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„Als Meinungsfreiheit getarnter Hass“ – Die rechte Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung

Die Amadeu Antonio Stiftung erlebte im Sommer 2016, was das Wort „Shitstorm“ praktisch bedeutet. Zur Illustration: Noch im Mai 2016 wurde die Stiftung etwa 500 Mal auf Twitter erwähnt. Im Juli und August gab es über 10.000 Erwähnungen – der Großteil davon waren Hass-Posts und Links zu verleumderischen und diffamierenden Artikeln. Der Rechtsextremismus-Experte Prof. Dr. Salzborn fertigte auf Anfrage der Stiftung hin ein Gutachten dazu an, aus dem hier einige Aspekte zusammengefasst werden.

Den Ausgangspunkt der Kampagne gegen die Stiftung sieht Prof. Dr. Salzborn im Kontext der im Herbst 2015 durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) initiierten Task Force „Umgang mit rechtswidrigen Hassbotschaften im Internet“. Die AfD – ohne konkret vom BMJV genannt zu werden – sah sich scheinbar selbst als Gegenstand des von der Task Force adressierten Problems. „Ebenfalls damit […] implementiert zunächst von der AfD Bayern diffus, dann von [dem Thüringer AfD-Vorsitzenden] Björn Höcke konkretisiert formuliert, war der versuchte Vergleich der Bundesregierung mit der DDR, respektive dem damaligen Ministerium für Staatssicherheit und damit verbunden die grundsätzliche Lüge, strafrechtliche Einschränkung von rassistischen, antisemitischen oder völkisch nationalistischen Hassbotschaften […] seien eine ungerechtfertigte Einschränkung von Meinungsfreiheit.“

Die Kampagne nimmt volle Fahrt auf, als die Stiftung eine Handreichung mit rechtlichen und politischen Handlungsvorschlägen gegen „Hetze gegen Flüchtlinge in Sozialen Medien“ veröffentlicht. Nun „wurden alle Argumentationsfiguren, die bereits in den vorherigen Monaten im virtuellen Raum zirkulierten, wieder aufgegriffen und dort in vielen Fällen auch in deutlich aggressiverem Jargon zugespitzt. […] [Es] entwickelte sich eine immense Wucht an virtueller Energie gegen die Amadeu Antonio Stiftung: in rechten Blogs, auf den Facebook-Seiten von Privatpersonen und Organisationen, auf Twitter und diversen Homepages, aber auch in direkt an die Stiftung gerichteter E-Mail. […]

Wichtig für die Resonanzfrage […] war allerdings, […] dass das Thema nun auch von unterschiedlichen Tageszeitungen […] aufgegriffen wurde. Neben differenzierten Berichten […] oder auch Beiträgen, die weitgehend sachlich eine inhaltlich konträre Position in die Debatte einbrachten […], muss als zentraler Erfolg für die rechte Kampagne gegen die Stiftung ein Beitrag gelesen werden, der am 22. August 2016 in der […] Süddeutschen Zeitung […] das Geraune des virtuellen Raums weitgehend für Fakten hielt und in seiner durch Verkürzung und Simplifizierung hergestellten Falschheit verbreitete.“

„Insgesamt ist eine extreme Komplexitätsreduktion und Simplifizierung zu attestieren, […] die einerseits mit der tatsächlichen Faktenlage bezüglich der Arbeit der Amadeu Antonio Stiftung fast nichts zu tun haben und andererseits durch ein exorbitantes Unwissen mit Blick auf das politische und rechtliche System der Bundesrepublik gekennzeichnet sind.“

Dass die Fülle der erscheinenden Posts und Kommentare retrospektiv als Kampagne erscheinen, liegt zunächst vor allem an der „Eigendynamik des Öffentlichen“ in Zeiten der Sozialen Netzwerke. „Insofern wäre es gänzlich verfehlt, bei der Kampagne gegen die AAS davon auszugehen, dass diese als solche inszeniert und geplant gewesen wäre, vielmehr ist es zielführender zu begreifen, dass sich zahlreiche rechte Akteure – und das Etikett „rechts“ ist mit Bedacht gewählt, weil nicht nur Rechtsextreme, sondern auch (Rechts-)Konservative zu Akteuren in der Kampagne geworden sind – aufgrund punktueller gemeinsamer Interessen in einer ähnlichen Richtung engagiert haben.“

Zahlreiche Gewaltphantasien und aggressiven Kommentare zielen persönlich auf Anetta Kahane ab. „Der Antisemitismus ist dabei […] – zusammen mit dem Antifeminismus und Sexismus – das zentrale Moment […], wobei dieser Antisemitismus aus rhetorischen Gründen immer wieder mit der DDR-Vergangenheit assoziativ in Verbindung gebracht wird.“

Prof. Dr. Salzborn zieht das Fazit: „Auf eine Kurzformel gebracht, kann man anhand der rechten Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung sehen, wie wichtig einerseits politische Bildung im Bereich des Umgang mit sozialen Medien ist […] und andererseits, dass die Ansätze der Task- Force […] des BMJV grundsätzlich in die richtige Richtung zielen.“ Denn es „fällt besonders auf, dass die jeweils als Ausgangspunkt genutzte Primärquelle selten eine seriöse ist und insofern die Grundlage für die schneeballartige Weiterverbreitung in den sozialen Netzwerken […] nicht Fakten, sondern stark verkürzte Gerüchte oder Lügen sind. Eine Prüfung und Falsifizierung dieser scheint, zumindest bei denen, die sie weiter verbreiten, auszubleiben.“

 

Hier gelangen Sie zum vollständigen wissenschaftlichen Gutachten von Prof. Dr. Samuel Salzborn zur rechten Kampagne gegen die Amadeu Antonio Stiftung.

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