gedenkaktionen für Todesopfer rechter Gewalt oder Familienfesten, mit denen sie für Demokratie und Weltoffenheit in dem kleinen Ort einstehen. Dabei haben sie einen wichtigen Erfolg erzielt: Frenck musste mit seiner Gaststätte aus den Räumlichkeiten ausziehen, die Gemeinde hatte das Vorkaufsrecht gerichtlich erstritten. „Wir sind nach Kloster Veßra gefahren, um unsere Solidarität zu zeigen, aber auch, weil wir von den Leuten dort unglaublich viel lernen können“, sagt Lollo. „Uns ist es wichtig ins Gespräch zu kommen: was brauchen die Engagierten, die hier im ländlichen Thüringen diese wichtige Arbeit leisten? Und wie können wir aus der Großstadt konkret unterstützen?“

Der dritte und letzte Besuch der Radtour führte ins Flechtwerk Almerswind, ein Bildungs- und Begegnungshaus in der Nähe von Sonneberg. In der ländlichen Gegend schafft das Projekt Gelegenheiten, damit Menschen zusammenkommen – etwa bei Kulturveranstaltungen, Workshops oder Gesprächsrunden. Ziel ist es, dem Gefühl der Vereinzelung und politischen Sprachlosigkeit entgegenzuwirken und Dialog wieder möglich zu machen. Für die Besucher*innen aus Nürnberg war das Flechtwerk ein eindrückliches Beispiel, wie gelebte Demokratie vor Ort aussehen kann.

Abschlussveranstaltung in Nürnberg: „Aktiv ist Muss!“

Den Abschluss des von der Amadeu Antonio Stiftung geförderten Vernetzungsprojekts bildete eine Diskussionsveranstaltung in Nürnberg unter dem Motto „Aktiv ist Muss! – Gemeinsam gegen den Rechtsruck“, zu der die Naturfreunde gemeinsam mit den “Omas gegen Rechts” einluden. Aktive, die sich etwa in Gewerkschaften, migrantischen Selbstorganisationen oder in anderen Kontexten gegen Rechtsextremismus und Rassismus einsetzen, kamen zusammen, um sich über ihre Perspektiven, Erfahrungen und politischen Forderungen auszutauschen. Mit dabei war auch hier Marcel aus Sonneberg. Das Fazit: Nur, wenn wir Stadt und Land, Ost- und Westdeutschland zusammen denken und uns gegenseitig unterstützen, können wir dem erstarkenden Rechtsextremismus wirksam etwas entgegensetzen. „Die Demokratie geht uns alle etwas an – und verteidigen können wir sie nur gemeinsam, wenn wir keine Region damit alleine lassen“, betont Lollo.

Foto: Naturfreunde Nürnberg Mitte, Uli

Die Vernetzung geht weiter – Ideen für die nächsten gemeinsamen Projekte

Die Zusammenarbeit der Naturfreunde Nürnberg mit den Engagierten in Themar, Sonneberg und Almerswind soll weitergehen. Aktuell sind sie im Austausch, um gemeinsame Projektideen und Möglichkeiten der gegenseitigen Unterstützung zu planen, beispielsweise mit dem Bündnis für Demokratie und Weltoffenheit Kloster Veßra. „Das Bündnis plant bald ein Familienfest. Eine Idee ist, dass wir als Naturfreunde Nürnberg zur Unterstützung hinfahren, eine Kletterwand mitbringen und so sportliche Angebote mit politischer Bildung verbinden“, erzählt Lollo. „Gleichzeitig hat das Bündnis in Kloster Veßra bereits viel Erfahrung mit den unterschiedlichsten Aktionsformen. Von diesem Erfahrungswissen können wir sehr profitieren. Vielleicht lässt sich eine ihrer Protestaktionen so ähnlich auch in Nürnberg umsetzen, um gegen die rechtsextremen Demos zu protestieren, die hier jeden Montag in der Innenstadt stattfinden.“

Die Vernetzung zwischen Nürnberg und Südthüringen zeigt, welches Potenzial darin liegt, wenn Menschen aus unterschiedlichen Regionen sich zusammentun. Der Einsatz gegen Rechtsextremismus muss als gemeinsame Aufgabe verstanden werden. Es braucht solidarische Allianzen und die Bereitschaft, aufeinander zuzugehen, sich zuzuhören und voneinander zu lernen.

Weiterlesen

Mitmachen stärkt Demokratie

Engagieren Sie sich mit einer Spende oder Zustiftung!

Neben einer Menge Mut und langem Atem brauchen die Aktiven eine verlässliche Finanzierung ihrer Projekte. Mit Ihrer Spende unterstützen Sie die Arbeit der Stiftung für Demokratie und Gleichwertigkeit.