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Stay Rebel in Limbach-Oberfrohna

Workshopankündigung auf dem Festival 2010, von Soziale und politische Bildungsvereinigung L.-O., c


„Von der Stadt bekommen wir keinerlei Unterstützung – es ist auch keine zu erwarten.“ Trotz dieser ernüchternden Aussage organisiert die „Soziale und politische Bildungsvereinigung Limbach-Oberfrohna e.V.“ auch in diesem Jahr das „Stay Rebel“ – mit Unterstützung der Amadeu Antonio Stiftung.

Limbach-Oberfrohna, eine Kleinstadt im südwestlichen Sachsen, gilt seit Jahren als Hochburg der Neonazis. Hier veranstaltet die NPD 2011 zum wiederholten Male ihre „große Jahresauftaktveranstaltung“ und sitzt auch im Stadtrat. Auch neonazistische Straftaten sind an der Tagesordnung: Pöbeleien, Drohungen und gewaltsame Übergriffe auf alternative Jugendliche sowie auf Migrantinnen und Migranten. Auch das Vereinshaus engagierter Jugendlicher wird wiederholt zum Angriffsziel. Mehrfach werden Scheiben eingeschlagen, Hakenkreuze an die Wände geschmiert und schließlich, im November vergangenen Jahres, das Haus in Brand gesteckt. Die lokale und auch landesweite Politik allerdings verkennt das Problem. Sie sucht es bei den jungen Engagierten – und macht die Opfer zu den Tätern. Einmal beispielsweise wollten die Jugendlichen an Opfer rechter Gewalt erinnern und malten Umrisse von Menschen mit Kreide auf die Straße. Die Stadt holte die Feuerwehr, um die Kreidestriche wegzuspülen und zeigte die Engagierten wegen Sachbeschädigung an. Der nächste Regen hätte es wohl nicht getan.

Engagieren statt wegschauen

Die Situation in Limbach-Oberfrohna ist also besorgniserregend. Im Oktober 2008 aber gründeten diese engagierten Jugendlichen die „Soziale und politische Bildungsvereinigung Limbach-Oberfrohna e.V.“, die sich hohe Ziele gesteckt hat. Dazu gehören unter anderem „ein friedliches Miteinander zu fördern“, „fremdenfeindliche, sexistische, gewaltverherrlichende und menschenverachtende Strukturen in der Gesellschaft zu bekämpfen“ und „insbesondere jungen Menschen bei ihrer politischen Meinungsbildung zu unterstützen und ihnen demokratische Werte zu vermitteln“. Ganz in diesem Sinne planen die Vereinsmitglieder nicht nur Vorträge, Diskussionsrunden und Demonstrationen, um so die demokratische Kultur zu stärken, sondern auch das sogenannte „Stay Rebel Festival“. Unter dem programmatischen Namen „Stay Rebel“ findet seit 2007 jährlich in einem Park in Chemnitz, seit 2009 auch in anderen Städten in den neuen Bundesländern und 2010 erstmals auch in Limbach-Oberfrohna, dieses alternative Festival statt. Die Vereinsmitglieder, die zumeist Schülerinnen und Schüler, Auszubildende und Studierende sind, wollen die Bürgerinnen und Bürger von Limbach-Oberfrohna auf die Probleme ihrer Stadt aufmerksam machen und zeigen, dass gegen Rassismus, Sexismus und Homophobie vorgegangen werden muss. Dafür wird unter dem Motto „Aufstand im Schlaraffenland“ ein vielfältiges Angebot auf die Beine gestellt.

Das Festivalprogramm

Die Festivalbesucherinnen und -besucher erwartet auf einer Bühne ein abwechslungsreiches Musikprogramm, bei dem die angekündigten Bands Attic Sounds, Gone for Broke, Meniak und Berlinska dròha von Rock über Hardcore bis hin zum Folk für jeden Geschmack etwas bieten. Dazwischen wird es eine Podiumsdiskussion geben, um die Entwicklungen in Limbach-Oberfrohna zu thematisieren. An dieser werden sich Vertreterinnen und Vertreter vom Netzwerk Tolerantes Sachsen, vom Bürgerforum Limbach-Oberfrohna, von der RAA Sachsen und von der sozialen und politischen Bildungsvereinigung Limbach-Oberfrohna beteiligen. Des Weiteren präsentieren verschiedene Organisationen und Bündnisse ihre Arbeit an Informationsständen. In Zelten rund um die Bühne werden Workshops zum Thema Sexismus, unter dem Titel „Was Superman und Barbie uns vorgeben“ vom Netzwerk für Demokratie und Courage Chemnitz und zur Kritik am Extremismusbegriff, unter dem Titel „Das Hufeisen an den Nagel hängen“ von der roten Hochschulgruppe Chemnitz angeboten. Auch Vorträge zu verschiedenen Themen, unter anderem zur sächsischen Asylpolitik und die Vorführung des Films „Tragödie der Provinz“ stehen auf dem Programm. Die Amadeu Antonio Stiftung unterstützt die Durchführung der geplanten Workshops. Für das leibliche Wohl wird in der KÜFA (Küche für alle) gesorgt, an die Kinder wird in einer Bastelecke, bereitgestellt vom Alternativen Jugendzentrum Chemnitz, gedacht und Jugendlichen wird eine Sprühwand zur Verfügung gestellt. Zum Abschluss des Festivals wird wie im letzten Jahr eine Feuershow geben.

Die Organisation

Das Festivalprogramm klingt nicht nur vielversprechend, sondern auch nach viel Organisations- und Zeitaufwand. Daniel Drescher, Mitglied der sozialen und politischen Bildungsvereinigung Limbach-Oberfrohna, sagt dazu: „Die Organisation war dieses Jahr auf jeden Fall leichter. Weitergehend profitieren wir natürlich aus den geknüpften Kontakten vom letzten Jahr. Wir wissen dieses Jahr auch, auf was wir achten müssen.“ 2010 wurden der Bildungsvereinigung bei der Organisation von Seiten der Stadtverwaltung Limbach-Oberfrohna wiederholt Steine in den Weg gelegt. Mehrfach wurde das Festival im Vorfeld verboten, zweimal musste es deshalb verschoben, die Planung jedes Mal von vorne begonnen und die Genehmigung letztlich mit juristischer Unterstützung erkämpft werden. Erfreulicherweise gab es in diesem Jahr nach Auskunft von Daniel Drescher „noch keine nennenswerten Hürden“. Die schriftliche Genehmigung liegt bereits vor, aber Ende Juli steht noch das Kooperationsgespräch mit der Versammlungsbehörde an. „Es wird sich zeigen ob da noch ein Rückschlag behördlicher Seite folgt – so wie wir es eigentlich in Limbach gewohnt sind. Aber bis jetzt sieht es gut aus.“, so Daniel Drescher weiter. Was die Teilnehmerzahl betrifft ist der Verein zuversichtlich. Mit einer Steigerung ist auf jeden Fall zu rechnen, denn durch das Festival im letzten Jahr hat sich der Bekanntheitsgrad erhöht. Es könnten zwischen 400 und 500 Interessierte der Einladung nach Limbach-Oberfrohna folgen. Seit der Gründung der sozialen und politischen Bildungsvereinigung Limbach-Oberfrohna vor drei Jahren beweisen die engagierten Jugendlichen ihren Mut und ihr Durchhaltevermögen – und das nicht nur gegenüber der örtlichen Neonaziszene, sondern auch gegenüber der Stadtverwaltung.

 

Von Katharina Weile

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